Hamburg. Osnabrücks Trainer Tobias Schweinsteiger spricht über zwei besondere Wiedersehen beim Duell gegen den HSV.
Tobias Schweinsteiger kommt gerade aus einem Treffen mit seinem Trainerteam auf dem Vereinsgelände des VfL Osnabrück an der Bremer Brücke, als ihn das Abendblatt erreicht. Nach nur einem Punkt aus den ersten sechs Spielen und der 0:7-Niederlage bei Hannover 96 ist der Chefcoach des Aufsteigers und ehemalige Co-Trainer des HSV unter Druck geraten.
Andere Vereine hätten in einer solchen Situation bereits die Reißleine gezogen und sich einen frischen Impuls durch einen Trainerwechsel erhofft. Beim VfL Osnabrück, der vor der Saison in Ba-Muaka Simakala (Kiel), Omar Traoré (Heidenheim) sowie dem auch dem HSV angebotenen Sven Köhler (Odense) drei seiner Leistungsträger verlor und mit dem wohl geringsten Etat der Liga (knapp mehr als zehn Millionen Euro) antritt, sind sich die Verantwortlichen ihrer Außenseiterrolle allerdings bewusst.
HSV: Schweinsteiger und der Harakiri-Satz
Schweinsteiger genießt trotz eines miserablen Saisonstarts die volle Rückendeckung bei Fans, Führungsspielern und dem Verein. Ein Phänomen, das Beobachter mit seiner authentischen und dialogbereiten Art erklären – zwei Eigenschaften, deretwegen er eine hohe Beliebtheit erfährt.
„Ich spüre die volle Unterstützung der Verantwortlichen. Irgendwann greifen aber vielleicht auch in Osnabrück gewisse Mechanismen, wenn Siege ausbleiben. Ich mache mir selber am meisten Druck, weil die Ergebnisse momentan fehlen“, sagt der 41-Jährige. Der junge Trainer, der in der Saison 2019/20 erste Erfahrungen im Profibereich als Assistent von Dieter Hecking beim HSV sammelte, wirkt trotz seiner ersten Krise als Chefcoach schon sehr klar in seinem Handeln.
Beobachter schildern, dass der Bruder von Weltmeister Bastian Schweinsteiger auf die üblichen Durchhalteparolen verzichtet. Stattdessen wählt er eine sachliche Ansprache, das wird auch im Telefonat mit dem Abendblatt deutlich. In seiner täglichen Arbeit spart sich Schweinsteiger deshalb Aktionismus. „Ich finde, man muss seiner Linie als Trainer treu bleiben. Jetzt alles auf den Kopf zu stellen, wäre Harakiri. Das wäre auch nicht authentisch, und darauf kommt es an.“
Schweinsteigers größter Moment mit Walter
Osnabrücks Trainer will deshalb auch am Freitag gegen den HSV einen mutigen und offensivfreudigen Auftritt seiner Mannschaft sehen. Eine Spielidee, die er ein Stück weit gemeinsam mit dem heutigen HSV-Coach Tim Walter entwickelt hat, an dessen Seite er von 2015 bis 2018 als Assistent bei der U 17 sowie der zweiten Mannschaft des FC Bayern München gearbeitet hatte.
„In den drei Jahren haben wir uns sehr gut freundschaftlich verstanden. Wir haben mehr Zeit miteinander als mit unseren Familien verbracht“, sagt Schweinsteiger heute. Der Kontakt zu Walter sei zwar im Laufe der Jahre abgerissen, zu einem Zwischenfall sei es aber nicht gekommen. „Wir sind eben zwei Alphatiere, ich freue mich aber, ihn am Freitag wiederzusehen.“
Es ist vor allem ein Erfolg, den Schweinsteiger sein Leben lang mit Walter verbindet. 2017 gewann das Trainerteam die U-17-Meisterschaft mit dem bayerischen Nachwuchs. „Dieser Moment war etwas wirklich Besonderes, er wird uns beiden nachhaltig in Erinnerung bleiben“, sagt Schweinsteiger, der auch die anschließenden Feierlichkeiten mit der Mannschaft und dem Staff in bester Erinnerung behalten hat. Zu sehr ins Detail gehen will er zwar nicht, nur so viel sei sicher: „Mit Tim kann man schon gut feiern.“
Was Schweinsteiger über Walter denkt
Walter ist natürlich nicht nur als Feierbiest, sondern auch als akribischer Perfektionist bekannt. Von seinen Spielern verlangt er nicht weniger als die volle Hingabe und den Glauben an den von ihm vorgegebenen Weg. Im Gegenzug stellt sich der HSV-Coach wie eine Löwenmutter vor seine Spieler, so wie es keiner seiner Vorgänger praktiziert hatte.
Schweinsteiger ist vor allem von der Art, wie Walter Fußball spielen lässt, angetan. „Sein Spielstil ist besonders. Es war ihm immer wichtig, viele Tore zu schießen und Spielfreude zu vermitteln“, beschreibt er seinen ehemaligen Chef beim FC Bayern. „Ich habe viel von ihm mitgenommen, er vielleicht auch von mir.“
So ist es kein Zufall, dass Osnabrück mit einem ähnlichen Fußball, wie ihn der HSV unter Walter spielt, im Sommer in die Zweite Liga aufgestiegen ist. „Unser Spiel beinhaltet viele Elemente, die auch beim HSV zu sehen sind. Auch in der Zweiten Liga wollen wir eine Dominanz entwickeln und unser Spiel dem Gegner aufdrängen“, sagt der VfL-Coach, dessen sich am Tabellenende befindende Mannschaft in den ersten sechs Spielen viele Rückschläge und bereits 17 Gegentore hinnehmen musste. Es ist der mit Abstand schlechteste Wert der Liga.
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HSV: Kontakt zwischen Schweinsteiger und Boldt
Gegen den HSV verlangt Schweinsteiger deshalb mehr Handlungsschnelligkeit von seinen Spielern. Dass die Partie für ihn persönlich von emotionaler Bedeutung sein könnte, will er nicht in den Fokus rücken. Auf ein Wiedersehen mit bekannten Gesichtern freue er sich aber trotzdem.
Vor allem mit Sportvorstand Jonas Boldt, mit dem er viele Hobbys teilt, pflegt der Trainer noch immer einen guten Draht. „Manchmal sitzt jeder auf seiner Couch, und wir gucken parallel Eishockey. Dann schicken wir uns Nachrichten und tauschen uns über das Spiel aus“, sagt Schweinsteiger, der auch regelmäßig mit Boldt telefoniere. Eine Freundschaft, die am Freitag allerdings ruhen muss.