Hamburg. Mit einem schmeichelhaften Erfolg gegen Bielefeld stimmt sich der HSV auf das Spitzenspiel gegen Darmstadt ein.
Tim Walter wusste genau, was jetzt kommen wird. Der HSV-Trainer tänzelte direkt nach dem 2:1 (1:0)-Sieg seines HSV gegen Arminia Bielefeld lächelnd durch den Bauch des Volksparkstadions, verabschiedete hier noch mal Bielefelds Sportchef Samir Arabi und begrüßte dort Schiedsrichterchef Lutz Wagner. Als er in direkte Hörweite der wartenden Journalisten kam, fragte er grinsend: „Wie viele jetzt noch? 13?“ Die Frage war eine rhetorische Frage, die für Walter in den vergangenen Wochen zum „Running Gag“ wurde.
Nach dem 4:2-Heimsieg vor drei Wochen gegen Braunschweig schrie Walter lautstark „noch 16“ durch die Katakomben, eine Woche später nach dem 2:0-Sieg in Rostock zeigte er drei Finger für drei Punkte und rief den Medienvertretern „noch 15“ zu. Dann das spektakuläre 3:3 in Heidenheim („Noch 14“). Und nun: Noch 13. Mutmaßlich noch 13 Spiele bis zum erklärten Ziel Aufstieg.
„Wie ein Abreißkalender“, erklärte Walter ein paar Minuten später, als er eine Etage höher im Presseraum des Stadions auf dem Podest Platz genommen hatte. „Dieses kleine Spiel mit euch bringt mir großen Spaß.“
HSV-Coach Walter kritisiert sein Team
Weniger Spaß hatte Walter dagegen mit dem großen Spiel, um das es an diesem Sonntagnachmittag eigentlich gehen sollte. 2:1 hatte sein Team die Pflichtaufgabe Armina Bielefeld gemeistert, in den 90 Minuten aber einiges vermissen lassen. „Wir hatten zu wenig Tiefe in unserem Spiel, waren nicht so zwingend. Wir hatten zu wenige Flanken, zu wenige Abschlüsse“, fand Walter die passenden Worte für die eher maue Leistung seiner Mannschaft.
„In der ersten Halbzeit haben wir das nicht gut gemacht, in der zweiten Halbzeit kommen wir genauso fahrig aus der Pause“, kritisierte der Coach, der trotz der ehrlichen Analyse bilanzierte: „Aber wir haben verdient gewonnen.“
Um es kurz zu machen: Walter hatte recht. Mit seiner negativen Kritik. Und seinem positiven Fazit. Nach vier Siegen aus den letzten fünf Spielen ist der HSV einerseits voll auf Aufstiegskurs, hat durch diese Erfolgsserie aber andererseits auch den Anspruch, Abstiegskandidaten wie Bielefeld klarer zu beherrschen.
Auch HSV-Kapitän Schonlau wird deutlich
„In der zweiten Halbzeit hatten wir zu knapsen und zu kämpfen“, gab auch Kapitän Sebastian Schonlau unumwunden zu. „Wir haben das einfach nicht gut gemacht. Wir waren zu inaktiv, haben die Räume, die wir hatten, nicht bespielt. Wir waren zu passiv.“
Die fußballerischen Höhepunkte gegen die defensiv eingestellten Bielefelder, die es große Teile der Partie mit einer Fünferkette probierten, sind schnell erzählt. Hacke von Miro Muheim, Solo von Ludovit Reis, 1:0 (26.). Und dann Flanke Jean-Luc Dompé, Volley Bakery Jatta, 2:1 (57.).
Dazwischen noch der Schönheitsfehler durch den früheren St. Paulianer Bastian Oczipka (51.) zum zwischenzeitlichen 1:1, ein nicht gegebenes Arminia-Abseitstor und zwei nicht gegebene Strafstöße – das war es aber im Großen und Ganzen.
HSV feiert Ludovit Reis
Daniel Heuer Fernandes war trotzdem zufrieden: „Wir müssen auch mal dreckig gewinnen und über den Kampf kommen“, sagte der Torhüter, dem Kollege Laszlo Benes verbal zur Seite sprang: „Vielleicht war das nicht unser bestes Spiel, aber auch solche Siege sind schön“, sagte der Mittelfeldmann, der erstmals in diesem Kalenderjahr in die Startelf rotierte. „Es ist klar, dass wir nicht immer top spielen.“
Immerhin: Ziemlich top ist, was Mittelfeldmann Ludovit Reis in dieser Saison Woche für Woche abliefert. Oder in seinen eigenen Worten: „einfach geil“. Gleich dreimal benutzte der Niederländer das Adjektiv in seinem ersten Mixed-Zonen-Interview auf Deutsch.
„Ein geiles Gefühl“ hatte er nach seinem sechsten Saisontreffer und dem Sieg. Nun würde er mit „einem geilen Gefühl ins Spitzenspiel“ gegen Darmstadt am kommenden Sonnabend gehen. Dabei dürfe aber niemand vergessen, dass auch die Lilien „ein geiles Team“ hätten. „Aber der Aufstieg in die Bundesliga ist das Wichtigste für uns.“
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HSV und Walter schauen nur auf sich
Im Kampf um den Aufstieg setzt sich nach den Niederlagen von Kaiserslautern und Düsseldorf mehr und mehr das Spitzenquartett um Darmstadt, den HSV, Heidenheim und Paderborn ab. Dabei erlaubt sich keiner der vier Schwächen: Darmstadt und Paderborn haben jeweils alle ihre vier Spiele in der Rückrunde gewonnen, Heidenheim hat sich nach dem bitteren 3:3 gegen den HSV eindrucksvoll mit einem 5:0 gegen Nürnberg inklusive Viererpack durch Stürmer Tim Kleindienst zurückgemeldet.
Und der HSV? Hatte zum vergleichbaren Zeitpunkt in den vergangenen Zweitligajahren nie so viele Punkte wie jetzt. Oder wie Walter es sagen würde: noch 13.
Am späten Sonntag durfte der HSV-Coach dann noch einmal einen etwas ausführlicheren Ausblick auf das Spitzenspiel des kommenden Wochenendes geben. Walter war in Lokstedt im NDR-Sportclub zu Gast. „Wir gewinnen unsere Spiele. Da können die anderen machen, was sie wollen“, zeigte sich Walter trotz des eher schwachen Spiels gegen Bielefeld selbstbewusst. „Jahrelang wurde immer nur auf andere geschaut. Jetzt schauen wir nur auf uns.“ Dabei ist schon jetzt klar, was Walter am kommenden Sonnabend sagen wird, wenn der HSV tatsächlich auch gegen Darmstadt gewinnt: noch zwölf ...