Hamburg. Vor 25 Jahren begann der Bau des neuen Volksparkstadions. Die Arena und der HSV veränderten das Leben von Andreas Wankum.

Seine „Anreise“ dauert nur ein paar Minuten: Die 700 Meter von seiner Firma oneVest Developments GmbH (Große Bleichen) in die Abendblatt-Redaktion am Großen Burstah kann An­dreas Wankum am Mittwochmittag locker zu Fuß zurücklegen. Es gibt viel zu besprechen. Am Montagabend, wenn der HSV den VfB Stuttgart zum entscheidenden Rückspiel in Hamburg empfängt, schauen wieder einmal Millionen Menschen auf „seine“ Immobilie.

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Denn der Immobilienunternehmer hat die neue HSV-Heimat als Projektentwickler von 1998 an gebaut. Genauer gesagt: ab dem 2. Juni. An diesem Freitag vor 25 Jahren rollten die Bagger an und rissen den alten Volkspark ab. Die neue Arena schlossen die Hamburger sofort in ihr Herz. Sie gehört heute noch immer zu den schönsten Stadien Deutschlands.

HSV: Das Geheimnis des Stadionbaus

„Der Charme und die Atmosphäre dieses Stadions entstehen durch die Ellipsenform der Tribünen“, sagt Wankum im Podcast „HSV – wir müssen reden“, „im Vergleich dazu waren die geraden Tribünen im Dortmunder Stadion viel einfacher zu bauen.“ Als ob es erst gestern war, kann der Bauunternehmer und -entwickler die Erinnerungen aus der Zeit abrufen.

Kein Wunder, schließlich dachte und handelte der heute 67-Jährige damals groß. Der Bau der HSV-Arena sollte nur der Startschuss für seinen Masterplan sein, bis zur WM 2006 sollten weitere Stadionbauten folgen. Doch am Ende musste seine damalige Firma Deuteron in die Insolvenz gehen.

Alles fing an mit einem Michael-Jackson-Konzert 1988 in Hamburg. Ursprünglich hatte Wankum schon Ende der 70er-Jahre die Idee, auf dem Heiligengeistfeld ein neues Stadion für den FC St. Pauli zu bauen, doch daraus wurde nichts. Dafür aber im Volkspark. „Hier muss dringend etwas passieren“, dachte sich Wankum während des Konzerts, als er registrierte, dass sich im Stadion vieles im Rhythmus mitbewegte, was sich nicht mitbewegen sollte.

Später bekam er mit, dass die Stadt Bemühungen für einen Neubau anstellte im Hinblick auf die WM 2006, und bewarb sich mit der Philipp Holzmann AG für die Umsetzung des Projekts. Als sich Holzmann zurückzog, sagte sich Wankum: „Dann mache ich es eben alleine!“

HSV-Stadionbauer verlor mit Insolvenz mehr als 30 Millionen Euro

Für einen Festpreis in Höhe von 159 Millionen Mark (81,3 Millionen Euro) sollte das Stadion entstehen – gekostet hat es am Ende rund 200 Millionen Mark (102 Millionen Euro), alleine das Dach verteuerte sich auf 16,5 Millionen Euro. Wankum haftete auch mit seinem Privatvermögen und verlor nach eigenen Angaben mehr als 30 Millionen Euro.

Das Insolvenzverfahren zog sich über Jahre hin: „Erst seit 2015 kann ich wieder frei agieren“, sagt er heute, „aber ich will hier nicht rumjammern. Die vergangenen Jahre liefen nicht so schlecht.“ Dennoch gibt er zu, dass ihn die Ereignisse lange sehr belastet haben. „Und ich habe Geschäftspartnern wehgetan, auch meiner Familie. Aber als Fluch würde ich den Stadionbau dennoch nicht bezeichnen, nein.“

Die Fehler von damals kann Wankum im Rückblick nüchtern reflektieren. Falsch sei es gewesen, keinen Neubau neben dem Stadion zu bauen, sondern den Rasen zu drehen und bei laufendem Betrieb die Tribünen zu erneuern. Dass es überhaupt dazu kam, lag an einem verrutschten Schnipsel auf dem Architektentisch: „So merkten wir, dass das gedrehte Stadion in den alten Grundriss passt.“

Ausstattung machte HSV-Stadion teurer

Auch die Zusammenarbeit mit dem damaligen Generalunternehmer funktionierte – zurückhaltend formuliert – schlecht. Außerdem kamen immer wieder neue Forderungen nach einer besseren Ausstattung. „Dabei war klar, was für den Preis gebaut werden kann: zwar kein einfacher Golf mit Sparausstattung, aber auch keine S-Klasse. Eher ein Passat“, wählt Wankum einen Autovergleich. Nicht durchsetzen konnte er übrigens auch seinen Plan, dem HSV eine Arena für 80.000 Menschen zu bauen und einen weiteren Rang zu erstellen.

Wankum holte sich Hilfe, um die Erlebnisse zu verarbeiten, damit umzugehen. Dass die Deutschen auch in Hamburg 2006 rund um die WM ein großes Fest feierten und lernten, entspannter mit ihrer Nationalität umzugehen, freute ihn und bestärkte ihn in dem Grundgedanken: „Dieses Stadion hat Gutes bewirkt.“

Dass das Volksparkstadion nun, vor der EM 2024, umfangreich renoviert werden muss, überrascht Wankum nicht: „Was genutzt wird, wird auch abgenutzt. Dass nach einigen Jahren gewisse Dinge angepasst werden müssen, ist auch jedem vernünftigen Menschen klar.“ Was ihn aber stört, ist, dass die Verantwortlichen nicht früher Geld in den Erhalt beziehungsweise die Sanierung der Spielstätte und lieber nur in Spielerbeine investierten.

Kritik am Verkauf des HSV-Stadiongrundstücks

Was Wankum ebenfalls ärgert, ist der Verkauf des Stadiongrundstücks an die Stadt 2020 für 23,5 Millionen Euro. „Ich verstehe nicht, wieso man sich damals nicht – zu Zeiten von Niedrigzinsen – das Geld von der Bank holen konnte, um die Renovierung durchzuführen, und sich stattdessen seiner Unabhängigkeit beraubte. Unerklärlich für mich.“

Trotz allem, was passiert ist – der HSV ließ ihn nie mehr los, auch wenn er lange nicht mehr im Stadion war („Bei dem, was die spielen, kriege ich oft schlechte Laune.“). Jetzt, für das Relegationsrückspiel gegen Stuttgart, wollte sich Wankum um Tickets bemühen. Früher, Ende der 90er-Jahre, besaß er noch eine Loge in bester Lage und sah das 4:4 in der Champions League gegen Juventus Turin. Aber Dinge ändern sich eben. Im sportlichen, im geschäftlichen wie auch im privaten Bereich. Wankum hat damit seinen Frieden geschlossen.

Den Podcast mit Andreas Wankum hören Sie kostenlos in allen Podcast-Apps oder bei abendblatt.de/hsv-podcast. Die nächste Folge erscheint nächste Woche.