Elversberg. Walter-Elf patzt in Elversberg, weil mehrere Spieler unter ihrem Niveau bleiben. Gruselige Statistik belegt die größte Schwäche.

Am Sonntag wurde viel getuschelt im Volkspark. Rund 50 HSV-Fans schauten beim Training der Ersatzspieler vorbei, das allerdings zum Randaspekt wurde. Denn das vorherrschende Thema der Kiebitze waren Erklärungsversuche für die Leistung der Stammspieler, die am Tag nach der 1:2-Niederlage bei der SV Elversberg joggen waren. Wie konnte der HSV erneut bei einem Aufsteiger patzen?, fragten sich die Anhänger.

Die Antwort ist wie so oft facettenreich. Zum einen blieben zu viele Profis in der gerade einmal 13.881 Einwohner umfassenden saarländischen Gemeinde unter ihrer Normalform.

„Unser Spiel war geprägt von Fehlpässen und Stockfehlern. So macht man einen Gegner stark“, klagte HSV-Vorstand Jonas Boldt. „Eigentlich ist es unsere Stärke, den Gegner hinterherlaufen zu lassen. Doch diesmal haben wir ihn durch unsere Ballverluste aufgebaut und mussten selber hinterherlaufen.“

HSV-Fluch gegen Aufsteiger – die Gründe

Eine Aufgabe, die gegen die schnellen Elversberger Angreifer um den sehr agilen Jannik Rochelt häufig misslang. Nach drei Spielen ohne Gegentor erlitt die zuletzt viel gelobte Defensive einen Rückfall in alte Zeiten. Insgesamt 16 Torschüsse der Gastgeber sind „zu viel“, monierte HSV-Kapitän Sebastian Schonlau.

„Es war einfach zu wenig: zu wenig Passschärfe, zu viele Ungenauigkeiten und zu wenig Druck auf den Gegner“, klagte Torhüter Daniel Heuer Fernandes, der mit seinen Glanztaten eine Blamage verhinderte.

Muheim fehlt dem HSV wohl länger

Auch die unsouveräne und fehlerhafte Leitung des jungen Schiedsrichters Patrick Schwengers trug ihren Teil zum zerfahrenen Spiel bei, darf allerdings genauso wenig als Ausrede herhalten wie die Verletzung Miro Muheims. Der Linksverteidiger wurde nach einem harten Tritt von Elversbergs Paul Wanner mit dem Verdacht auf einen Bänderriss im Sprunggelenk ausgewechselt und verließ das Stadion an Krücken.

Dem Schweizer droht eine wochenlange Pause, eine MRT-Untersuchung am Montag soll Klarheit über die Ausfallzeit geben. Möglicherweise rächt sich nun die Entscheidung der Verantwortlichen, im Sommer keinen neuen Linksverteidiger geholt zu haben.

In Elversberg half Rechtsfuß Moritz Heyer links hinten in der Viererkette aus. Der Defensiv-Allrounder leitete die letztlich zu späte Schlussoffensive mit seinem Anschlusstreffer zum 1:2 ein (89.), offenbarte defensiv allerdings auch ebenjene Schwächen, die ihn in dieser Saison seinen Stammplatz kosteten.

HSV ohne Kontrolle trotz Ballbesitz

Der größte Schnitzer des Tages unterlief allerdings seinem Abwehrkollegen Dennis Hadzikadunic, der sich gleich zu Beginn zu viel Zeit ließ. Elversbergs Jannik Rochelt ging dazwischen, nahm ihm den Ball ab und schob ein ins leere Tor, aus dem sich Heuer Fernandes entfernt hatte, um besser anspielbar zu sein (9.). „Der Fehler darf natürlich nicht passieren“, sagte Trainer Tim Walter, der von seinen Spielern Mut im Spielaufbau, aber natürlich keine Ballverluste fordert.

Zu diesem Zeitpunkt hatte der HSV mehr als 80 Minuten Zeit, um die Partie zu drehen. Doch den phasenweise kreativlosen Hamburgern gelang es nicht, aus dem immensen Plus an Ballbesitz (62 Prozent) eine Dominanz zu entwickeln. Stattdessen gab der HSV die Spielkontrolle leichtfertig aus der Hand.

„Die Art und Weise, wie wir als Mannschaft auf das frühe 0:1 reagiert haben, war nicht gut. Da müssen wir noch reifer und dominanter sein“, kritisierte Heuer Fernandes, dem allerdings Kapitän Schonlau widersprach: „Ich fand die Reaktion auf das Gegentor okay.“

HSV patzt immer wieder gegen Aufsteiger

Wenig Anlass zur Replik liefert dagegen die offenkundige Statistik, dass der HSV zu häufig Punkte gegen Aufsteiger verschenkt. Die Niederlage in Elversberg war bereits das 13. sieglose Spiel gegen einen Aufsteiger seit dem Abstieg vor fünf Jahren in die Zweite Liga. In der vergangenen Saison holte der HSV nur einen Punkt aus den vier Spielen gegen die Aufsteiger Magdeburg und Kaiserslautern. Eine Bilanz, die den Club am Ende den Aufstieg kostete. Und diesmal?

„Es ist egal, ob wir gegen einen Aufsteiger spielen oder nicht, denn unser Anspruch sollte es sein, gegen jeden Vollgas zu geben“, sagte Schonlau beim Versuch, die wiederkehrenden Probleme gegen Underdogs kleinzureden – wohl wissend, dass der HSV in Elversberg weit entfernt vom angestrebten Vollgas-Fußball war.

„Wir haben den Gegner definitiv nicht unterschätzt“, beteuerte Walter, der eine andere Erklärung hat. „Wenn der HSV zu Besuch kommt, investieren die Vereine noch einmal 20 bis 30 Prozent mehr. Das ist einfach so.“ Eine allerdings nicht erst seit Sonnabend, sondern spätestens seit 1935 bekannte Thematik, als erstmals DFB-Pokalspiele ausgetragen wurden.

HSV-Reaktion gegen Aufsteiger?

Ob der HSV aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat oder gegen vermeintlich kleine Vereine auch in dieser Saison in alte Muster verfällt, lässt sich erst am Freitag seriös bewerten, wenn die Hamburger beim zweiten Aufsteiger, dem VfL Osnabrück, antreten. „Wir dürfen uns so natürlich nicht noch einmal präsentieren, aber man kann beide Spiele nicht miteinander vergleichen“, sagt Boldt.

„Ich erwarte, dass wir nächste Woche mit drei Punkten aus Osnabrück heimkehren“, verspricht Schonlau. Sollte sich seine Erwartungshaltung bestätigen, dürften auch die Stammtischgespräche im Volkspark wieder freundlicher ausfallen.

Die Statistik:

  • Elversberg: Kristof – Vandermersch, Jäkel, Conrad (72. Antonitsch), Neubauer – Sickinger (46. Stock), Jacobsen, Sahin (80. Dürholtz) – Wanner (64. Feil), Schnellbacher (72. Faghir), Rochelt. – Trainer: Steffen
  • HSV: Heuer Fernandes – Van der Brempt, Hadzikadunic (63. Nemeth), Schonlau (74. Ambrosius), Muheim (50. Heyer) – Meffert – Reis, Benes (46. Pherai) – Jatta (63. Königsdörffer), Glatzel, Dompé. – Trainer: Walter
  • Tore: 1:0 Rochelt (9.), 2:0 Schnellbacher (60.), 2:1 Heyer (89.)
  • Schiedsrichter: Patrick Schwengers (Travemünde)
  • Zuschauer: 10.150
  • Gelbe Karten: Sickinger (4), Vandermersch, Jacobsen (3) - Hadzikadunic (3), Meffert (3)
  • Torschüsse: 16:13
  • Ecken: 7:6
  • Ballbesitz: 38:62 Prozent
  • Zweikämpfe: 76:105