Hamburg. Der Hamburger kam als Zwölfjähriger vom SC Concordia zum HSV. Welche Traineranweisung der “schlimmste Moment“ für ihn war.

Nachdem HSV-Trainer Tim Walter die Einheit am Donnerstagmittag bereits beendet hatte, sprintete ein Spieler noch alleine über die verregneten Trainingsplätze. Unter Anweisung von Rehacoach Sebastian Capel ging es für Eigengewächs Elijah Krahn immer wieder über den halben Platz, hin und zurück, bis zur Erschöpfung.

„Die Spritzigkeit ist eine meiner Schwächen. Deshalb habe ich den Trainern gesagt, dass ich daran arbeiten will“, sagt Krahn, als er knapp eine Stunde später frisch geduscht in den Katakomben des Volksparkstadions sitzt.

HSV News: Krahn hat bereits Höhen und Tiefen erlebt

Mit 19 Jahren ist der Jenfelder nach dem ein halbes Jahr später geborenen Franzosen William Mikelbrencis der zweitjüngste Spieler im aktuellen HSV-Kader. Und trotz seines jungen Alters hat das Eigengewächs schon so gut wie alle positiven und negativen Facetten des Profifußballgeschäfts miterlebt.

Da war einerseits die Einwechslung beim 4:3-Derbysieg gegen den FC St. Pauli vor drei Wochen, das Stadion ausverkauft, die Stimmung herausragend. „Auch wenn ich gegen St. Pauli erst in der Nachspielzeit eingewechselt wurde, hat mir das viel Selbstvertrauen gegeben. Es stand 4:3, das Spiel war noch nicht durch – und der Trainer hat mir trotzdem vertraut“, erinnert sich Krahn.

Startelfpremiere beim 1. FC Magdeburg

Oder das Spiel beim 1. FC Magdeburg vor knapp zwei Wochen, als der HSV zwar mit 2:3 verlor, der zentrale Mittelfeldspieler durch die Gelbsperre von Jonas Meffert aber seinen ersten Startelfeinsatz bei den Profis feierte und danach ein Sonderlob von Walter erhielt. „Als junger Spieler ist so ein Moment etwas richtig Großes. Die Niederlage hat den Tag aber trotzdem vermiest“, sagt Krahn, der durch die Gelbsperre von Laszlo Benés am Sonntag (13.30 Uhr) auswärts beim SSV Jahn Regensburg erneut in die Startelf rutschen könnte.

Elijah Krahn kam als Zwölfjähriger vom SC Concordia zum HSV.
Elijah Krahn kam als Zwölfjähriger vom SC Concordia zum HSV. © Witters

Da waren andererseits aber auch die zwölf Monate zuvor, in denen der Teenager drei schwere Verletzungen erlitt, die andere junge Spieler bereits ihre Karriere kosteten. Nach einem Syndesmosebandanriss im vergangenen Mai verpasste Krahn die Sommervorbereitung, kämpfte sich zum fünften Spieltag in den Kader zurück – und fiel Ende Oktober mit einem Innenbandteilriss im Knie erneut monatelang aus.

Zwei Trainingseinheiten zwischen den Verletzungen

Anfang Januar stand er wieder auf dem Trainingsplatz – für zwei Einheiten. Wieder ein Innenbandanriss, wieder Pause. „Als ich mich im zweiten Training direkt wieder verletzt hatte, wusste ich erst gar nicht, was abgeht. In dem Moment habe ich mich wirklich hoffnungslos gefühlt“, sagt er. „Ich war in der Jugend eigentlich nie verletzt. Die gleiche Verletzung dann sofort wieder zu haben, war extrem schwer zu verkraften für mich.“

Anstatt zu resignieren, kämpfte sich Krahn ein weiteres Mal zurück, arbeitete mit Rehatrainer Capel stundenlang alleine im Kraftraum, wurde so auch stabiler im Oberkörper. „Vielleicht habe ich mich auch verletzt, weil mein Körper die größere athletische Belastung im Profibereich nicht so schnell adaptieren konnte“, sagt der frühere U-19-Kapitän.

Krahn ist gläubiger Christ

Auch mental suchte sich der gläubige Christ Hilfe, führte viele Gespräche mit seiner Familie und innerhalb seiner englischen Kirchengemeinde, die unweit des Volksparkstadions an der Schnackenburgallee beheimatet ist. „Ich habe mir dann gedacht: Ich bin der jüngste Spieler hier, war ein Jahr lang fast nur verletzt und bin trotzdem immer noch hier. Das hat mir das Gefühl gegeben, frei aufspielen zu können“, sagt Krahn.

Frei aufspielen – das ist das, was er schon sein ganzes Leben am liebsten tut. Als Kind spielte er zwar beim SC Concordia schon früh im Verein, am meisten gelernt, sagt Krahn, habe er aber auf der Straße. Gegenüber der Otto-Hahn-Schule, an der Jenfelder Allee, traf sich Krahn mit seinen Freunden auf dem Gelände des Hamburger Fußball-Verbands nach der Schule zum Kicken. „Für uns gab es nur Fußball, direkt nach der Schule sind wir auf den Platz gegangen. Niemand von uns hatte damals das Ziel, Profi zu werden. Wir haben einfach nur stundenlang gekickt, alle möglichen Tricks ausprobiert“, sagt er.

In der Jugend kickte er mit Conter, Köhn und Opoku

Zu der Gruppe zählten auch die heutigen Profis Christian Conteh (Dynamo Dresden), Derrick Köhn (Hannover 96) und Aaron Opoku (1. FC Kaiserslautern). Sie alle wuchsen im Hamburger Osten auf, kickten als Kinder auf Hinterhöfen und Käfigplätzen. „Die anderen waren alle drei, vier Jahre älter als ich. So habe ich gelernt, mich gegen größere und körperbetontere Spieler durchzusetzen. Das hat mir geholfen“, sagt Krahn, der als zweitjüngstes Kind zwischen vier Schwestern aufwuchs.

„Es gab viele Streitereien. Die wollten alle nur tanzen, ich wollte Fußball spielen“, sagt er und lacht. „Ich hätte mir schon einen Bruder gewünscht, mit dem ich kicken kann.“ Dennoch habe er zu seiner Familie noch heute ein enges Verhältnis, auch die Trennung seiner Eltern konnte das nicht erschüttern.

Angebot von St. Pauli lehnte er ab

Im Alter von zwölf Jahren bekam Krahn Angebote vom HSV und FC St. Pauli, der Kiezclub interessierte ihn aber nicht. Fortan musste er fast jeden Tag zum Training nach Norderstedt pendeln. „Nach der Schule musste ich direkt zur Bahn, um dann quer durch die Stadt zu fahren. Unterwegs gab es manchmal nur einen Döner, weil ich keine Zeit hatte, richtig etwas zu essen. Das war eine harte, aber irgendwie auch eine coole Zeit“, grinst er.

Die Umstellung, plötzlich in einem Nachwuchsleistungszentrum zu trainieren, fiel ihm nicht leicht. „Als ich zum HSV gekommen bin, war ich noch Flügelspieler, habe extrem viel gedribbelt“, sagt Krahn. „Der schlimmste Moment für mich war, als mir mein Trainer beim HSV damals gesagt hat, dass ich nur mit zwei Kontakten spielen soll. Mir hat es sehr geholfen, auch parallel weiter auf der Straße zu spielen.“ Der Spielwitz gehe durch strenge Vorgaben in Nachwuchsleistungszentren manchmal verloren, findet er.

Mit 16 Jahren zog Krahn in den neuen HSV-Campus am Volkspark, wechselte vom Gymnasium Rahlstedt zur Stadtteilschule Bahrenfeld, wo er im vergangenen Jahr sein Abitur (3,2) machte. Mittlerweile lebt er wieder bei seiner Mutter in Jenfeld. Die langen Bahnfahrten quer durch die Stadt bleiben ihm dank seines Führerscheins mittlerweile erspart. „Jeden Tag mit der Bahn zu fahren, immer diesen Weg vom Bahnhof Stellingen zum Stadion zu gehen, irgendwann konnte ich das nicht mehr ertragen“, sagt Krahn und lacht.

Beim HSV besitzt er zurzeit einen Fördervertrag, der sich bei bestimmten Leistungen in einen Profivertrag umwandelt. Wie es nach dem Vertragsende weitergeht? „Als Hamburger Junge will ich natürlich gerne beim HSV bleiben. Ich bin hier aufgewachsen, der HSV war immer das Größte, und jetzt bin ich mittendrin“, sagt Krahn. „Ich habe keinen Stress, mein Vertrag läuft ja noch ein bisschen.“