Hamburg. Wie der HSV in allen Zweitligajahren viel veränderte, aber die Probleme gleich blieben. Kann Walter diese Widerstände überwinden?
Wenn an diesem Freitagabend das Flutlicht an der Bremer Brücke angeht, werden bei dem einen oder anderen HSV-Fan die Erinnerungen hochkommen. Zweimal trat der HSV in der Zweiten Liga beim VfL Osnabrück an, zweimal hagelte es Niederlagen, die für mächtig Frust bei den jeweiligen Verantwortlichen sorgten. Und diesmal?
„Uns erwartet ein enges Stadion, Flutlicht und ein Gegner, der intensiv arbeitet und uns in viele Zweikämpfe verwickeln wird“, äußert Trainer Tim Walter seine Erwartungen an das Duell bei den Niedersachsen (18.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de). Es ist eben jene Art des Gegners, die den HSV in der Vergangenheit vor so überraschend arge Probleme stellte – besonders bei Gastspielen in Osnabrück.
HSV mit bösen Erinnerungen an Bremer Brücke
Der erste HSV-Trainer, der diese schmerzhafte Erfahrung sammeln musste, war Dieter Hecking. Am 15. Spieltag der Saison 2019/20 reiste der zu diesem Zeitpunkt noch formstarke HSV als Tabellenführer beim damaligen Aufsteiger an.
Auch damals war es ein Flutlichtspiel am Freitagabend, das die Hanseaten verdient verloren. „Nach 20 Minuten haben wir gedacht, dass wir hier ein bisschen Primaballerina spielen können. Das geht so nicht“, sagte Hecking, der zudem beklagte, dass seine Mannschaft „kaum einen Zweikampf gewonnen“ habe.
Eine Beobachtung, die auch Sportvorstand Jonas Boldt gemacht hatte. „Das war nicht zweitligatauglich“, schimpfte der Manager, der seine für die Spieler vorgesehene Botschaft bewusst öffentlich verkündete. „Ohne Zweikämpfe und Körperkontakt kann man kein Fußballspiel gewinnen. Wir waren beschissen, das muss man so deutlich sagen.“
HSV veränderte viel, um Probleme zu beheben
Nach der Spielzeit, die der HSV nach dem Osnabrück-Spiel zu keinem Zeitpunkt mehr als Spitzenreiter anführte, und einem beispiellosen Einbruch zum Saisonende mussten die Verantwortlichen einräumen, nicht auf das richtige Spielerpersonal und wahrscheinlich auch nicht auf den richtigen Trainer gesetzt zu haben.
Hecking war nach nur einem Jahr wieder Geschichte. Boldt dagegen blieb und veränderte den Kader – mit dem Ergebnis, dass sich die Probleme gegen vermeintlich kleine Mannschaften wiederholten. So auch an der Bremer Brücke, wo der HSV erneut verlor. Club-Ikone Horst Hrubesch hatte zum Ende der Saison 2020/21 von Daniel Thioune übernommen, die Leistung am 33. Spieltag beim VfL Osnabrück (2:3), die den erneuten Nichtaufstieg besiegelte, ließ aber auch den Mann, der nahezu alles im Fußball erlebt hat, ratlos zurück.
„Ich bin da noch nicht so ganz schlau, das reicht so nicht“, sagte Hrubesch, der mit der Einstellung seiner Spieler haderte. „Als Spieler wollte ich solche Spiele. Ich hatte heute nicht das Gefühl, dass wir es so wollten, wie man dieses Spiel spielen muss. Wir wussten, was auf uns zukommt, da müssen wir uns hinterfragen, ob das wirklich alles ist, was wir da gemacht haben.“
Wie Walter den HSV umkrempelte
Ein hartes Urteil, das wie eine Schablone auf nahezu alle Duelle gegen vermeintliche Underdogs anwendbar war. „Wir haben uns nicht genug gewehrt gegen die Teams von unten. Da haben wir zu viele Punkte liegengelassen“, wusste auch Boldt, der folgerichtig noch kräftiger an der Kaderschraube drehte und mit Tim Walter einen Trainer installierte, dessen Überzeugung und Selbstbewusstsein kaum zu übertreffen sind.
Die Idee dahinter: Der HSV wollte endlich widerstandsfähiger nach Rückständen und Rückschlägen sein, auch sollte die vermutlich größte Schwachstelle, die Mentalität der Mannschaft, verbessert werden. Ein Plan, der nur darauf bezogen, aufging. Für den Aufstieg in die Bundesliga reichte es aber weiterhin nicht. Und auch die Probleme gegen Mannschaften aus den unteren Tabellenregionen blieben.
Ist Elversberg ein Rückfall für den HSV?
Am vergangenen Sonnabend bei der 1:2-Niederlage in Elversberg präsentierte der HSV seinen Kritikern frische Argumente auf dem Silbertablett. Wieder patzten die Hamburger bei einem Aufsteiger. Es war bereits das 13. sieglose Spiel gegen einen Liga-Neuling seit dem Abstieg 2018. Eine verheerende Statistik, die doch eigentlich der Vergangenheit angehören sollte.
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Natürlich, so fair muss die Bewertung von außen sein, lässt sich nach einem Beispiel in der neuen Saison noch kein Trend erkennen oder bestätigen. Doch die Partie dient als Warnschuss vor dem nächsten Duell gegen einen Aufsteiger, zumal es gegen den unbequemen VfL Osnabrück geht.
HSV in Osnabrück: Walter will Muster verändern
„Wir sind nicht in unsere Abläufe gekommen, hatten zu wenig Geduld und waren auch technisch nicht genau genug“, sagt Walter rückblickend über die Niederlage in Elversberg, die eben nicht mit der alt bekannten Schwäche des HSV zu erklären, sondern ein in dieser Spielzeit einmalige Ausrutscher sein soll.
Für das nächste Duell gegen einen Aufsteiger verlangt Walter wieder den Willen, der seine Mannschaft an den ersten fünf Spieltagen so stark machte. „Die Jungs wollen das, was war, ungeschehen machen“, ist Walter überzeugt. Er weiß, dass das Duell gegen Osnabrück nun zum Gradmesser wird.
Wenn seine Spieler mit der gleichen Überzeugung antreten, dürfte der Club sein alt bekanntes Trauma gegen klare Außenseiter überwinden. „Es gibt niemals unveränderliche Muster“, gibt Walter den Startschuss für einen neuen HSV vor. Die Auflösung folgt am Freitagabend. Unter Flutlicht. An der Bremer Brücke.