Hamburg. HSV muss im Derby auf St. Pauli ein anderes Gesicht zeigen. Warum Van der Brempts Rückkehr sehnsüchtig erwartet wird.

Am Sonnabend schaute Robert Glatzel in Ochsenwerders Kult-Kneipe Gasthof Neudorf vorbei, wo sich die Mitglieder des HSV-Fanclubs Chico-Arena trafen. Der Stürmer wurde begeistert empfangen von den anwesenden Mitgliedern, die dem Topstürmer einen Wunsch mit auf den Weg gaben: Nach dem 2:1-Erfolg des HSV gegen Braunschweig soll am Freitag der Derbysieg gegen den Stadtrivalen FC St. Pauli folgen.

Wie wichtig den Fans ein Erfolg im 110. Stadtderby ist, war bereits am Freitagabend im Volksparkstadion zu spüren, als die Ultras während des Spiels immer wieder Schlachtrufe gegen den ungeliebten Rivalen vom Kiez anstimmten. Phasenweise geriet die Partie gegen Braunschweig dadurch zur Nebensache – möglicherweise auch bei den Spielern, die mit jeder Minute nachlässiger agierten.

„Wahrscheinlich haben wir uns nach dem 2:0 zu sicher gefühlt“, klagte Glatzel über die schwache zweite Halbzeit, in der sich der HSV nicht in Derbyform präsentierte.

HSV-Zahlen bereiten Sorgen

Um am Millerntor nicht die fünfte Pleite in Serie zu kassieren, wird sich der Club aus dem Volkspark gehörig steigern müssen. Wie schon bei der 2:4-Niederlage vor zwei Wochen in Kiel blieben die Hamburger auch gegen Braunschweig läuferisch unterlegen. Die Eintracht lief sieben Kilometer mehr und zog 30 Sprints mehr an als der HSV, der nun zum noch laufstärkeren Tabellenführer reist.

„Ein Derby ist ein Derby. Da kann man auch mit einem schlechten Gefühl reingehen und gewinnen“ ordnet Glatzel ein. „Das Spiel lebt von ganz vielen Emotionen, da müssen wir alles rausholen und mit den Fans alles zusammen dafür tun, dass wir gewinnen.“

Ist HSV die „beste Mannschaft der Liga“?

Die letzten Auswärtsauftritte und nun auch das Heimspiel gegen Braunschweig nährten allerdings die Zweifel, dass der HSV aktuell im Stande ist, sein volles Potenzial abzurufen. „Die Jungs sind auch keine Roboter, wir müssen uns für nichts entschuldigen“, stellte Trainer Tim Walter nach dem Sieg gegen die Niedersachsen unmissverständlich klar.

Unterstützung erhielt er etwas überraschend von seinem Braunschweiger Amtskollegen Daniel Scherning, der die Hamburger als die „beste Mannschaft der Liga“ bezeichnete. Und das obwohl diese „beste Mannschaft der Liga“ gehörige Probleme gegen den Tabellenvorletzten offenbarte.

Für Scherning verfüge der HSV dennoch über „die besten Spieler“ und „eine gute Spielidee“. „Ich glaube, dass sie sich dieses Jahr dafür belohnen werden“, sagte der Coach, der vor einer Woche ein Testspiel gegen den FC St. Pauli (2:1) gewann. Also den Club, den viele Trainer zuvor bereits als das Nonplusultra der Zweiten Liga bezeichnet hatten.

Walter bereitet sich auf den Gegner vor

Eine solche Formulierung wird Walter vor dem Stadtderby mit großer Sicherheit nicht über die Lippen rutschen. Und dennoch wird sich der 48-Jährige etwas Besonderes einfallen lassen müssen, um die zweifellos stabilste Mannschaft der Liga ins Wanken zu bringen.

„Wir fangen am Montag an, uns auf den Gegner vorzubereiten“, sagte der HSV-Trainer, der seine beiden bisherigen Spiele am Millerntor verloren hat, und legte beim TV-Sender Sky nach: „Es gibt mit Sicherheit viel zu besprechen.“ Dafür, dass Walter sonst stets betont, nur auf sich und nie auf den Gegner zu schauen, erscheint diese Aussage fast schon wie eine Art Abkehr von einem seiner Grundsätze.

Wie groß der Respekt vor den sportlichen Qualitäten des kommenden Gegners ist, unterstrich auch die Aussage Glatzels, der St. Pauli einen „guten Fußball“ attestierte. Der Kiezclub stehe „zu Recht da oben“, ergänzte der Stürmer. „Es ist ein guter Gegner, ein Derby. In der Zweiten Liga geht es nicht viel besser.“

HSV-Stürmer Robert Glatzel (l.) fordert von der Mannschaft im Stadtderby mehr Einsatz als gegen Braunschweig.
HSV-Stürmer Robert Glatzel (l.) fordert von der Mannschaft im Stadtderby mehr Einsatz als gegen Braunschweig. © Imago/Lobeca | Imago/Norbert Gettschat

Van der Brempts Rückkehr enorm wichtig

Damit der HSV wieder besser verteidigt als zuletzt, hofft der Club auf die Rückkehr von Ignace Van der Brempt. Der Rechtsverteidiger, der mit seinem Tempo enorm wichtig für die Konterabsicherung ist, absolvierte am Sonnabend schon wieder intensive Läufe nach seinem Muskelfaserriss. Im Laufe der Woche soll der Belgier wieder ins Mannschaftstraining einsteigen, um pünktlich zum Derby in die Startelf zurückzukehren.

Sein Comeback ist auch deshalb so wichtig, weil der defensivstarke Flügelstürmer Bakery Jatta Gelb-gesperrt fehlen wird. „Es ist schlimm für den Jungen, weil jeder gern ein Derby spielt“, sagte Walter. „Es ist aber auch eine Chance für die anderen Jungs. Ich freue mich, dass sie sich in den Vordergrund spielen können.“

Angesprochen fühlen dürfte sich insbesondere Ransford Königsdörffer, durch dessen Hereinnahme sich allerdings die Statik des Spiels verändern würde. Kein Offensivspieler des Kaders absolviert defensiv so viele Laufwege wie Jatta, der auch gegen Braunschweig den jungen Rechtsverteidiger William Mikelbrencis tatkräftig unterstützte.

Weil der Franzose seine Stärken in der Offensive hat, könnte die Kombination Mikelbrencis/Königsdörffer St. Paulis starker linker Angriffsseite um den dribbelstarken Elias Saad in die Karten spielen. Doch noch hofft der HSV auf die Rückkehr Van der Brempts, um dieses ungleiche Duell zu vermeiden.

HSV-Startelf weiter mit Ambrosius?

Denn auf St. Pauli muss der HSV bereit sein, defensiv zu leiden. „Die Abwehr gewinnt Spiele“, unterstrich Innenverteidiger Stephan Ambrosius, der für das Duell bei seinem Ex-Club um seinen Startelfplatz bangen muss, weil Dennis Hadzikadunic nach abgesessener Gelbsperre wieder einsatzfähig ist.

Bei den leidenschaftlich agierenden St. Paulianern braucht der HSV allerdings eine resolute Zweikampfführung, wie sie Ambrosius verkörpert, der dafür fußballerisch limitiert ist. Walter wird nun eine Entscheidung treffen müssen, welche Qualitäten ihm wichtiger sind.

„Wir freuen uns auf dieses Spiel, die Fans in Hamburg freuen sich und vielleicht sogar die Leute in ganz Deutschland“, sagt Mittelfeldspieler Jonas Meffert über das Derby. „Das wird ein geiler Fußballabend.“

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