Kiel. HSV bleibt auswärts zu anfällig und verliert das Nordduell. Hamburger verpassen es, nach Punkten mit St. Pauli gleichzuziehen.

Die letzten Minuten standen die meisten Zuschauer, die es mit Holstein Kiel halten. Auf den Rängen herrschte pure Ekstase über das, was dieses Nordduell zu bieten hatte. 2:4 (0:1) verlor der HSV am Sonnabend in Kiel, nachdem er zwischenzeitlich ein 0:2 in ein 2:2 umgewandelt hatte. Dann aber wollten die Hamburger den Sieg erzwingen – und vernachlässigten die Defensive.

„An so einem Tag hätten wir nach dem Ausgleich vielleicht besser unverdient einen Punkt mit nach Hause nehmen müssen“, klagte HSV-Torwart Daniel Heuer Fernandes. „Heute war vieles nicht gut, wir haben uns nicht an den Plan gehalten und hatten keine Energie auf dem Platz. Das ist einfach zu wenig, um hier zu punkten. Wir haben ganz klare Prinzipien, mit welchen Abläufen wir ins Spiel kommen wollen. Wenn wir davon so wenig umsetzen, dann wird es schwer.“

HSV auswärts einfach schwach

Die Auswärtsbilanz des HSV liegt nun bei ernüchternden sechs von 21 möglichen Punkten – zu wenig für die eigenen Aufstiegsambitionen. „Der ausschlaggebende Punkt war, dass wir im Zweikampfverhalten nicht gut waren“, sagte HSV-Trainer Tim Walter. „Kiel hatte die klareren Torchancen und hat verdient gewonnen. Das ist zu wenig von uns“, klagte Torjäger Robert Glatzel. „Kiel hat gebrannt, wir hatten nicht das gleiche Engagement wie der Gegner.“

In der Abwehr konnte Walter wieder auf Guilherme Ramos bauen, der den verletzten Stephan Ambrosius ersetzte. Außerdem kehrte Jean-Luc Dompé für Ransford Königsdörffer zurück in die Startelf. Offensivtalent Bilal Yalcinkaya (17) wurde erstmals für den Kader nominiert.

HSV kassiert frühen Elfmeter in Kiel

Im ausverkauften Holstein-Stadion zeichnete sich von Beginn an das erwartete Spiel ab. Mit ihren intensiven Pressingläufen jagten die laufstarken Kieler die mit viel Ballbesitz ausgestatteten HSV-Profis über den gesamten Platz. Etwas überraschend führte diese Spielweise im ersten Durchgang sogar zu einem Chancenplus der „Störche“ – und der frühen Führung.

Zunächst köpfte der unsichere Dennis Hadzikadunic die Flanke von Kiels Rechtsverteidiger Timo Becker nicht weit genug aus der Gefahrenzone. Schließlich wurde Lewis Holtby beim Nachsetzen im Strafraum von Miro Muheim getroffen, der den Ex-HSV-Profi nicht gesehen hatte, als er den Ball wegschlagen wollte. Den fälligen Elfmeter verwandelte Steven Skrzybski sicher zum 1:0 für die Gastgeber (20.).

Die Tabellenspitze der 2. Bundesliga
1. FC St. Pauli 19 / 35:16 / 39
2. Kiel 18 / 34:25 / 35
3. HSV 18 / 35:22 / 34
4. Fürth 18 / 28:20 / 32
5. Düsseldorf 19 / 40:25 / 31
6. Hannover 19 / 35:25 / 28
7. Paderborn 19 / 28:29 / 28

Bis zur Halbzeit musste sich der HSV glücklich schätzen, bei den Versuchen von Skrzybski (35.) und Fiete Arp (37. und 41.) nicht noch höher zurückgelegen zu haben. Aber auch Ramos kam zu einem gefährlichen Kopfball (40.), ehe Dompés Flanke kurz vor dem Gang in die Kabine an allen vorbeisegelte und erst vom Außenpfosten gebremst wurde (43.).

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HSV kämpft sich nach 0:2 zurück

Den zweiten Durchgang begann der HSV mit mächtig Wut im Bauch. Die neue Aggressivität brachte auch gleich eine Topchance auf den Ausgleich, als William Mikelbrencis mit einer butterweichen Flanke Stürmer Glatzel bediente, der Kiels Marko Ivezic anköpfte, von dem der Ball an die Unterkante der Latte, aber eben nicht ins Tor prallte (53.). Wie es besser geht, zeigte Holstein auf der Gegenseite. Holtby bekam zu viel Freiraum im Mittelfeld und steckte durch auf Pichler, der Ramos mit einem Kontakt gekonnt stehen ließ und den Ball unter der Latte zum 2:0 versenkte.

Walter reagierte und brachte mit Königsdörffer und Andras Nemeth zwei frische Offensivkräfte für Dompé und Verteidiger Mikelbrencis (60.). Die Hamburger schnürten Holstein jetzt tief um den Strafraum herum ein – und erarbeiteten sich den Anschlusstreffer nach einem perfekten Angriff. Über viele gelungene Kombinationen landete die Kugel bei Muheim, der auf den frei stehenden Glatzel flankte. Ein Kopfball gegen die Laufrichtung des Torwarts und schon stand es nur noch 1:2 (71.).

HSV vernachlässigt Defensive in Kiel

Der Druck des HSV wurde jetzt immer größer. Und als Bakery Jatta schließlich ein Auge für Robert Glatzel hatte, der mit seinem zweiten Kopfball binnen zehn Minuten das 2:2 erzielte (80.), war plötzlich wieder alles möglich.

Nur wenige Minuten später erlitt die Hamburger Sturmwelle allerdings einen herben Dämpfer. Nach einem Ballverlust Jattas in den Fuß von Lewis Holtby war plötzlich die komplette linke Seite des HSV unbesetzt. Der vom eingewechselten Moritz Heyer zu passiv begleitete Arp erkannte den Raum und schickte den eingewechselten Finn Porath auf die Reise, der mit einem wuchtigen Abschluss nervenstark zur erneuten Kieler Führung traf (83.).

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Und es kam noch bitterer für die Hamburger, deren Defensive sich komplett auflöste: Jonas Sterner erzielte kurz darauf auf 4:2 für Kiel. Es war die Entscheidung in einem packenden Nordduell, über das beim HSV noch zu sprechen sein wird.

Die Statistik:

  • Kiel: Weiner – Becker, Ivezic, Kleine-Bekel, Komenda (67. Rothe) – Schulz (75. Porath), Holtby, Sander – Skrzybski (67. Sterner), Pichler (85. Remberg), Arp.
  • HSV: Heuer Fernandes – Mikelbrencis (60. Königsdörffer), Hadzikadunic, Ramos (74. Heyer), Muheim – Meffert – Pherai (68. Poreba), Benes – Jatta, Glatzel, Dompé (60. Nemeth).
  • Tore: 1:0 Skrzybski (20./FE), 2:0 Pichler (57.), 2:1 Glatzel (71.), 2:2 Glatzel (80.), 3:2 Porath (83.), 4:2 Sterner (88.)
  • Gelbe Karten: Pichler (2), Sander (4) – Hadzikadunic (5), Meffert (4)
  • Schiedsrichter: Deniz Aytekin (Oberasbach)
  • Zuschauer: 15.034 (ausverkauft)
  • Torschüsse: 16:15
  • Ecken: 7:6
  • Ballbesitz: 42:58 Prozent
  • Zweikämpfe: 51:62