Hamburg. HSV spielt verunsichert. Entwicklung ist rückläufig, der Aufstieg in Gefahr. Walter vor Jahresfinale kämpferisch. Aber reicht das?

Tim Walter hatte sein Lächeln wiedergefunden, als er am Sonntag den Trainingsplatz betrat. Unter Beobachtung von 13 Fans, die trotz Regens gekommen waren, signalisierte der HSV-Trainer Optimismus am Tag nach der 1:2-Heimpleite gegen Paderborn und eine Woche vor dem Hinrundenfinale beim 1. FC Nürnberg.

In seiner zweieinhalbjährigen Amtszeit hat Walter schon oft bewiesen, die Mannschaft aus einer misslichen Lage befreien zu können. „Wir lagen schon so oft am Boden, stehen aber immer wieder auf“, gab sich der 48-Jährige kämpferisch.

HSV-Trainer Tim Walter: Motivieren kann er

Es ist gerade einmal sechs Monate her, als Walter es sogar binnen vier Tagen schaffte, ein nach dem Relegationshinspiel in Stuttgart (0:3) am Boden liegendes Team wieder aufzurichten. Im Rückspiel glaubte das gesamte Volksparkstadion zumindest für 45 Minuten an den Aufstieg. Ein Verdienst Walters, das ihm letztlich den Job sicherte.

Diesmal hat Walter sieben Tage Zeit, um seine Spieler bis in die Haarspitzen für das letzte Spiel des Jahres zu motivieren. Durch die zunehmende Verunsicherung der Profis mehren sich jedoch die Zweifel, ob Walter erneut die Wende gelingt.

Der schwache Auftritt gegen Paderborn war der vorläufige Tiefpunkt einer seit Wochen rückläufigen Entwicklung. Dass Gästetrainer Lukas Kwasniok sagte, die fehlerhafte Leistung seiner Elf werde „gegen Hansa Rostock nicht reichen“, wirkt wie ein verbaler Schlag ins Gesicht.

HSV-Profis in Formkrise

Die Hamburger haben nur vier der vergangenen elf Ligaspiele gewonnen. Eine Bilanz, die auf diesen Saisonabschnitt bezogen nur für einen Mittelfeldplatz reicht, aber eben bei Weitem nicht für den angestrebten Aufstieg. Allein in den zurückliegenden vier Ligaspielen hat der von Woche zu Woche an Souveränität verlierende HSV nur einmal gewonnen, beim glücklichen 2:1 zu Hause gegen Braunschweig.

Die Tabellenspitze der 2. Bundesliga
1. FC St. Pauli 19 / 35:16 / 39
2. Kiel 18 / 34:25 / 35
3. HSV 18 / 35:22 / 34
4. Fürth 18 / 28:20 / 32
5. Düsseldorf 19 / 40:25 / 31
6. Hannover 19 / 35:25 / 28
7. Paderborn 19 / 28:29 / 28

Auffällig ist, dass sich mehrere Spieler in einer Formkrise befinden. „Wir haben zu viele individuelle Ausfälle“, sagt Walter. „Wir müssen mehr machen, jeder einzelne Spieler muss alles auf dem Platz lassen“, fordert Laszlo Benes, der gegen Paderborn ein Traumtor erzielte. Zu mehr als einem Treffer reichte es nicht, weil die Flügel abermals nicht funktionierten und Torjäger Robert Glatzel kaum verwertbare Bälle erhielt. So ist der HSV zu harmlos.

HSV-Abwehr ist Walters größtes Problem

Hinzu kommen die dauerhaften Aussetzer in der Abwehr. Durch die vielen Verletzungen in der Hinrunde sei es „schwer, defensive Abläufe zu trainieren“, sagt Walter. Seine Mannschaft sei dadurch nicht eingespielt. Am Sonnabend beklagte der HSV während des Spiels die Ausfälle von Ignace Van der Brempt, der wegen muskulärer Probleme auch gegen Nürnberg auszufallen droht, und Stephan Ambrosius (Rücken), der beim Club wohl erneut an der Seite von Kapitän Sebastian Schonlau verteidigen wird.

Nach diesen beiden Wechseln patzte einmal mehr Dennis Hadzikadunic, der vor dem 1:2 der Gäste ausrutschte, sodass Paderborns Ilyas Ansah alleine aufs Tor zulaufen konnte.

Wie Walter die HSV-Wende gelingen will

Es ist natürlich nicht Walters Schuld, wenn Hadzikadunic wie in Kaiserslautern (3:3) und Elversberg (1:2) patzt. Doch es liegt im Verantwortungsbereich des Trainers, auf die Schwächen seiner Profis einzugehen und ihnen mit taktischen Maßnahmen zu helfen. Walters Spielweise lässt allerdings nur wenig Spielraum für Fehler, die häufig zu Gegentoren führen, weil es an einer Absicherung mangelt.

Mittlerweile ist vielen Spielern das Selbstvertrauen abhandengekommen und damit die wohl wichtigste Eigenschaft, um Walters Fußball erfolgreich umzusetzen.

„Das Entscheidende ist jetzt, viel miteinander zu kommunizieren“, erklärt Walter, wie er seine Spieler in Normalform bringen will. „Die Jungs“, sagt der Coach, würden zwar mehr auf dem Platz reden, aber noch zu häufig auf seine Anweisungen warten. „Wenn sie selbstbewusster auftreten und mehr Verantwortung übernehmen, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Dieses Ziel haben wir uns vorgenommen, besonders für die Rückrunde.“

HSV-Trainer Tim Walter: Was macht Boldt?

Sportvorstand Jonas Boldt muss nun eine Antwort finden, ob er Walter die Wende in der Rückrunde zutraut. Trotz des stärksten Kaders seiner sechsjährigen Zweitligageschichte hinkt der HSV mit nur 28 Punkten nach 16 Spieltagen den eigenen Erwartungen hinterher. Nach dem Nürnberg-Spiel wird es eine intensive Analyse im Volkspark geben, bei der es auch um Walters Zukunft geht.

In Fankreisen wird die Stimmung bereits unruhiger. Nach dem Abpfiff gegen Paderborn waren laute Pfiffe zu vernehmen, wobei unklar ist, auf wen sich diese bezogen. Anders als nach dem Pokal-Aus am Mittwoch in Berlin wurde der Mannschaft beim Gang in die Kurve dann aber applaudiert. Es folgten mehrere Schlachtrufe, um zu signalisieren, diese Krise gemeinsam durchstehen zu wollen.

Damit diese Unterstützung anhält, braucht der HSV ein Erfolgserlebnis in Nürnberg. Eine Partie, die zum Schicksalsspiel für Walter werden könnte.