Hamburg. Angebotener Vergleich im Millionenstreit zwischen dem ehemaligen HSV-Vorstand und der Firma Bioexsen scheitert krachend.

Am 7. September soll ein Urteil fallen in einem Prozess um mehrere Millionen Euro, der den früheren HSV-Vorstand Thomas Wüstefeld (54) noch lange beschäftigen dürfte. Und der Hamburger Unternehmer kann ganz sicher sein: Das Landgericht hat sich offenbar extrem akribisch mit Wüstefelds Firmen beschäftigt, den Verträgen, die vorlagen, den Kontobewegungen und der Rolle, die er selbst als Gesellschafter und Geschäftsführer bekleidet. Das wurde am ersten Verhandlungstag der gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen Wüstefeld und ehemaligen Geschäftspartnern klar.

Wie aus dem Handgelenk schüttelten der Vorsitzende Richter Ronald Hinz und seine beiden Beisitzerinnen Details aus den Akten und Anlagen, dass unvoreingenommenen Beobachtern hätte schwindlig werden können. Sie wiesen nebenbei auf Fehler in Verträgen hin, mal seien Auftragnehmer und Auftraggeber vertauscht, mal Namen von Firmen zweifelhaft. Und: Sie machten Wüstefeld klar, dass ein Vergleich für ihn jetzt möglicherweise günstiger komme als ein Urteil mit einem „Prozessrisiko“, das bei bis zu acht Millionen Euro für Wüstefeld liege.

Ex-HSV-Vorstand Wüstefeld: Vergleich scheitert krachend

Doch am Ende scheiterte der vom Gericht vorgeschlagene Vergleich krachend. 2,15 Millionen Euro, so das Gericht, solle Wüstefeld an die Klägerin zahlen. Dann müsse man nicht das große Besteck rausholen, die Zeugen, die Sachverständigen, und noch mehr Schriftsätze tauschen. Sowohl Wüstefeld wie die Firma Bioexsen, die ihn verklagte, zeigten sich überzeugt, das Verfahren zu ihren Gunsten entscheiden lassen zu können.

Bioexsen-Geschäftsführer Klaus Skripalle hätte möglicherweise mit dem Vergleichsangebot des Gerichts leben können, wie sein Anwalt sagte. Wüstefeld dagegen sagte, er müsse erst wissen, wie die Bilanz der Bioexsen aus dem Jahr 2021 aussehe. Denn kurioserweise ist Wüstefeld dort noch Anteilseigner. Er sitzt mithin quasi auf beiden Seiten des Gerichtssaales.

Thomas Wüstefeld ist auch weiter am HSV beteiligt

Eine vorläufige Pointe, die so typisch ist für ihn. Denn auch am HSV, dessen Vorstand um Jonas Boldt und Eric Huwer ihn zur „unerwünschten Person“ erklärt hatte, ist Wüstefeld nach wie vor beteiligt. Und damit ist man schon mittendrin in den wundersamen Details dieses Verfahrens.

Denn als damaliger Geschäftsführer der Bioexsen hat Wüstefeld seiner Firma CaLeJo, die die HSV-Anteile hält, mehr als 900.000 Euro überwiesen. Warum? „Es gab keine Rechtsgrundlage“, sagt der Bioexsen-Anwalt. „Doch“, sagt Wüstefeld. Von seinen anderen Firmen sei auch Geld an die Bioexsen geflossen.

Wüstefeld: Bioexsen fordert rund vier Millionen Euro

Doch es geht noch um weitere Zahlungen, die Wüstefeld von dem ehemaligen Joint Venture Bioexsen an seine Firmen wie Medsan geleistet haben soll. Deshalb hatten die anderen Anteilseigner ihn als Geschäftsführer abgesetzt. Und deshalb hatten sie ihn bei der Staatsanwaltschaft Hamburg angezeigt. Der Vorwurf lautete Untreue. Die Staatsanwaltschaft hatte aber die Ermittlungen eingestellt.

Bioexsen hat Forderungen, die der Richter mit grob 4,3 Millionen Euro berechnete. Wüstefeld sagte, er fordere im Gegenzug noch 720.000 Euro. Bioexsen warf Wüstefeld vor, an seine eigene Medsan Waren zu niedrigeren Preisen verkauft zu haben, als hätten erzielt werden können. Da sagte Richter Hinz, das müsse Bioexsen aber gut beweisen.

Richter zu Thomas Wüstefeld: „Wir brauchen Futter“

Gleichzeitig wies er noch, bevor die Parteien sich zum Vergleichsangebot äußerten, darauf hin: Wenn Bioexsen glaube, dass es bei Wüste­feld ein Insolvenzrisiko gebe, solle man einem Vergleich besser zustimmen. Wüste­feld ging nicht darauf ein, ob es dieses Risiko bei einer seiner Firmen gebe.

Das Gericht hatte vier Verfahren gegen Wüstefeld-Firmen der Einfachheit halber zusammengefasst. Der Richter zeigte sich unzufrieden mit dem, was Wüstefeld über die Zahlungen an seine eigenen Firmen vorgelegt habe. „Auf welcher Grundlage sind die Zahlungen erfolgt? Da brauchen wir Futter.“

Er benutzte in seinen Worten über die Lage zwischen den Parteien Begriffe wie „konfus“ und „zerfleischen“. Außerdem machte er Wüstefeld darauf aufmerksam, dass sein Handeln als Pflichtverletzung eines Geschäftsführers gedeutet werden könnte.

Vorwürfe fliegen im Wüstefeld-Prozess hin und her

In der rund zweistündigen Verhandlung flogen die Vorwürfe und auch lautere Beschuldigungen zwischen der Klägerin Bioexsen sowie Wüstefeld und seinem Anwalt hin und her. Dabei war Bioexsen einst gegründet worden, um über die Firma in Deutschland Medizinprodukte zu vertreiben. Vor allem das stark nachgefragte „Corona-Zubehör“ sollte profitabel für beide Seiten sein.

Beinahe wie die Kesselflicker stritten sich Wüstefeld und die Bioexsen-Vertreter um die Fragen, ob die PCR-Geräte überhaupt in der EU zugelassen waren oder ob Wüstefeld erst dafür gesorgt habe, ob Bioexsen unter Wüstefelds Führung überhaupt Räume und mehr als ein, zwei Mitarbeiter gehabt habe.

Gericht versteht Wüstefeld „vorne und hinten nicht“

Dass Wüstefelds Unternehmens­konstruktionen, „Vorratsgesellschaften“ und geschäftliche Praktiken undurchsichtig anmuten, hielten ihm auch die Richter vor. Sie hätten sich bei der Akten- und Vertragslektüre oft gefragt, welche Aufrechnungen denn gegen welche Forderungen gemacht werden.

Sie wiesen darauf hin, dass nach ihrer Auffassung an der einen oder anderen Stelle Begriffe durcheinandergingen. Und sie redeten Wüstefeld ins Gewissen. Was er vorgelegt habe, sei dünn und häufig „heiße Luft“. Noch härter sagte Richter Ronald Hinz an Wüstefeld und seinen Anwalt gerichtet: „Wir verstehen Ihre Schriftsätze von vorne bis hinten nicht.“