Hamburg. Die Staatsanwaltschaft hat die eingestellten Ermittlungen gegen den Unternehmer und ehemaligen HSV-Vorstand wieder aufgenommen.

Thomas Wüstefeld fiel aus allen Wolken, als er in der vergangenen Woche im Internet ein Interview fand. Der Protagonist, der in diesem Gespräch mit einem HSV-Blogger zu Wort kam, war Wüstefeld selbst. Darin war zu lesen von fehlenden Konzepten seines ehemaligen HSV-Vorstandskollegen Jonas Boldt oder auch von zwei Schreibtischen, die er seit seinem Rücktritt beim HSV im vergangenen Oktober durchgebissen habe, weil er so lange geschwiegen habe.

Das Interview verbreitete sich auch innerhalb des HSV schnell und sorgte bei den Verantwortlichen für Kopfschütteln. Schließlich ist Wüstefeld nach wie vor der drittgrößte Gesellschafter der HSV Fußball AG. Das Problem an der Geschichte: Wüstefeld will nichts von einer Freigabe der Gesprächsinhalte gewusst haben.

Nach Abendblatt-Informationen hat es den Austausch zwischen Wüstefeld und dem Blogger Anfang des Jahres tatsächlich gegeben. Nachdem dieser danach aber mehrere Wochen lang keine Antwort mehr von Wüstefeld erhielt, soll er es schließlich ohne Rücksprache veröffentlicht haben. Eine Abendblatt-Anfrage über die Vereinbarung einer Freigabe des Interviews ließ der Blogger unbeantwortet. Wie Wüstefeld auf diesen Vorgang nun reagiert, ist noch offen.

Wüstefeld spricht über die neuen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft

Nicht erst seit dieser unglücklichen Geschichte fragt man sich beim HSV, wie man künftig mit Anteilseigner Wüstefeld umgehen soll. Der Fall des angeblichen Interviews dürfte dabei noch das geringste Problem sein. Nachdem das Abendblatt vor einem Jahr erstmals über Millionenforderungen von Geschäftspartnern gegen den Medizintechnik-Unternehmer Wüstefeld berichtet hatte, die Ermittlungen aber zwischenzeitlich eingestellt wurden, geht der Fall nun weiter. Denn die Staatsanwaltschaft Hamburg hat die Ermittlungen wegen Betruges gegen Wüstefeld wieder aufgenommen. Das bestätigte Oberstaatsanwältin Liddy Oechtering auf Anfrage.

Eine Medizintechnik-Firma aus Schleswig-Holstein wirft Wüstefeld Täuschung und Betrug in einem Geschäft mit PCR-Testgeräten vor. Die Staatsanwaltschaft hatte die Ermittlungen zunächst im Januar eingestellt, dann aber nach einer Beschwerde Anfang Mai wieder aufgenommen.

Wüstefeld sagt: „Auf die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, die Verfahren wegen fehlendem Tatverdacht einzustellen, wurde nach unserer Kenntnis in einem Verfahren Widerspruch eingelegt. Meines Wissens ermittelt da aber die Staatsanwaltschaft jetzt auch gegen den Anzeigensteller wegen falscher Verdächtigung. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass der Vorwurf gegen uns nicht zutreffend ist und hoffen, dass das Thema bald endgültig beendet ist.“

Urteil im Zivilverfahren nach Streit um Millionensummen im September

In einem weiteren Verfahren (Untreuevorwürfe) gibt es ebenfalls eine Beschwerde, weil die Staatsanwaltschaft auch diese Ermittlungen eingestellt hatte. Der Ausgang ist noch offen. Eine Firma, die früher ein Joint Venture mit Wüstefeld als Geschäftsführer war, erhebt schwere Vorwürfe gegen ihn. Auch diese hat der 54-Jährige stets zurückgewiesen. In einem Zivilverfahren streiten sich die Parteien außerdem um Millionensummen. Dort soll Anfang September ein Urteil fallen.

Die Zukunft von Wüstefeld als Gesellschafter beim HSV steht dagegen auf einem anderen Blatt. Nach Abendblatt-Informationen hat Wüstefeld im vergangenen Halbjahr versucht, einen potenziellen Käufer für seine 5,07 Prozent Anteile zu finden, die er im Oktober 2021 für 14 Millionen Euro der Kühne Holding abgekauft hatte. Allerdings hatte sich Wüstefeld offenbar eine positive Wertentwicklung seiner Anteile durch den Aufstieg in die Bundesliga erhofft.

Wüstefeld stellt Suche nach Käufer für HSV-Anteile vorerst ein

Durch das verpasste Ziel hat der Aktionär die Suche nach einem Käufer vorerst eingestellt. „Als Fans und als Gesellschafter sind wir natürlich enttäuscht, dass der Aufstieg erneut verpasst wurde“, sagt Wüstefeld. „Wir begrüßen die positive wirtschaftliche Entwicklung in der HSV Fußball AG, aus unserer Sicht ist die Geschäftsstelle auf einem guten Kurs. Jetzt hoffen wir, dass es im sechsten Anlauf mit dem Aufstieg funktioniert. Dann schauen wir weiter.“

Sollte Wüstefeld seine Anteile loswerden wollen, käme aktuell wohl nur Klaus-Michael Kühne als Käufer infrage. Der Milliardär, der aktuell mit dem HSV über eine Verlängerung des am Freitag auslaufenden Vertrags über das Namensrecht am Volksparkstadion verhandelt, ist ohnehin gewillt, seine Anteile im Zuge einer Rechtsformänderung wieder zu erhöhen.

Ob Kühne sich auf eine erneute Verhandlung einließe, ist allerdings fraglich, nachdem Wüstefeld vor einem Jahr den Zorn des Logistik-Unternehmers auf sich gezogen hatte. Wüstefeld hatte öffentlich eine juristische Neubewertung des Kaufpreises angekündigt, weil er nicht alle Informationen über die Finanzlage des HSV im Zusammenhang mit den von der Stadt erhaltenen und bereits ausgegeben Millionen für die Modernisierung des Volksparkstadions zur Verfügung gestellt bekommen habe. Die Bewertung laufe.

HSV-Verantwortliche respektieren Wüstefeld als Gesellschafter

Zu einem möglichen Verkauf seiner Anteile sagt Wüstefeld: „Sollte es ein nachhaltiges und vernünftiges Angebot geben, werden wir uns dem nicht verschließen und uns das anhören.“ In der Theorie könnte auch der HSV die Anteile zurückkaufen, doch diese Option gilt als ausgeschlossen. Die Verantwortlichen versuchen stattdessen wieder einen vernünftigen Umgang mit Wüstefeld als Gesellschafter zu pflegen. Der Vorstand hatte sich im Februar via Abendblatt „in vollem Umfang“ von Wüstefeld distanziert, nachdem dieser nach seiner Zeit als Vorstand die Nutzung seiner PCR-Testgeräte in Rechnung stellte.

Mit Präsident Marcell Jansen steht Wüstefeld noch immer in gutem Austausch. Jansen war im Herbst in die Kritik geraten, nachdem er Wüstefeld lange geschützt hatte. Erst als die Zweifel an Wüstefelds Titeln öffentlich wurden, reagierte der damalige Aufsichtsratschef. Mittlerweile soll Jansen bereuen, dass er nicht schon früher eingeschritten ist, als der Streit zwischen Vorstand Wüstefeld und Aktionär Kühne bekannt geworden war.

Wüstefeld bedauert HSV-Rückzug von Dinsel

Wüstefeld bedauert, dass der Versuch, Detlef Dinsel als weiteren Aktionär zum HSV zu holen, gescheitert ist. Ich finde es schade, dass es mit Detlef Dinsel nicht geklappt hat. „Soweit ich ihn kenne, ist er ein sehr fähiger Wirtschafts-Manager, der dem HSV mit seinem Netzwerk und seinen Erfahrungen gutgetan hätte."

Auf seine eigene Zeit als HSV-Vorstand blickt Wüstefeld reumütig zurück: „Mit den Erfahrungen würde ich das in dieser Konstellation nicht nochmals machen. Dass ich Dinge tun musste, die unbequem waren und nicht von allen begrüßt wurden, war aus meiner Sicht unumgänglich. Vielleicht habe ich manchmal etwas unglücklich agiert und die vielen verschiedenen Interessen sowie die Außenwirkung in der Öffentlichkeit unterschätzt“, sagt Wüstefeld dem Abendblatt. „Aber ich habe mir im Zuge meiner HSV-Tätigkeit nichts vorzuwerfen. Die Strukturveränderung, die ich implementiert habe, ist nach meinen Informationen bis auf personelle Veränderungen immer noch da.“

Wüstefeld ist lebenslanges HSV-Mitglied und will das auch bleiben. Auf den Unternehmer könnten in Kürze aber wieder neue Probleme zukommen.