Hamburg. Der frühere HSV-Aufsichtsratsvorsitzende ist im Alter von 91 Jahren gestorben. Von 1996 bis 2007 war er eine Schlüsselfigur im Verein.
Seine Lieblingsformation war eindeutig das 3-4-3-System, die passenden Spieler konnte er problemlos aufzählen. „Im Tor Butt. In der Abwehr Hertzsch, Hoogma, Panadic. Im Mittelfeld Groth, Kovac, Hollerbach und Cardoso. Und vorne Mahdavikia, Barbarez und Yeboah.“
Noch Jahre später, wenn Udo Bandow seine Gäste in seinem Büro am Rathausplatz empfing, landete das Gespräch unweigerlich in den Jahren 1996 bis 2000, als der HSV mit ihm als Aufsichtsratsvorsitzenden der Aufstieg vom Abstiegskandidaten bis zum Champions-League-Teilnehmer gelang.
Die Leidenschaft für den HSV, sie war in jedem Satz zu fühlen. Er hatte sie von seinem Vater geerbt, einem Schifffahrtskaufmann. Nun hörte sein HSV-Herz auf zu schlagen. Im Alter von 91 Jahren ist Udo Bandow gestorben.
HSV trauert um Udo Bandow
„Mit Udo Bandow geht ein großes Stück Hamburger Banken- und Kaufmann-Geschichte. Und mindestens ebenso viel HSV-Historie und -Liebe, für die er von seinem Verein mit der Ehrennadel in Gold sowie einer Würdigung auf dem Walk of Fame ausgezeichnet wurde“, ehrte ihn der HSV in einer Mitteilung.
Und ja, ein Nachruf über den gebürtigen Hamburger, der im Hamm aufwuchs und viele Jahre in Wellingsbüttel lebte, könnte ebenso im Wirtschaftsteil stehen. Über Jahre bestimmte Bandow in seinen führenden Positionen unter anderem als Vorstandssprecher der Vereins- und Westbank (später Hypovereinsbank) das wirtschaftliche Geschehen in Hamburg maßgeblich mit.
18 Jahre lang war Bandow Präsident der Hanseatischen Wertpapierbörse (1990 bis 2008), danach Ehrenpräsident. Doch mit dem HSV-Amt drehte sich seine Welt: „Ich gehörte vielen Aufsichtsräten an, doch ab sofort wurde ich nur noch auf Fußball angesprochen.“
Udo Bandow prägte nicht nur Hamburger Fußball
Unvergessen bleibt die HSV-Mitgliederversammlung im November 1996 im Curio-Haus, als Bandow als Vorsitzender für den ersten Aufsichtsrat kandidierte. Der damalige Vize von Uwe Seeler, Volker Lange, drohte damit, dass sich das Präsidium zurückziehen würde, sollten nicht alle neun Seeler-Kandidaten durchkommen.
Ex-Präsident Peter Krohn schrie seinen Ärger über dieses diktaturähnliche Verhalten heraus und verließ mit wehenden Fahnen wutentbrannt den Raum: „Ich kündige meine Mitgliedschaft!“
Krohn beruhigte sich später wieder, und Bandow wurde, wie auch die frühere „Tagesschau“-Sprecherin Dagmar Berghoff, von den Mitgliedern ins Amt gewählt. So begann seine elfjährige Zeit im Aufsichtsrat, die er später als die „härteste meines Berufslebens“ bezeichnete.
Neubau des Volksparkstadions nur dank Bandow
Bandow spielte einst von 1942 bis 43 in der ersten Knabenmannschaft des HSV mit einem gewissen Dieter Seeler zusammen. Mit dessen Bruder Uwe unterhielt er eine enge Freundschaft, Ehrensache, dass er auch später im Vorstand der Uwe-Seeler-Stiftung saß.
Doch nun wurde er zu einem Schlüsselspieler des Vereins in der Zeit von 1996 bis 2007, ehe er sich aus gesundheitlichen Gründen zurückziehen musste. Ohne ihn wäre der Neubau des Volksparkstadions so nicht möglich gewesen. Heute undenkbar: Erst 53 Tage nach Baubeginn stand die Finanzierung.
Ein Konsortium, bestehend aus der damaligen Hamburgischen Landesbank, der Hamburger Sparkasse und Vereins- und Westbank, gab am 24. Juli 1998 eine schriftliche Kreditzusage in Höhe von 137,7 Millionen Mark (ca. 70 Millionen Euro). Bandow, 1998 im letzten Jahr als Vorstandssprecher tätig, empfand das Engagement der Vereins- und Westbank rückblickend als eine Art Abschiedsgeschenk.
Bandow hatte stets „Lust am Gestalten“
Ohne Übertreibung darf seine Ära beim HSV als extrem unruhige Zeit beschrieben werden, in die Provisionszahlungen beim Kauf der sogenannten Ostimmobilien fielen oder heftige Machtkämpfe, ob mit Werner Hackmann, Jürgen Hunke oder dem Vorsitzenden Rolf Mares.
1999 beklagte sich dieser, der Aufsichtsrat behandle den Vorstand „wie Deppen“. Doch Bandow überstand alles unbeschädigt. Keine wichtige Abstimmung, darauf legte wert, ging verloren – stets sorgte er im Vorfeld für entsprechende Mehrheiten.
Dunkler Anzug, weißes Hemd, rote Krawatte, jede Haarsträhne akkurat sortiert, und immer ein höfliches Lächeln auf den Lippen, so kannten ihn Geschäfts- und Vereinspartner. Wer aber von dieser freundlichen Art auf einen Gute-Laune-Onkel ohne Biss schloss, wurde schnell eines Besseren belehrt.
„Meine Freunde sagen, ich hätte ein außerordentliches Machtbewusstsein“, sagte Bandow, der statt von Macht lieber von der „Lust am Gestalten“ sprach. Und er gab zu: „Ich habe eine hohe Toleranzschwelle, kann aber unglaublich stur sein. Habe ich eine Vorstellung, bleibe ich dabei.“
Bandow und Bierhoff waren enge Vertraute
Stets ein guter Ratgeber in sportlichen Dingen war ihm unter anderem Oliver Bierhoff, der Bandow als „väterlichen Freund“ bezeichnete. So sammelte er als Aufsichtsratschef im Hintergrund Informationen und wimmelte Transfervorschläge von Sportvorständen (wie Ciriaco Sforza) auch mal ab: „Dafür bekommen Sie keine Mehrheit.“
Mit vielen ehemaligen HSV-Spielern blieb er über Jahre in Kontakt. Und auch privat blieb der Sport stets sein Begleiter. Bis weit über 80 Jahre spielte er Fußball und auch Tennis.
Einen Traum allerdings musste er schon während seiner Amtszeit aufgeben: einen Börsengang seines HSV. „Anders als 1996 bin ich der Meinung, dass Fußballvereine generell nicht für Börsengänge geeignet sind. Die Unwägbarkeiten sind einfach zu groß“, sagte der Börsenfachmann.
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HSVer Udo Bandow ist tot: Auch St. Pauli trauert
Einer, den Bandow 2000 in den Aufsichtsrat holte, war Frank Mackerodt. „Ein ganz großer HSVer, der sehr viel im Hintergrund gearbeitet hat. Für mich persönlich war er ein väterlicher Freund, für den HSV unersetzlich – beim Stadionbau und dessen Finanzierung“, sagte der 60-Jährige.
„Als er ging, fingen im Management die Querelen an, auch die Finanzen gerieten allmählich wieder in Schieflage. Was er für den Verein geleistet hat, wurde in vollem Umfang erst allen bewusst, als er den Aufsichtsrat verlassen hatte.“
Und auch Oke Göttlich, der Präsident des FC St. Pauli, würdigte Bandow: „Die Stadt Hamburg und der Fußball verlieren durch den Tod von Udo Bandow eine herausragende Persönlichkeit. Er war ein Funktionär, wie es ihn leider nur sehr selten gibt im oft überhitzten Profi-Fußballgeschäft: Udo war stets bodenständig, hanseatisch und integer.“
Bandow hinterlässt seine Frau Margret, drei Kinder und vier Enkelkinder. Nicht nur seine Familie, auch die HSV-Gemeinschaft wird ihn nie vergessen.