Hamburg. HSV hält an Walter fest. Wurde der womöglich beste Zeitpunkt eines Trainerwechsels verpasst? Der Aufsichtsrat sieht genau hin.

Tim Walter bezeichnet Druck als Privileg. Wann immer in seiner Zeit als HSV-Trainer Zweifel an seiner Aufstiegstauglichkeit aufkamen, sprach er dieses psychologisch wertvolle Motto aus. So auch vor dem letzten Hinrundenspiel in Nürnberg, garniert mit dem Zusatz: „Ich weiß, was Sturm in Hamburg bedeutet.“ Und tatsächlich: Am Morgen, nachdem Sturmtief „Zoltan“ den Norden mit voller Wucht traf, erwies sich Walter als standhaft.

Denn der 48-Jährige, der sich aktuell im sturmsicheren München aufhält, hat nun die Gewissheit, nach der Weihnachtspause seine Arbeit im stürmischen Volkspark wieder aufzunehmen. Allerdings wird seine Position nicht mehr so gefestigt sein wie zuvor. Nach einer öffentlichen und internen Debatte um seine Zukunft steht Walter mit dem Rückrundenauftakt beim FC Schalke 04 (20. Januar) unter Druck. Ob der HSV-Coach diesen auch dann noch als Privileg bezeichnet?

HSV-Trainer Walter: Nur der Erfolg zählt

Klar ist, dass Walter in der Rückrunde ausschließlich am Erfolg gemessen wird. Intern bislang tolerierte Verweise auf den Zusammenhalt der Mannschaft und die Einheit mit den Zuschauern im dauerhaft voll besetzten Volksparkstadion werden ausbleibende Siege ab sofort nicht mehr kaschieren. Stattdessen steht Walter in der Pflicht, nach zweieinhalb Jahren endlich für die erwartete Stabilität eines mit viel Geld und Qualität zusammengestellten Kaders zu sorgen, um den bislang noch ausgebliebenen Nachweis eines Aufstiegstrainers zu liefern.

Eine in der Theorie nachvollziehbare Zielsetzung, die in der Praxis allerdings Zweifel mit sich bringt. Warum sollte Walter, der bislang zu selten bereit war, seine bisweilen riskante Spielweise signifikant für mehr Erfolg anzupassen, diesmal zur Einsicht kommen? Es fehlt die Fantasie, warum gerade jetzt alles anders sein soll.

HSV-Trainer Walter bleibt: Boldt unter Druck

Sportvorstand Jonas Boldt und Profifußballdirektor Claus Costa sind mit ihrer innerhalb des Clubs nicht von allen Personen geteilten Entscheidung auch ein persönliches Risiko eingegangen. Sollte der HSV in dieser Saison erneut den Aufstieg verpassen, würden auch die beiden Manager unter Druck geraten. Der Aufsichtsrat beäugt Walters Verbleib schon jetzt kritisch – bei Misserfolg würden sich diese Blicke auf die Führungsetage ausweiten.

Die Entscheidung, an Walter festzuhalten, muss aus Boldts Sicht auch deshalb sitzen, weil mit der Winterpause der womöglich bestmögliche Zeitpunkt eines Trainerwechsels verpasst worden sein könnte. Sollte dieser im Laufe der Rückrunde vollzogen werden, träte der neue Übungsleiter eine ungleich diffizilere Aufgabe an, da der Kader auf Walters einmaligen Spielstil zugeschnitten ist. Punktuelle Veränderungen beim Spielerpersonal wären dann nicht mehr möglich. Und der Aufstieg möglicherweise auch nicht.

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