Hamburg. Der japanische HSV-Neuzugang konnte nach seiner Knieblessur zwar Entwarnung geben. Doch das Risiko spielt bei ihm immer mit.

Den ersten Schreckmoment beim HSV hat Masaya Okugawa erfolgreich überstanden. Nachdem die Leihgabe des FC Augsburg den Trainingsplatz am Mittwoch mit dick bandagiertem Knie verlassen hatte, war am Donnerstagvormittag nichts mehr von einer Verletzung zu sehen. „Ich habe viele Spieler, die das Training mit Eis auf den Knien verlassen. Da ist alles fit“, gab auch Trainer Tim Walter Entwarnung.

Gut gelaunt ging Okugawa am Donnerstag neben seinem früheren Bielefelder Mitspieler Guilherme Ramos in Richtung Trainingsplatz, ehe er in der anschließenden Einheit so dribbelte, flankte und abschloss, wie es sich der HSV von ihm wünscht. Dennoch – als der Japaner am vergangenen Sonntag im Volkspark unterschrieb, verpflichteten die Hamburger auch ein gewisses Risiko.

HSV News: Arabi kennt Okugawa aus Bielefeld

„Bei Masaya ist immer die Frage, inwiefern er Woche für Woche die geforderten Intensitäten mitgehen kann. Wenn er zuletzt nicht immer mal wieder verletzt gewesen wäre, wäre der HSV in der Zweiten Liga jetzt kein Thema für ihn gewesen“, sagt einer, der Okugawa seit mehreren Jahren genau kennt. Samir Arabi, der von April 2011 bis März 2023 Sport-Geschäftsführer von Arminia Bielefeld war, holte den Offensivspieler Anfang 2021 nach Ostwestfalen, wo Okugawa bis zum vergangenen Sommer eineinhalb Jahre in der Bundesliga und ein Jahr in der Zweiten Liga spielte.

„Wir sind bei der Leihe damals auch ein Risiko eingegangen. Wir wussten, dass wir die Belastung bei ihm genau steuern müssen“, erinnert sich Arabi, der sich bei Okugawas früherem Club RB Salzburg damals eine Kaufoption in Höhe von einer Million Euro sicherte. Nach einem halben Jahr war klar, dass die Arminia diese auch ziehen würde. „Die Salzburger konnten die Entwicklung von Masaya damals selbst kaum glauben“, sagt Arabi und lacht. „Wenn er sich wohlfühlt und die Mannschaft einen fußballerischen Ansatz hat, kann er einen extremen Mehrwert bieten.“

HSV besitzt Kaufoption für den Japaner

Auch der HSV besitzt jetzt eine Kaufoption für den 27-Jährigen. In der Rückrunde dürfte er sich in erster Linie mit Jean-Luc Dompé, der dummerweise auch hin und wieder verletzt ausfällt, um den Stammplatz auf der linken Offensivseite duellieren. „Ich möchte gerne auf Linksaußen spielen, das ist meine Lieblingsposition“, sagt Okugawa, der unter Tim Walter bei Holstein Kiel in der Saison 2018/19 auch schon als Stürmer in einem 4-4-2-System zum Einsatz kam. Am Sonnabend (20.30 Uhr/Sky, Sport 1 und Liveticker bei abendblatt.de) dürfte Walter jedoch wie gewohnt auf ein 4-3-3 setzen.

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„Ich glaube, dass er sehr gut zu Tim Walter und dem Ballbesitzfußball beim HSV passt. Er ist ein sehr schlauer Spieler, der sich sehr schlau in den Räumen bewegt. Er ist ein Schleicher – und das meine ich ausschließlich positiv“, sagt Samir Arabi. „Es liegt mir zwar fern, Transfers von anderen Clubs zu bewerten. Wenn ich beim HSV wäre, hätte ich Masaya aber auch geholt.“ Ohne die Verletzungsanfälligkeit wäre der frühere japanische U-18-Nationalspieler schon längst Bundesliga-Stammspieler, davon ist der 44-Jährige überzeugt.

In Augsburg spielte er zuletzt kaum eine Rolle

In Augsburg konnte sich Okugawa in der Hinrunde nicht durchsetzen, weil er im vergangenen Sommer bereits mit einem Schlüsselbeinbruch ankam. „Mental war es eine schwierige Zeit, die Schulterverletzung war die längste Pause, die ich in meiner Karriere hatte. Ich bin sofort nach Japan geflogen, meine Familie und Freunde haben mir dort geholfen“, sagt Okugawa. „Im vergangenen Jahr habe ich wenig trainiert und gespielt, weil ich verletzt war. Dass mich der HSV trotzdem ausleihen wollte, hat mich sehr gefreut.“

Nach Abendblatt-Informationen hatten in diesem Winter vor dem HSV bereits mehrere andere Zweitligisten beim Japaner angeklopft. Richtig überzeugt war Okugawa jedoch erst vom Angebot aus Hamburg, was in erster Linie an Trainer Walter lag. „Ich wollte immer noch mal unter ihm spielen“, sagt der Tempodribbler.

Okugawa gilt als zurückhaltender Zeitgenosse

Abgesehen von seinen sportlichen Fähigkeiten erinnert sich Samir Arabi auch gerne an die Persönlichkeit seines früheren Spielers zurück. „Masaya ist ein guter Junge, der sehr ruhig und zurückhaltend ist. Im Einzelgespräch kann man mit ihm auch mal scherzen, er wird aber kaum die gesamte Kabine unterhalten oder Mannschaftsabende organisieren“, sagt er. „Dass er so zurückhaltend ist, meine ich überhaupt nicht negativ. Wichtig ist immer, dass man eine gute Struktur in der Gruppe hat.“

Okugawa wurde rund eine Autostunde nordwestlich von Osaka geboren, spielte in seiner Jugend für den japanischen Erstligisten Kyoto Sanga. Weil er mit dem Traditionsclub als 14-Jähriger bei einem internationalen Jugendturnier in Spanien auf den FC Barcelona traf, ist er bis heute vom spanischen Fußball beeindruckt. „In Zukunft möchte ich einmal in Spanien spielen“, sagt Okugawa, der zu den Toptalenten seines Jahrgangs zählte. Als er mit 18 Jahren endlich nach Europa wechseln konnte, waren nach Abendblatt-Informationen auch der FC Liverpool und Bayer 04 Leverkusen an ihm interessiert.

Als 18-Jähriger wollte ihn der FC Liverpool

Angesichts der besseren Perspektive für junge Spieler entschied er sich jedoch zunächst für RB Salzburg und die angeschlossene Talentschmiede FC Liefering in Österreichs Zweiter Liga. „Mit 18 ist es schwer, direkt nach Spanien zu wechseln. Als Japaner muss man Schritt für Schritt gehen“, sagt Okugawa. „Ich hatte in Salzburg zweimal pro Woche Deutschunterricht mit Takumi Minamino. Er hat mir sehr geholfen in der ersten Zeit dort.“ Während Landsmann Minamino später tatsächlich zum FC Liverpool ging, sammelte Okugawa bei vielen Leihgeschäften in Deutschland und Österreich Spielpraxis und Erfahrungen.

Der nächste Schritt für ihn ist nun der HSV. Eine Wohnung hat der Neuzugang, der in dieser Woche noch von seinem Berater in Hamburg unterstützt wird, noch nicht gefunden. Spätestens wenn seine Frau, die er im Sommer 2022 in der Nähe seiner Geburtsstadt Kōka heiratete, in Hamburg ankommt, dürfte er sich schnell einleben. „Bei fremden Leuten ist er mitunter noch etwas schüchtern, grundsätzlich ist die Integration in eine neue Mannschaft aber kein Problem bei ihm“, sagt auch Arabi.

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Okugawas Vorteil ist, dass er Walter bereits kennt – und Walter ihn andersherum auch. „Masaya ist ein sehr guter Eins-gegen-eins-Spieler, der Dinge initiieren kann. Für die Offensive ist er für uns eine Bereicherung“, sagte der Trainer. Die Voraussetzung aber ist, dass der Neuzugang weiter gesund bleibt.