Hamburg. Trotz der sechsten Zweitligasaison ist die Vorfreude unter den Fans riesig. Wie die messbare Euphorie beim HSV zu erklären ist.
Ignace Van der Brempt bekam am Mittwoch eine erste Kostprobe, welche Fan-Begeisterung ihn beim HSV erwartet. Begünstigt durch die Hamburger Ferien schauten rund 120 Anhänger bei der Trainingspremiere des neuen Rechtsverteidigers vorbei.
Mit seinen langen Schritten zog der für einen Außenverteidiger ungewohnt große 1,87-Meter-Schlaks die neugierigen Blicke der Fans auf sich, die zudem von einer neuen Rolle für Daniel Heuer Fernandes überrascht wurden.
Ohne Torwarthandschuhe ausgestattet, war der Profi bei einigen Aufwärmübungen als Feldspieler eingebunden und absolvierte im Anschluss einige Tempoläufe. Eine Schonungsmaßnahme, nachdem er am Dienstag mit Immanuel Pherai zusammengeprallt war und das Training wegen einer Kapselverletzung am Finger seiner linken Hand abgebrochen hatte.
HSV sorgt sich um die Abwehr
Der Saisonauftakt am 28. Juli gegen Schalke 04 soll für Heuer Fernandes genauso wenig gefährdet sein wie für Neuzugang Dennis Hadzikadunic, der wegen Oberschenkelproblemen fehlte.
Etwas anders verhält sich die Situation bei Miro Muheim und Kapitän Sebastian Schonlau (beide Wade), die nach wie vor nicht am Mannschaftstraining teilnehmen können und inzwischen weite Teile der Vorbereitung verpasst haben. Das Schalke-Spiel dürfte für beide Verteidiger zum Wettlauf gegen die Zeit werden.
Hinzu kommt die Oberschenkelverletzung von Jonas David, der momentan ebenfalls nur ein Laufprogramm absolvieren kann. Immerhin: Guilherme Ramos darf nach seiner Schulter-OP wieder Zweikämpfe bestreiten, in denen er sich am Mittwoch nicht schonte.
Fan-Euphorie beim HSV
Trotz dieser angespannten Personalsituation in der Defensive und der für den HSV schon sechsten Zweitligasaison scheint die Euphorie unter den Fans ungebrochen. Und das, obwohl der als klares Saisonziel ausgegebene Aufstieg verfehlt worden war. Auch in Zahlen lässt sich das messen. Seit der verlorenen Relegation gegen Stuttgart sind die Mitglieder- sowie Fanclubzahlen exorbitant gestiegen.
Den HSV erreichen täglich sieben bis zehn neue Fanclub-Anmeldungen, die Gesamtzahl ist auf mehr als 1500 gestiegen. Viele Anmeldungen stapeln sich bei den Fanbeauftragten, die vom Andrang überrannt werden. Bei den Mitgliedern wurde die 97.000er-Marke geknackt. Zudem verkauft der HSV im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 20 Prozent mehr Heim- und 50 Prozent mehr Auswärtstrikots.
Ticket-Ansturm beim HSV
Spürbar wird die Vorfreude auf die neue Saison auch beim Kartenverkauf für Heimspiele im Volksparkstadion. Das Auftaktspiel gegen Schalke war innerhalb einer Stunde ausverkauft.
Gegen den zweiten Bundesliga-Absteiger Hertha BSC (19. August) haben bislang 39.000 Mitglieder zugeschlagen, weshalb noch Sitzplätze in allen Preiskategorien erhältlich sind. Da der freie Vorverkauf an diesem Donnerstag startet und Hertha die Gästetickets erst Ende Juli anbietet, wird auch diese Partie am Ende ausverkauft sein.
Momentan kalkuliert der HSV fast schon defensiv mit einem Schnitt von etwas mehr als 45.000 Zuschauern. Hält die große Lust auf den HSV weiterhin an, wird der Club seine zu erwartenden Ticketeinnahmen neu berechnen dürfen.
HSV-Fans euphorisiert: Eine Erklärung
Doch wie ist diese Euphorie eigentlich zu erklären? Das Abendblatt hat sich umgehört, um die Gründe ausfindig zu machen. Tatsächlich ist beim HSV bereits seit der Relegation vor einem Jahr gegen Hertha BSC ein neues Wir-Gefühl zwischen den Verantwortlichen, der Mannschaft und dem Trainerteam sowie den Anhängern entstanden.
Die sich mehrheitlich jahrelang nach Kontinuität sehnenden Fans glauben an den von Sportvorstand Jonas Boldt und Trainer Tim Walter eingeschlagenen Weg, zu dem neben einer hohen Identifikation mit dem Verein auch offensives und defensives Spektakel dazugehört. Der Stadionbesuch ist seitdem wieder zu einem Erlebnis geworden. Die Mehrheit der Anhänger ist davon überzeugt, über Kontinuität auf Dauer erfolgreich zu sein.
HSV-Vorstand über Fan-Euphorie
„Der Zuspruch und die Identifikation mit unserem HSV sind besonders und für uns keinesfalls selbstverständlich“, sagt Vorstand Eric Huwer dem Abendblatt. „Wir sehen das entgegengebrachte Vertrauen auch als positives Feedback und Resultat für unser Handeln in vielen Bereichen – und verstehen es gleichzeitig auch als Verpflichtung, Auftrag und Ansporn für die nächsten Monate.“
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Doch was passiert, wenn dieser Auftrag verfehlt wird? Klar ist, dass sich die HSV-Fans nach der Bundesligarückkehr sehnen. Walter und seine Mannschaft haben sich zwar einen Kredit erspielt. Doch die Stimmung könnte kippen, wenn der Erfolg ausbleiben sollte.
Ein weiteres Jahr in der Zweiten Liga über den Mai 2024 hinaus dürfte auch den treuen Fans in Hamburg nur schwierig zu verkaufen sein. Nun müssen auch positive Ergebnisse dafür sorgen, dass die Euphorie weiter anhält – und den Club zum Aufstieg trägt.