Hamburg. Der Biotech-Unternehmer weist die Vorwürfe zurück und erhebt selbst Forderungen – auch gegen den Hamburger SV. Die Hintergründe.

In dieser Woche hat der frühere HSV-Vorstand Thomas Wüstefeld gleich zwei Pflichttermine. Am Freitag steigt das Stadtderby zwischen seinem HSV und dem FC St. Pauli. Ob der ehemalige Multi-HSV-Funktionär, der noch immer Anteilseigner ist, im Volksparkstadion live dabei sein wird, wusste er zu Anfang dieser Woche aber noch nicht. Beim zweiten Pflichttermin wird der 54-Jährige dagegen auf jeden Fall vor Ort sein. Nicht im Stadion, sondern im Ziviljustizgebäude, Saal A 213. HSV, Corona und Hamburger Kaufleute – dieser Wirtschaftskrimi spielt zwischen Hafen, Volkspark und den Elbvororten.

Am Tag vor dem Derby geht es aber nicht um drei Punkte, sondern um eine Millionen-Klage ehemaliger Geschäftspartner von Wüstefeld. Kurioserweise wird er vor den Kadi gezerrt von einer Firma, die ihm ursprünglich selbst gehörte. Die Biotechfirma Bioexsen war ein Joint Venture von Wüstefeld und früheren Partnern. Sie handelten mit Medizinprodukten wie PCR-Tests, die in der Corona-Pandemie eine gewaltige Rolle spielten – und zu Verkaufsschlagern wurden. Wüstefeld soll in dieser Firma in die eigene Tasche gewirtschaftet haben, so der Vorwurf, soll unter anderem Waren für 2,9 Millionen Euro an seine Firma Medsan unter Marktwert verkauft haben.

Ex-Vorstand Thomas Wüstefeld: Forderungen an den HSV

Zudem wird ihm vorgeworfen, habe er 300.000 Euro grundlos an die Medsan überwiesen. Dieses Geld fordert Bioexsen nun zurück. Nach dem mutmaßlichen Fehlverhalten ist Wüstefeld als Bioexsen-Geschäftsführer abgesetzt worden. Später drängte man ihn aus der Firma und verlegte sie aus Hamburg nach Bayern. Wüstefeld stellt das anders dar: „Wir hoffen, dass das Gericht die Vorgänge so bewertet wie die Staatsanwaltschaft. Zu den Buchungsvorgängen gibt es entsprechende Vereinbarungen.“

Bioexsen hatte Wüstefeld auch bei der Staatsanwaltschaft wegen Untreue angezeigt. Die hatte das Ermittlungsverfahren allerdings eingestellt. Wüstefeld sagte dem Abendblatt: „Wir haben gegenüber der Bioexsen GmbH eine Forderung von 3,2 Millionen Euro.“ Es ist nicht die einzige finanzielle Forderung, die Wüstefeld selbst geltend macht. Er hatte dem HSV unlängst die dritte Mahnung geschickt für eine Rechnung über rund 100.000 Euro, unter anderem für die Leihe von PCR-Testgeräten und die dazugehörigen Testmaterialien. Der aktuelle HSV-Vorstand, der sich zuletzt von Wüstefeld distanziert und ihn zur „persona non grata“ erklärt hatte, will aber nicht zahlen. Wüstefeld sagt: „Wir gehen weiterhin davon aus, dass wir eine außergerichtliche Lösung finden.“

Hamburger Justizbehörde prüft Wüstefelds Corona-Test-Kits

Beim HSV ist man über die Einschätzung des ehemaligen Chefs überrascht. In der Hauptversammlung vor ein paar Wochen hat Neu-Vorstand Eric Huwer unmissverständlich klargemacht, dass der HSV die aus Clubsicht nicht legimitierte Rechnung nicht zahlen werde. Dieses haben Huwer und Vorstandskollege Jonas Boldt Wüstefelds Firma Medsan auch schriftlich mitgeteilt. Eine Antwort erhielt der HSV bis heute nicht, weswegen man im Club nicht mehr von einer juristischen Auseinandersetzung mit dem einstigen Vorstand ausgeht.

Ohne Gericht soll für den Biotech-Unternehmer auch sein Ärger um Antigen-Tests über die Bühne gehen. Die Hamburger Justizbehörde, die für Medizinprodukte verantwortlich ist, prüft derzeit Corona-Test-Kits, die Wüstefeld im Sortiment und weiterverkauft hatte. Sie waren für den Jedermann-Gebrauch gedacht (Laientests) und hatten dafür offenbar nur zeitweise eine Zulassung. Das ist nicht ungewöhnlich. „Wir hatten eine temporäre Sonderzulassung des BfArM, des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte“, so Wüstefeld. „Diese galt für die Laienanwendung bei Antigen-Tests, insofern ist regulatorisch alles richtig.“ Für diese Sondererlaubnis kann Wüstefeld Dokumente vorlegen. Wann sie endgültig erloschen ist und ob die Tests dann noch weiterverkauft wurden, ermittelt die Behörde von Senatorin Anna Gallina (Grüne) nach Abendblatt-Informationen weiter.

Mehrere Verfahren rund um Wüstefeld beschäftigen Hamburger Justiz

In der Hamburger Justiz beginnen nach ordnerdickem Schriftverkehr mit dem Zivilverfahren am Donnerstag die öffentlichen Wüstefeld-Wochen. Es könnten Monate werden. Für den Juli ist die nächste Verhandlung um die Insolvenz einer Wüstefeld-Firma (bioTECgroup) terminiert. Ein ehemaliger Geschäftspartner hatte bereits erwirkt, dass Wüstefeld ihm 275.000 Euro plus Zinsen zahlen muss. Ob es dabei bleibt?

Zwei weitere Unternehmer kündigten juristische Schritte gegen ihn an oder haben sie bereits eingeleitet. Sie fordern mindestens sechsstellige Summen und möglichen Schadenersatz. Im Aufstiegsrennen der Zweiten Liga steht der HSV vor dem Derby mit dem Rücken an der Wand. Sein Anteilseigner Thomas Wüstefeld dürfte dieses Gefühl kennen.