Hamburg. Wie sich der Club unabhängig vom Aufstieg eine neue Fangeneration aufbaut und warum die Zahlen so stark wachsen.
An diesem Sonnabend hat Jannes Venzke die Möglichkeit, einen großen Helden der HSV-Geschichte zu treffen: Felix Magath. Der Torschütze zum Europapokalsieg der Landesmeister von 1983 wird gemeinsam mit seinen Mitspielern von damals im Volksparkstadion zu Gast sein, wenn der HSV gegen Greuther Fürth (20.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) um die letzte Chance auf den direkten Aufstieg in die Bundesliga kämpft.
Jannes Venzke, der während des Spiels auf der Nordtribüne steht, könnte den Legenden über den Weg laufen, wenn diese sich im Stadion feiern lassen. Venzke ist 14 Jahre alt und einer von 4174 Mitgliedern der Young Ones. So nennt der HSV die Altersgruppe der Fördernden Mitglieder zwischen 13 und 17 Jahren. Während beim HSV am Sonnabend wieder die Erfolge der Vergangenheit präsent sind, baut sich der Club im Hintergrund mit seinen jugendlichen Fans seine Zukunft – unabhängig von der Ligazugehörigkeit.
Junge HSV-Generation hatte noch nicht viel zu feiern
„Der Aufstieg wäre ein Riesenerfolg, aber die Zweite Liga ist aktuell auch okay. Ich bin auch zufrieden, wenn es erst ein Jahr später klappt“, sagt Jannes am Tag vor dem Spiel im Gespräch mit dem Abendblatt. Der Junge aus Langenhorn gehört zu der Generation HSV-Fans, die in ihrem Leben noch nicht sonderlich viele Erfolge mit ihrem Lieblingsclub feiern konnten. Im Gegenteil.
Jannes wurde im Dezember 2018 HSV-Fan, nachdem er mit seinem Vater zum Heimspiel gegen den SC Paderborn ging. Ein halbes Jahr später folgte der erste von mittlerweile vier verpassten Aufstiegsversuchen. Der fünfte könnte folgen. Trotzdem spricht Jannes so, als hätte es für ihn noch nie etwas anderes gegeben.
„Ich investiere schon viel Geld in den HSV. Aber der HSV zahlt zurück. Die Atmosphäre und die Gemeinschaft, die ich erlebe, sind atemberaubend“, sagte der Schüler. „Ich verbinde viel Liebe und Emotionen mit dem HSV. Ich verstehe jetzt, wenn man sagt: Das Volksparkstadion ist mein Wohnzimmer.“
Marketingleiterin Marleen Groß wechselt nach Schalke
Neben Jannes Venzke sitzt Janek Schmelzing. Der 28-Jährige leitet beim HSV die Abteilung Young Fans. Er guckt sehr glücklich, als er den jungen Jannes reden hört. Am 1. September 2021 hatten Schmelzing und die Marketingabteilung des HSV das Projekt Young Ones ins Leben gerufen. Die Idee kam von Marketing-Leiterin Marleen Groß, die den Club nach acht Jahren verlässt und am 1. Juli als Marketingdirektorin beim FC Schalke 04 anfängt.
„Unser Ziel ist es, den HSV für Jugendliche erlebbar zu machen. Das schaffen wir vor allem über die Emotionen im Stadion und unsere Aktionen außerhalb der Spieltage“, sagt Schmelzing über das Erfolgsprojekt. Während viele Vereine über einen Anhängerschwund in dieser Altersklasse klagen, freut sich der HSV über einen hohen Zuwachs.
Zahl der HSV-Mitglieder zwischen 13 und 17 hat sich vervierfacht
In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl vervierfacht – deutlich mehr als in allen anderen Altersgruppen der aktuell 95.812 Mitglieder. „Man sagt immer, dass der Fußball für Jugendliche nicht mehr interessant ist. Das können wir beim HSV nicht bestätigen“, sagt Schmelzing.
Besonders sichtbar wurden die Young Ones beim vergangenen Heimspiel gegen Paderborn. Vor dem Anpfiff war eine große Choreographie auf der Südtribüne zu sehen. Mithilfe ehemaliger Ultras hatten die jungen Mitglieder im Stadionumlauf das Transparent gebastelt. „Den Blick nach oben Richtung Volkspark von morgen“, stand darauf. Es sind Aktionen wie diese, mit denen der HSV seine jungen Fans bindet.
„Mit 18 wirst du eher kein anderer Fan mehr. Vor allem durch Social Media haben wir viel Konkurrenz von anderen internationalen Vereinen oder auch anderen Aktivitäten“, sagt Schmelzing, der auch für den Kids Club und die Aktionen mit Maskottchen Dino Hermann verantwortlich ist. Mit dem HSV legt er nun aber besonders viel Wert auf die Teenager. „Im Jugendalter machst du deine ersten Erfahrungen alleine ohne deine Eltern. Du willst deinen eigenen Weg gehen. Hier wollen wir die Young Ones an uns binden“, sagt Schmelzing.
Young Ones bekommen in Zukunft vergünstigte Karten
So wie Jannes Venzke, der nun bei jedem Heimspiel im Block 27A der Young Ones steht. Künftig wird er mit seinen Kollegen verantwortlich dafür sein, 200 bezahlbare Karten pro Heimspiel an junge Fans zu vermitteln. Über die Young Ones hat er selbst viele Freunde gefunden. Irgendwann wird er sich vielleicht den Ultragruppen anschließen. „Es ist mein Ziel, weiter aktiv beim HSV zu bleiben.“
Mit seinem Projekt ist der HSV ein Vorreiter im deutschen Fußball. Dazu gehören auch Graffiti-Workshops, der Tiktok-Kanal oder Auswärtsfahrten in Sonderzügen, in denen die Young Ones einen eigenen Ruhebereich mit Alkoholverbot bekommen. Auch Jannes Venzke ist schon bei Auswärtsspielen dabei, zuletzt beim 5:1 in Regensburg.
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Abteilungsleiter Schmelzing ist stolz. „Die Young Ones sind der Volkspark von morgen. Beim HSV ist emotional immer etwas los. Wenn wir das nicht leben, haben wir irgendwann englische Verhältnisse und einen Altersschnitt von über 60 Jahren. Dann stirbt der Fußball wirklich irgendwann.“
Fans wie Jannes Venzke werden dafür sorgen, dass das Volksparkstadion auch in Zukunft wieder ausverkauft sein wird. Auch wenn der Aufstieg erneut misslingt. Und dass die Helden von gestern wie Magath zum HSV gehören, hat er nun auch gelernt. „Die Vergangenheit hat mich am Anfang nicht so stark interessiert“, sagt er. „Mittlerweile bedeutet sie mir etwas.“