Hamburg. Nach der 1:3-Niederlage gegen Stuttgart wartet nun ein sechstes Jahr Zweite Liga. Tim Walter und Sonny Kittel sprechen über Verbleib.

  • HSV verliert auch das Rückspiel der Relegation gegen den VfB Stuttgart (1:3)
  • Durch die beiden Niederlagen bleibt der HSV das sechste Jahr in Folge in der Zweiten Fußball-Bundesliga
  • Trotz des verpassten Aufstiegs wollen HSV-Vorstandschef Jonas Boldt und Trainer Tim Walter weitermachen
  • Auch Spielmacher Sonny Kittel, der in der Relegation das einzige HSV-Tor erzielte, könnte sich einen Verbleib in Hamburg vorstellen

In der Schlussphase eines denkwürdigen Abends demonstrierten die HSV-Fans auf der Nordtribüne noch einmal Geschlossenheit. Obwohl der HSV nach dem Hinspiel (0:3) auch das Relegationsrückspiel gegen den VfB Stuttgart mit 1:3 (1:0) verlor und damit ein sechstes Jahr in Folge in der Zweiten Liga bleibt, besangen die Anhänger ihre Mannschaft mit dem Lied „Mein Hamburg lieb ich sehr“.

Zuvor durften die Hamburger eine komplette Halbzeit lang vom Aufstieg in die Bundesliga träumen, weil die Mannschaft von Tim Walter, der Trainer bleiben wird, ein berauschendes Fußballfest lieferte. 45 Minuten war der Glaube an die Bundesligarückkehr spürbar, doch am Ende erwies sich die Hinspielhypothek als zu hoch für den HSV. „Ich spüre eine brutale Enttäuschung. Wir haben alles rausgehauen, das war brutal, was wir erste Hälfte abgeliefert haben. Jetzt tut es einfach weh“, sagte HSV-Keeper Daniel Heuer Fernandes.

HSV News: Walter will neuen Anlauf wagen

„Wir haben uns viel vorgenommen, eine tolle Saison gespielt. Letztendlich hat ein Punkt gefehlt“, sagte HSV-Trainer Walter. „Wir sind mittlerweile ein normaler Zweitligist mit unglaublicher Unterstützung unserer Fans.“

Während der Saison hatte der Chefcoach noch davon gesprochen, dass man den Aufstieg definitiv schaffen werde. Dieses Ziel hat er nun verpasst. Weil Vorstand Jonas Boldt dennoch weiterhin an ihm festhalten wird, nehmen der HSV und Walter in der kommenden Saison einen sechsten Aufstiegs-Anlauf. „Wir verstehen uns gut und wissen, was wir gut gemacht haben“, sagte Walter zu seinem guten Verhältnis mit Boldt. „Wir haben Potenziale, die wir noch freischöpfen können. Das wollen wir angehen.“

Montero vertrat David in der Abwehr

Mit Ausnahme von Javi Montero, der den erkälteten Jonas David vertrat, setzte Walter auf die gleiche Elf, die erst vor vier Tagen 0:3 beim VfB verloren hatte. Und dennoch wirkte es von der ersten Minute an so, als hätte Walter seine komplette Mannschaft ausgetauscht. Nach vorne gepeitscht von ihren Fans agierten die Hamburger im Rückspiel viel dynamischer und giftiger in den Zweikämpfen.

Das erste Angriffszeichen setzte Jean-Luc Dompé mit seinem flattrigen Freistoß, den Stuttgarts permanent unsicherer Torwart Florian Müller nur zur Ecke abklatschen konnte (4.). Es war der Hallo-Wach-Moment, den der Volkspark für das erhoffte Wunder gebraucht hatte. Und es wurde noch emotionaler, als der sehr agile Dompé Stuttgarts Abwehrchef Konstantinos Mavropanos mit einem Beinschuss wie eine lästige Fahnenstange stehen ließ und auf den frei stehenden Sonny Kittel querlegte, der den Ball unhaltbar aus 17 Metern ins lenke Eck zum 1:0 für den HSV versenkte (6.).

Kittels Traumtor ließ den Volkspark emotional explodieren

„Das war leider genau der Spielverlauf, den man sich nicht wünscht. Es war aber überragend, wie wir mit der Drucksituation dann umgegangen sind“, sagte VfB-Coach Sebastian Hoeneß.

Kittels Traumtor ließ den Volkspark förmlich explodieren. Die gesamte Hamburger Bank sprang auf, Walter schrie alles aus sich heraus und forderte noch mehr Ekstase von den Zuschauern, die für einen ohrenbetäubenden Lärm sorgten. Es war das frühe Tor, das der HSV gebraucht hatte, um aus dem Fünkchen Aufstiegshoffnung eine kleine Flamme entstehenden zu lassen.

Sonny Kittel (l.) ließ den Volkspark mit seinem Distanztor emotional explodieren.
Sonny Kittel (l.) ließ den Volkspark mit seinem Distanztor emotional explodieren. © Witters

„Das Stadion ist in dem Moment explodiert, das wollten wir erreichen. Schade, dass es nicht zu mehr gereicht hat“, sagte Kittel.

Zu Beginn lief alles für den HSV

In dieser turbulenten Anfangsphase lief zunächst alles für den HSV, denn nur wenige Sekunden später stand Stuttgarts Chris Führich, der Moritz Heyer enteilt war, alleine vor Daniel Heuer Fernandes, traf aber nur das Außennetz (7.). Endgültig auf die Beweisprobe gestellt wurde das Hamburger Glück kurz darauf, als Serhou Guirassy per Hacke das vermeintliche 1:1 erzielt hatte (17.).

Doch der Stimmungskiller entwickelte sich nach einer intensiven Unterhaltung des Unparteiischen Bastian Dankert mit Videoschiedsrichter Felix Zwayer zum nächsten Jubelrausch der HSV-Fans. Denn Guirassy stand zu Beginn der Stuttgarter Ballstafette im Abseits, weshalb der Treffer zurückgenommen wurde (19.). Spätestens jetzt wurde der emotionalisierte Walter zum lautesten Fan des HSV.

Kittel und Dompé machten ihr bestes Saisonspiel

Angeführt von Dompé und Kittel, die ihr bestes Saisonspiel machten, übernahmen nun wieder die Gastgeber das Kommando. Bis zu einem Distanzschuss Robert Glatzels (40.) sprang jedoch keine hochkarätige Torchance mehr heraus. Und so ging es mit einer 1:0-Führung in die Halbzeit. „Sie müssen jetzt schnell das 2:0 nachlegen, dann brennt das Volksparkstadion“, sagte Ex-HSV-Profi Stefan Schnoor bei Sky.

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Stuttgarts Ausgleich zählte zunächst nicht

Tatsächlich dauerte es keine 180 Sekunden bis zum zweiten Treffer dieses Abends. Doch der Treffer fiel aus Schnoors und Walters Sicht auf der falschen Seite. Jonas Meffert kam im Mittelfeld zu spät gegen den auf Guirassy durchsteckenden Wataru Endo. Im Zentrum fehlte der herausgerückte Abwehrchef Sebastian Schonlau und so hatte der von Guirassy bediente und frei vor Heuer Fernandes auftauchende Enzo Millot leichtes Spiel bei seinem Ausgleichstreffer, den er wenig ruhmreich provokant vor der Nordtribüne feierte (48.). Statt 2:0, wie von Schnoor gefordert, stand es nun 1:1 im Volkspark.

Durch Millots Doppelschlag war das Spiel rund 30 Minuten vor Schluss entschieden.
Durch Millots Doppelschlag war das Spiel rund 30 Minuten vor Schluss entschieden. © Witters

Auf den Rängen war nun förmlich zu spüren, wie der Aufstiegstraum mit jeder Minute ein Stück mehr zerplatzte. Bis auf die treuen Ultras, die im Dauergesang weitermachten, ließ die Unterstützung der restlichen Fans zunehmend nach. Die Luft war nun raus aus einem Spiel, das der HSV zumindest noch versuchte zu gewinnen. Als dann aber mit Heuer Fernandes auch noch einer der Besten in dieser Saison patzte, indem er über den Ball trat und Millot seinen zweiten Treffer zum 2:1 für den VfB auflegte, wurde auch dieses Ziel verfehlt (64.).

Während die Stuttgarter mit ihrem erneut provokanten Jubel vor den HSV-Fans eine Rudelbildung auf dem Platz auslösten, reagierte die Nordtribüne vorbildlich mit „Heuer Fernandes“-Sprechchören. Das erhoffte Fußballwunder konnten aber auch die fantastischen Fans nicht mehr herbeisingen, in der Nachspielzeit traf Silas sogar noch zum 3:1 für die Schwaben.

Nach Abpfiff sprach HSV-Torschütze Sonny Kittel über seine vertragliche Zukunft. Sein Kontrakt in Hamburg läuft Ende Juni aus, noch vor wenigen Wochen schien ein Abschied beschlossen zu sein. Nun könnte sich doch noch ein neuer Vertrag anbahnen. „Gesprochen haben wir noch nicht wirklich. Jeder weiß, dass ich mich wohl fühle hier“, sagte Kittel.

  • HSV: 1 Heuer Fernandes – 3 Heyer, 16 Montero, 4 Schonlau, 28 Muheim – 23 Meffert – 14 Reis, 10 Kittel – 18 Jatta, 9 Glatzel, 27 Dompe. – Trainer: Walter.
  • Stuttgart: 1 Florian Müller – 5 Mavropanos, 2 Anton, 21 Ito, 24 Sosa – 16 Karazor, 3 Endo – 4 Vagnoman, 8 Millot, 22 Führich – 9 Guirassy. - Trainer: Hoeneß.
  • Schiedsrichter: Bastian Dankert (Rostock).
  • Zuschauer: 57.000 (ausverkauft).