Hamburg. Beim HSV hat offenbar ein Umdenken stattgefunden. Warum die Defensive plötzlich so stabil geworden ist.

Gerade einmal drei Wochen ist es her, dass Tim Walter die anhaltenden Diskussionen über seine Spielidee beendete. Der HSV hatte soeben mit 4:3 im DFB-Pokal beim Drittligisten Rot Weiß Essen gewonnen, als der Cheftrainer angesichts der vielen Gegentore ein Machtwort sprach. „Ich mache das so, seit ich beim HSV bin. Irgendwann solltet ihr das auch wissen“, sagte Walter und stellte klar: „Ich gewinne lieber 5:4 als 1:0.“

Drei Wochen, drei Siege und drei Spiele ohne Gegentore später wirken Walters Worte wie ein Pamphlet aus dem Mittelalter. 3:0 gegen Hertha BSC, 1:0 gegen Hannover 96, 2:0 gegen Hansa Rostock. Die aktuellen Resultate des HSV haben nicht mehr viel zu tun mit den Lieblingsergebnissen des Trainers, der am ersten Spieltag noch mit dem 5:3 gegen Schalke 04 ganz Fußball-Deutschland begeisterte und aktuell nur noch neidisch nach Magdeburg gucken kann, wie Christian Titz mal eben so gegen Hertha BSC mit 6:4 gewinnt.

HSV hat bestes Torverhältnis der Zweiten Liga

Walter wird es verschmerzen können angesichts der Tabellenführung und dem besten Torverhältnis der Zweiten Liga. Erlebnis und Ergebnis hatte der Trainer als Ziel für die neue Saison ausgesprochen. Aktuell stimmen vor allem die Ergebnisse. Und auch den Erlebnisfaktor kann man der Mannschaft nicht absprechen bei 18:7 Torschüssen gegen Rostock oder 27:11 gegen Hertha. Der Sieg in Unterzahl bei Hannover 96 war für die mitgereisten Fans ebenso ein Erlebnis, das viele nicht vergessen werden.

Hat bei Walter also ein Umdenken stattgefunden? Jein. Schon vor der Saison hatte der Trainer innerhalb des Vereins Druck gespürt, die Defensive in den Griff zu bekommen. Nach acht Gegentoren in den ersten drei Pflichtspielen wirkte es aber nicht so, als hätte der 47-Jährige sonderlich viel verändert. Doch bereits die drei Gegentore gegen Schalke zum Ligastart seien nicht Walters Spektakel-Fußball geschuldet, meinte nach dem Rostock-Spiel auch Jonas Meffert. „Da war gefühlt jeder Schuss von Schalke drin“, sagte der Mittelfeldstratege am Sonntag.

Schonlau bringt Stabilität zurück

Spätestens mit der Rückkehr von Kapitän Sebastian Schonlau gegen Rostock ist die Seriosität in die HSV-Abwehr zurückgekehrt. Auch Guilherme Ramos hatte in den Spielen zuvor gezeigt, dass er viele Zweikämpfe gewinnen kann. Der Portugiese hatte jedoch auch immer wieder mittelschwere Wackler und wilde Momente in seinem Spiel, so wie bei seiner Roten Karte in Hannover.

Mit Schonlau an der Seite von Neuzugang Dennis Hadzikadunic wirkt die HSV-Abwehr noch einmal stabiler. Dazu trägt auch der neue Rechtsverteidiger Ignace Van der Brempt bei, der mit seiner Geschwindigkeit nicht nur die Offensive belebt, sondern auch in der Restverteidigung absichern kann, wenn es zu Ballverlusten und Umschaltmomenten kommt. „Die Viererkette hat geglänzt. Alle vier haben wichtige Zweikämpfe gewonnen und ganz wenig zugelassen. Es war gut zu sehen, wie kompakt wir verteidigen können“, sagte Meffert, der vor allem seinen Kapitän Schonlau lobte. „Jeder hat heute gesehen, wie gut Bascho ist.“

Hadzikadunic und Van der Brempt zwei Topverpflichtungen

Mit dem Bosnier Hadzikadunic und dem Belgier Van der Brempt, die beide in der Länderspielpause mit ihren Nationalteams unterwegs sind, hat der HSV zwei Topverpflichtungen getätigt, zumal die Hamburger für die beiden Verteidiger insgesamt nur 300.000 Euro Leihgebühr zahlen mussten.

Mit ihren Attributen Tempo (Van der Brempt) und Zweikampfstärke (Hadzikadunic) haben die zwei Spieler den HSV auf Anhieb besser gemacht. „Wenn wir so spielen, sind wir auf einem guten Weg. Wir hatten jederzeit die Kontrolle“, sagte Van der Brempt, der vor allem im Volkspark Spaß hat. „In diesem Stadion fühle ich mich immer gut“, sagte der 21-Jährige nach seinem dritten Heimspiel.

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Auch Hadzikadunic ist begeistert vom HSV. „Um ehrlich zu sein, liebe ich es hier. Ich genieße die Zeit mit dem Club, die Stadt ist wunderbar, die Atmosphäre im Stadion unglaublich. Ich genieße jede Sekunde. Das Team, die Trainer, die Fans – alle sind top, top, top“, sagte Hadzikadunic mit einem Sprachgebrauch, den er bei Pep Guardiola gelernt haben könnte.

Walter mit besserem Punkteschnitt als Ernst Happel

Was Walter in seiner Zeit beim FC Bayern München von Startrainer Guardiola gelernt hat, ist der dominante Ballbesitzfußball. Nun hat sich Walter vom Coach des Champions-League-Siegers Manchester City offenbar mit ein paar Jahren Verspätung abgeschaut, dass eine Restverteidigung zum erfolgreichen Fußball dazugehört. Mit einem Schnitt von 1,9 Punkten pro Spiel ist Walter beim HSV mittlerweile so erfolgreich wie kaum einer vor ihm. Hinter Branko Zebec (2,11) und vor Ernst Happel (1,86) liegt Walter auf Platz zwei aller HSV-Trainer, die mindestens fünf Spiele coachten. Zebec und Happel gelang das allerdings in Liga eins.

Aufgestiegen ist Walter mit dem HSV bislang nicht. Bleibt die Balance aber so bestehen wie in den vergangenen drei Wochen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es in diesem Jahr klappt mit der Rückkehr in die Bundesliga. Oder wie man mittlerweile festhalten kann: Erst kommt beim HSV das Ergebnis, dann das Erlebnis.

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