Hamburg. HSV-Verteidiger ist der Gewinner des 3:3 in Heidenheim – obwohl er gar nicht spielte. Warum er sich Hoffnungen machen darf.
Jadon Sancho, Marco Reus, Christian Pulisic und Landsmann Paco Alcácer sahen gegen Javi Montero kaum einen Stich. In seinem ersten Champions-League-Spiel für Atlético Madrid hielt der Spanier gegen Borussia Dortmund die Null und zahlte seinem Startrainer Diego Simeone das Vertrauen zurück. Atlético besiegte mit dem damals noch 19 Jahre jungen Montero in der Innenverteidigung den BVB mit 2:0.
Zu dieser Zeit – es war im Spätherbst 2018 – spielte der ein Jahr und zwei Monate jüngere Jonas David in der Regionalliga Nord unter Trainer Steffen Weiß vor 220 Zuschauern gegen USI Lupo-Martini Wolfsburg.
HSV-Neuzugang Montero verpatzt Debüt in Heidenheim
Fußball ist ein schnelllebiges Geschäft. Auch wenn diese Zeit schon viereinhalb Jahre zurückliegt, passt der stark abgenutzte Satz im Februar 2023 perfekt zur aktuellen Situation um Javi Montero (24) und Jonas David (22). Angesichts seiner Erfahrung hätte man meinen können, dass der in der Champions League erprobte Spanier (sechs Spiele) sein Debütmatch am Sonnabend beim 1. FC Heidenheim für sich nutzen würde, um das Hamburger Eigengewächs David aus der Stammelf zu verdrängen.
45 Minuten, drei Gegentore und eine Auswechslung später muss man festhalten, dass Monteros Mission missglückt ist. In seinem ersten Ligaspiel für den HSV ging die Leihgabe von Besiktas Istanbul in der ersten Hälfte gemeinsam mit der gesamten Mannschaft unter.
Vor allem beim 0:3 durch Tim Kleindienst ließ sich Montero viel zu leicht abkochen. 25 Prozent gewonnene Zweikämpfe sind für einen Innenverteidiger eine miserable Quote. Monteros Premiere war daher früh vorbei. Nach Tim Walters Umstellung auf eine Dreierkette drehte der HSV den Rückstand noch in ein 3:3 und durfte sich am Ende wie ein Sieger fühlen.
HSV-Verteidiger Jonas David: Gewinner, ohne zu spielen
Montero erlebte dagegen einen schweren Moment. Dass ein zentraler Abwehrspieler zur Halbzeit ausgewechselt wird, kommt im Fußball nicht so häufig vor. Seine Mannschaftskollegen hatten entsprechend Mitleid mit ihm. „Du hättest auch noch mehr vom Platz nehmen können“, sagte Torhüter Daniel Heuer-Fernandes. „Aber wer Javi kennt, der weiß, dass er glücklich in der Kabine sitzt, weil wir noch einen Punkt geholt haben.“
Im Glück war aber vor allem Jonas David. Obwohl der an der Hüfte verletzte Verteidiger das Spiel in Heidenheim verpasste und am Freitag als Verlierer ins Wochenende startete, darf er sich ohne eigenes Zutun nach dem Heidenheim-Spiel als großer Gewinner fühlen. Schon am Sonntag im Heimspiel gegen Arminia Bielefeld (13.30 Uhr/Liveticker bei Abendblatt.de) dürfte der von Trainer Walter geschätzte David wieder in der Innenverteidigung an der Seite von Kapitän Sebastian Schonlau vor großer Kulisse spielen.
52.500 Tickets sind bereits verkauft. Am freien Montag ließ sich David behandeln. Wenn er sich an diesem Dienstag gut fühlt, steigt er am Nachmittag wieder ins Mannschaftstraining ein.
Verlängert der HSV Jonas Davids Vertrag?
Beim 2:0-Sieg in Rostock eine Woche zuvor hatte der gebürtige Hamburger sein bestes Saisonspiel gemacht, sich kurz vor Schluss im Zweikampf mit Hansa-Stürmer John Verhoek aber eine schmerzhafte Hüftprellung zugezogen. Bei einer Kernspinuntersuchung im UKE wurde am Tag danach eine Einblutung im Gelenk festgestellt. David verpasste die gesamte Trainingswoche. Die Flüssigkeit ist mittlerweile raus. Spätestens im Laufe der Woche wird er wieder schmerzfrei sein.
Während Davids kurzfristige Zukunft damit geklärt ist, gibt es bei der langfristigen Planung noch ein paar Fragezeichen. Wie das Abendblatt erfuhr, saß der Verteidiger am Montag mit seinem Management zusammen, um sich über die sportliche Perspektive auszutauschen. Schien eine Vertragsverlängerung über das Jahr 2024 hinaus noch vor wenigen Wochen undenkbar, hat sich die Situation wieder komplett verändert.
Fußball ist eben schnelllebig. Der noch ungewisse Ausgang des Dopingfalls Mario Vuskovic und die ungewisse Ligazugehörigkeit des HSV in der kommenden Saison machen eine zeitnahe Entscheidung zwar etwas komplizierter, eine langfristige Zukunft von David beim HSV ist aber in jedem Fall wieder möglich.
HSV-Vorstand Boldt erteilte David Wechselverbot
Sportvorstand Jonas Boldt hatte bereits im vergangenen Sommer ein Wechselverbot ausgesprochen, als sich der Defensivmann nach einer unbefriedigenden Rückrunde verändern wollte. Und dass Trainer Walter ein Fan von David ist, war bereits vorher klar. Ob der Meiendorfer, der mittlerweile in einer eigenen Wohnung in Altona lebt, noch einmal seinen Vertrag beim HSV verlängert, wird sich allerdings erst nach Saisonende entscheiden.
Bis dahin kann ohnehin noch viel passieren. Keiner weiß das beim HSV besser als David, der in seinen ersten drei Profijahren keine Rolle spielte, ehe Walter nach seinem Amtsantritt im Sommer 2021 eine Idee mit ihm hatte.
Wie schnell sich im Fußball alles drehen kann, hat David aber auch unter Walter schon erlebt. Sein Stammplatz zwischen Rasen und Rand wechselte in den vergangenen eineinhalb Jahren schon mehrfach. Vom Ersatzmann wurde er zum Gesetzten, ehe er wieder sitzen musste. Aktuell könnte man ihn sogar als Unersetzbaren bezeichnen.
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Der HSV-Verteidiger kennt diese Wendungen und will daher einfach jede Minute genießen, die er für seinen Verein spielen kann. „Ich mache mir selber gar keinen Druck. Ich versuche es zu genießen, dass ich aktuell spiele. Weil ich ja auch weiß, wie es ist, wenn man nicht so viel spielt“, sagte David vor zwei Wochen in einem Interview mit der „Bild“.
Montero dagegen wird nach seinem unglücklichen Debüt auf die Schnelllebigkeit des Fußballs hoffen müssen, um seine zweite Chance beim HSV zu bekommen. „Javi hat schon ein bisschen was erlebt. So jung ist er ja auch nicht mehr. Er weiß, was er tun muss, um zurückzukommen. So ist es eben manchmal im Fußball“, sagte Schonlau, der in den Anfangsjahren seiner Karriere beim SC Paderborn Ähnliches erlebte wie seine zwei aktuellen Kollegen.
Alle wissen: Der nächste Moment kann sehr schnell wieder kommen. Und dann kann Montero zeigen, dass er nicht zufällig für Atlético Madrid und Besiktas Istanbul in der Königsklasse gespielt hat.