Los Angeles. 2022 hat der Trainer eine Bilanz vorgelegt, die nur ein Club übertrifft. Doch mit seinen Machtkämpfen steht sich der HSV selbst im Weg.
Für Tim Walter ging es zum Abschluss der USA-Reise noch einmal an den Strand. In Santa Monica verbrachte der HSV-Trainer zusammen mit seinen Kollegen den abschließenden Nachmittag. Zeit, um einmal kurz durchzuatmen. Am Dienstagmittag ging es für den HSV-Tross nach neun Tagen Kalifornien schon zurück nach Hamburg, wo die Mannschaft an diesem Mittwoch wieder eintreffen wird.
Mit einem großen Hamburg-Graffiti mitten im Zentrum von Los Angeles hinterließ die Mannschaft noch einen symbolischen Fußabdruck, der an die Zeit in den USA erinnern wird. „Die Reise hat uns noch mehr zusammengeführt. Genau das haben wir gebraucht“, sagte Walter, als er vor dem finalen Abend in der Lobby des Teamhotels sitzt und auf ein turbulentes Fußballjahr zurückblickt. „Es war ein extrem wildes Jahr mit extrem vielen Lehren. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, wieder Energie aufzubauen.“
HSV: Tim Walter will bleiben – aber nicht mehr um jeden Preis
Für Walter und den HSV war es trotz des verpassten Aufstiegs in der Relegation ein erfolgreiches Jahr. 20 Siege in 2022 schaffte aus den ersten zwei Ligen neben den Hamburgern nur der FC Bayern München (21). Eine Entwicklung, die auch mit Walter zu tun hat. Und die der Cheftrainer nun auch honoriert wissen will. Hätte der 47-Jährige vor wenigen Monaten noch den ersten von Sportvorstand Jonas Boldt ausgehandelten Vertragsentwurf unterschrieben, wäre es für den HSV voraussichtlich günstiger ausgefallen. Mit jedem Sieg aber ist Walter teurer geworden.
Der Trainer ist immer noch gewillt, seinen im Sommer auslaufenden Kontrakt im Volkspark zu verlängern – aber eben nicht mehr um jeden Preis. Auch wenn Walter betont, dass es ihm nicht ums Geld geht, sondern um die Perspektive. Und vor allem um das Vertrauen der Clubführung. „Mir geht es darum, dass ich hier kontinuierlich weiterarbeiten kann“, sagt Walter. „Mir ist daran gelegen, langfristig bei einem Verein arbeiten zu können, bei dem man ein Vertrauensverhältnis aufgebaut hat.“
Tim Walter: „Die Wucht dieses Vereins ist viel mehr wert als alles andere“
Walter genießt das Vertrauen von Boldt. Im Aufsichtsrat hatte er mit dem Vorsitzenden Marcell Jansen lange Zeit den größten Kritiker. Dieser wollte zunächst die Entwicklung abwarten und auf das Leistungsprinzip setzen. Walter hat mit Leistungen in Form von Siegen Eigenwerbung betrieben. Und zusammen mit der Mannschaft hat er dafür gesorgt, dass in der Hinrunde dieser Saison ein regelrechter Zuschauerboom entstand.
Für den Trainer ist das der wichtigste Grund, warum er beim HSV bleiben will. „Das ist ein Faustpfand. Die Wucht dieses Vereins ist viel mehr wert als alles andere. Klar will ich in der Ersten Liga spielen. Aber im Vordergrund steht, dass der Verein außergewöhnlich ist. Ich bin wirklich gerne hier und ich will, dass wir uns als Club weiterentwickeln.“
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Doch mit seinen vereinspolitischen Kämpfen steht sich der HSV bei der Weiterentwicklung mal wieder selbst im Weg. Vor dem Zweitligisten steht die längste Winterpause, die er jemals hatte. Und trotzdem könnten die sechs Wochen bis zum Jahresende nicht reichen, um die wichtigsten Zukunftsfragen zu klären. Boldt will seinen Vorstandsvertrag erst verlängern, wenn er weiß, wie sich das Präsidium und der Aufsichtsrat zusammensetzen. Und erst dann wird auch Walter unterschreiben.
Der HSV wird sich nach der Rückkehr nach Hamburg bereits am Donnerstag wieder im Volkspark treffen und am Freitag noch einmal trainieren. Am Montag und Dienstag stehen Laktattests an, ehe die Spieler in der Winterpause ihre individuellen Trainingspläne in der Freizeit absolvieren. Erst am 2. Januar trifft sich die Mannschaft wieder zum Start der Vorbereitung auf die Rückrunde. Bis dahin will Walter Klarheit, auch wenn er das öffentlich nicht sagt. Und der HSV braucht diese Klarheit auch, schließlich stehen Vertragsgespräche mit Spielern an, die ihren Verbleib auch von der Trainerfrage abhängig machen.
HSV: Tim Walter wartet auf Vuskovics Unschuldsbeweis
Für Walter selbst wird es keine lange Urlaubszeit geben. Über Weihnachten plant der Trainer, mit seiner Familie in den Skiurlaub zu fahren. Ansonsten hat er auch in Hamburg noch genug zu tun. Vor allem der Fall Mario Vuskovic wird den Coach nach der Rückkehr beschäftigen. Walter will den wegen einer positiven Dopingprobe vom Deutschen Fußball-Bund vorläufig gesperrten Innenverteidiger in dieser Woche treffen. „Mario geht es natürlich nicht gut“, sagte Walter nach einem Telefonat mit dem Kroaten, der in Hamburg vorerst individuell trainieren soll. „Letztendlich muss er seine Unschuld beweisen. Als Verein bist du wirklich machtlos.“
Innerhalb der Mannschaft könnte aber auch dieser Fall dazu beitragen, dass der Zusammenhalt weiter wächst. Dieser wird für den Trainer das entscheidende Kriterium sein, wenn es in der Rückrunde endlich mit dem Aufstieg klappen soll. „Wir brauchen den Zusammenhalt. Du wirst es nur als Mannschaft schaffen“, sagt Walter und sendet damit ein weiteres Signal an die Vereinsführung. Der Trainer will weiter vorangehen. Jetzt muss der Aufsichtsrat entscheiden, ob er diesen Weg der Gemeinsamkeit mitgehen will.