Hamburg. Sportgericht steht vor einer höchst schwierigen Urteilsfindung. Experte Fritz Sörgel sieht keine Grundlage für eine Bestrafung.
Ein gerechtes Urteil im komplexen Fall Mario Vuskovic zu fällen, wird schwer, eine erneute Vertagung ist nicht ausgeschlossen. Vor dem dritten Verhandlungstag sieht Doping-Experte Fritz Sörgel keine gesicherte Grundlage für eine Verurteilung des HSV-Profis durch das DFB-Sportgericht. „In dieser Gemengelage kann kein Urteil gefällt werden“, sagt er der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vor der Fortsetzung der Verhandlung am Freitag (13 Uhr) in Frankfurt.
Abwehrspieler Vuskovic war am 16. September 2022 positiv auf Epo getestet worden, die B-Probe bestätigte das Ergebnis. Seit Mitte November ist er vorläufig gesperrt. Im Falle einer Verurteilung droht ihm eine Sperre von vier Jahren.
Mario Vuskovic: Doping-Experte Sörgel schließt Sperre aus
„Der Sportler tut mir leid. Ich sehe keinen Anlass, ihn zu sperren, da es keine Möglichkeit einer klaren Einschätzung seiner Doping-Probe gibt“, sagt der Nürnberger Pharmakologe Sörgel. Die fehlende Unabhängigkeit der Gutachter und die Analysemethode von Epo-Proben mit dem sogenannten Sar-Page-Verfahren sowie deren Einstufung per Augenschein als negativ und positiv sind für ihn die kritikwürdigen Schwachstellen.
Vier vom HSV engagierte Gutachter hatten den positiven Befund des von der Welt-Antidoping-Agentur (Wada) akkreditierten Analyselabors in Kreischa einhellig als „falsch-positiv“ angezweifelt. Der vom Sportgericht für eine C-Probe beauftragte kanadische Wada-Wissenschaftler Jean-Francois Naud verweigerte eine weitere Analyse der Dopingprobe, da dies den Wada-Regeln widerspricht. „Die eine Krähe kratzt der anderen kein Auge aus“, sagt Sörgel.
Kreischas Laborleiter Sven Voss versicherte hingegen, die Probe von Vuskovic sehe genauso aus, „wie eine positive Probe aussehen“ müsse. Keiner von den Gegen-Gutachtern sei ein Spezialist in der Epo-Dopinganalytik. „Ich kann mich aber auch nicht einfach hinstellen und sagen, das haben wir immer so gemacht“, kontert Sörgel.
Epo-Analyseverfahren auf dem Prüfstand
Dass die seit über 20 Jahren angewendete, immer wieder als wenig zuverlässig infrage gestellte Epo-Analyse nicht längst durch eine massenspektrometrische Methode ersetzt wurde, ist für Sörgel ein Rätsel. Denn: Fast alle anderen Doping-Substanzen werden mit diesem Verfahren aufgespürt. „Es gibt komplexere Moleküle als das Erythropoetin, die mit der Massenspektrometrie festgestellt werden können“, meint er. „Das Auge ist nicht objektiv.“
Die Wada hält dagegen und sieht in der Massenspektrometrie keine adäquate Alternative, da die Unterschiede zwischen körperfremden und legalem körpereigenen Epo nicht erkennbar seien. Ein Epo-Ergebnis wird anhand eines Bildes per Augenschein interpretiert.
Richter Oberholz steht am dritten Verhandlungstag vor einem Dilemma. Weitere unabhängige Experten-Informationen hat das Gericht nicht erhalten. Dafür haben die Vuskovic-Juristen einen neuen, umfangreichen Verteidigungsschriftsatz eingereicht.
- Wie die Wada den DFB hinter den Kulissen unter Druck setzt
- Dopingfall Mario Vuskovic: Verhandlungstag verschoben!
- Alle acht führenden Wada-Experten fällen einstimmiges Urteil
Fall Mario Vuskovic geht in Verlängerung
Was wahr ist oder nicht, weiß womöglich nur Mario Vuskovic. „Es gibt kaum Sportler, die Doping zugegeben haben“, sagt Sörgel. „Sportler, die mit Epo erwischt wurden, haben sich aber selten so vehement verteidigt wie Vuskovic mithilfe des HSV.“
Mit einem Urteilsspruch wird der Fall nicht zu Ende gehen. Bei einer Verurteilung zöge der Kroate vor das DFB-Bundesgericht. Im Falle eines Freispruchs ginge die Nationale Antidoping-Agentur (Nada) oder die Wada vor dem Internationalen Sportgerichtshof (Cas) in Berufung.