Hamburg. Der Torwarttrainer verrät im Abendblatt-Podcast “HSV - wir müssen reden“, wie er Daniel Heuer Fernandes zum besten Keeper der Liga machte.
In der WhatsApp-Gruppe der HSV-Torhüter dürften am Dienstagabend wieder Fotos von brennenden Kerzen verschickt worden sein. Schließlich stand am Nachmittag die sogenannte „Schweineeinheit“ auf dem Programm. So nennen Daniel Heuer Fernandes und seine Torhüterkollegen das erste Training der Woche, in der Torwarttrainer Sven Höh seine Keeper leiden lässt. „Es gehört dazu, mal über den Punkt zu gehen, auch wenn es sich in dem Moment nicht so schön anfühlt“, sagt Höh, als er am Dienstag vor dem Schweinetraining in der Redaktion des Abendblatts zu Besuch ist, um im Podcast „HSV – wir müssen reden“ über die Torhüter des HSV zu sprechen. Die Kerzen am Abend sind das Signal, dass es seinen Jungs gut geht. „Dann weiß ich, jetzt liegen sie auf der Couch“, sagt Höh und grinst.
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Der 39-Jährige ist seit fast zwei Jahren beim HSV. In dieser Zeit ist der Torwarttrainer aus Kaiserslautern aber weniger durch seine harten Trainingsmethoden aufgefallen, sondern vielmehr durch seine Analysefähigkeiten. Dass Daniel Heuer Fernandes sich in dieser Zeit zum Leistungsträger des HSV entwickelt hat, ist auch das Verdienst von Höh, dessen Konzepte sich mittlerweile schon beim Deutschen Fußball-Bund herumgesprochen haben. Gerade erst war DFB-Torwartkoordinator Marc Ziegler auf der Geschäftsstelle des HSV im Volksparkstadion zu Besuch, um Höh bei einem neuen Projekt zu unterstützen, bei dem es um die perfekte Positionierung des Torwarts in verschiedenen Spielsituationen geht.
Heuer Fernandes war einer der Matchwinner gegen Hannover 96
Dass der HSV am Sonnabend mit 6:1 gegen Hannover 96 gewinnen konnte, hatte er neben den vielen Torschützen auch Torhüter Heuer Fernandes zu verdanken, der beim Spielstand von 0:0 und 2:1 durch sein Positionsspiel gegen Louis Schaub und Sei Muroya zweimal entscheidend klären konnte. „Ferro ist ein Performer. Das ist seine größte Stärke“, sagt Höh über Heuer Fernandes, den er für den besten Torwart der Liga hält. „Ja, das muss man ganz einfach so sagen, weil er einfach in allen Bereichen maximal stabil ist.“
Dabei saß Heuer Fernandes ein Jahr lang nur auf der Bank, als Höh sich vor der Saison 2021/22 für den Wechsel zum HSV entschied. Zusammen mit Tim Walter legte er sich schnell fest, den fußballerisch starken Heuer Fernandes in der neuen Spielidee der Hamburger zum Schlüsselspieler zu machen. Und obwohl Höh in seiner Zeit beim 1. FC Kaiserslautern immer großen Wert auf mitspielende Torhüter legte, war Walters Philosophie auch für den Pfälzer neu. „Das war schon eine Herausforderung für mich“, gibt Höh im Nachhinein zu.
In gemeinsamen Diskussionen entwickelten sie dann zusammen das Torwartspiel, das den HSV heute auszeichnet. Mittlerweile hat Höh bei vielen Entscheidungen den Hut auf. „Die Freiheit, die ich genieße, ist unfassbar. Diese Rückendeckung und Wertschätzung möchte ich jeden Moment zurückgeben“, sagt Höh, über den man beim HSV intern sagt, dass er 24 Stunden am Tag für den Club investiert.
Sven Höh wurde in Kaiserslautern Nachfolger von Gerry Ehrmann
Nun geht es für den Torwarttrainer am Wochenende dahin, wo für ihn alles begann. Höh ist in Kaiserslautern geboren und aufgewachsen, spielte dort selbst bis zu U 19 als Torwart. Den Sprung zu den Profis schaffte er nicht. Stattdessen spielte er in der Oberliga Südwest für TuS Pirmasens, SVN Zweibrücken und TuS Hohenecken, ehe er als Torwarttrainer in den FCK-Nachwuchs zurückkehrte. Im Februar 2020 wurde Höh Nachfolger von der Lautern-Legende Gerry Ehrmann, der nicht nur 301-mal für die Roten Teufel spielte, sondern in seinen 24 Jahren als Torwarttrainer Torhütergrößen wie Tim Wiese und Roman Weidenfeller herausbrachte. Große Fußstapfen, die Höh aber auf Anhieb ausfüllen konnte.
Mit seinen modernen Methoden machte er sich schnell einen Namen und entwickelte Spieler wie Kevin Trapp, Marius Müller, Julian Pollersbeck oder Matheo Raab. Letztere wechselten jeweils zum HSV, genau wie Höh selbst. „Ich brauchte einen Tapetenwechsel“, sagt der Torwarttrainer, der nun genau wie Raab am Sonnabend erstmals wieder auf den Betzenberg zurückkehrt. Dort spielte der HSV zuletzt vor elf Jahren. Das Fritz-Walter-Stadion ist seit Wochen ausverkauft. „Die ganze Region lebt diesen Verein. Da gibt es sieben Tage die Woche nur den FCK“, sagt Höh, der sich an seine eigene Zeit erinnert. „Man bekommt als Spieler mit, was so ein Traditionsverein bewirken kann, im positiven wie auch im negativen Sinne.“
Wie Sven Höh trotz des Aufstiegs Raab vom HSV überzeugte
Worte, die er auch über den HSV wählen könnte. Beide Clubs, die in ihren Vereinsmuseen mehrere Meisterschalen stehen haben, versuchen seit Jahren vergeblich, wieder in die Bundesliga zu kommen. Immerhin hat es der FCK vor einem Jahr zurück in die Zweite Liga geschafft. Auch dank Matheo Raab, den Höh 2017 von Eintracht Trier zum „Betze“ holte.
Dass sich der 24-Jährige trotz des Aufstiegs mit Kaiserslautern für die Ersatzbank beim HSV entschied, überraschte Höh selbst. „Ich bin davon ausgegangen, dass der Wechsel nicht zustande kommt“, sagt Höh, der Raab trotzdem vom HSV überzeugen konnte. Vielleicht war auch Dankbarkeit dabei, weil Höh ihn in der U 19 des FCK eng betreute, als dessen Karriere nach einem schweren Schienbeinbruch auf der Kippe stand. „Es war nicht klar, ob es wieder einen Weg zurück gibt. Mit seiner Persönlichkeit hat sich Matheo alles komplett erkämpft und selbst erarbeitet.“
Auf seine nächste Chance beim HSV wird Raab weiter warten müssen. Einmal durfte er Heuer Fernandes vertreten – ausgerechnet im Hinspiel gegen Kaiserslautern. Höh ist aber überzeugt, dass Raab sich auch als Nummer zwei weiterentwickelt, um irgendwann die Eins zu werden. Bis dahin will Raab von Heuer Fernandes und Höh lernen. Zum Beispiel was ein neutrales Spiel bedeutet. Für den Torwarttrainer liegt darin die Kunst eines Keepers. Frei übersetzt heißt das, nüchtern seinen Job zu machen. „Wenn ich mich zu viel von Emotionen leiten lasse, kann ich keine klaren Entscheidungen treffen“, sagt Höh über sein simples Torwartgeheimnis. „Du brauchst ein gutes Pendel zwischen Entspannung und Anspannung.“
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Der Trainer, der 2014 eine Rundreise durch Deutschland machte, um bei allen Clubs zu lernen, ist im positiven Sinne ein Analyse-Nerd, der sich und seine Torhüter immer besser machen will. Vor Kurzem traf er sich mit HSVH-Torwart Johannes Bitter, um neue Perspektiven zu erörtern. Immer unter der Prämisse: Inhaltlichkeit. Die Emotionen auszublenden, dürfte Höh am Sonnabend auf dem Betzenberg allerdings selbst am schwersten fallen.