Los Angeles. HSV sucht auch in den USA neue Spieler. Chefscout Costa baut dort jetzt ein Netzwerk auf. Was der Club plant.
Zwei Livespiele innerhalb von zwei Tagen konnte Claus Costa am Wochenende im Stadion beobachten. Der Notizblock des HSV-Chefscouts blieb dabei leer. Die zwei Footballspiele am Sonnabend im Rose Bowl zwischen den Collegeteams UCLA Bruins und UFC Trojans sowie am Sonntag im SoFi-Stadium zwischen den NFL-Teams LA Chargers und Kansas City Chiefs durfte Costa einfach genießen. Der 38-Jährige ist einer von 60 Teilnehmern an der USA-Reise des HSV.
Neue Spieler wird Costa auf dieser Reise nicht entdecken, er soll jedoch noch stärker an Team und Trainer herangeführt werden. Vor allem aber will der HSV seine Präsenz in den USA ausbauen. „Der amerikanische Markt ist wegen des Wachstums und der Entwicklung perspektivisch spannend“, sagt Costa im Gespräch mit dem Abendblatt.
Der HSV-Kaderplaner sitzt in der Lobby des Mannschaftshotels Hilton in Anaheim und nimmt einen Schluck aus der Wasserflasche. Wie groß der Unterschied zwischen den USA und Deutschland ist, sieht man schon hier im Eingangsbereich. Eine Lobby, die an ein Einkaufszentrum erinnert. Es ist eben alles etwas größer in den Staaten.
HSV fehlt Geld für MLS-Spieler
Für den Fußball galt das bislang nicht. Doch das ändert sich. Die USA haben im nationalen Fußball Entwicklungssprünge gemacht und international den Anschluss an die Topnationen hergestellt. Das zeigt sich auch auf dem Transfermarkt. Immer mehr Toptalente wechseln in die Bundesliga. Im Januar zahlte der FC Augsburg für Ricardo Pepi (19) die Rekordablöse von 17,5 Millionen Euro an den FC Dallas. Der VfL Wolfsburg holte zum selben Zeitpunkt den gleichaltrigen Linksaußen Kevin Paredes von DC United Washington.
Auch der HSV will vom wachsenden US-Markt profitieren. Um Spieler aus der Major League Soccer zu verpflichten, reichen die finanziellen Möglichkeiten als Zweitligist nicht mehr aus. Denn nicht nur der HSV hat den amerikanischen Markt entdeckt. Alle deutschen Topclubs suchen mittlerweile auch in Nordamerika.
Selbst der FC Bayern München holte vor drei Jahren in Alphonso Davies vom FC Toronto, der als einer von drei kanadischen Clubs in der MLS spielt, ein Toptalent für zehn Millionen Euro aus Übersee. „Wenn die Spieler in der MLS spielen, ist es für uns aber fast schon zu spät“, sagt Costa und meint damit die für den HSV kaum mehr zu stemmenden Ablösesummen.
Wie der HSV den US-Markt erobern will
Die Hamburger müssen früh dran sein. Deswegen reisen zwei Scouts des HSV Ende November zum Showcase-Turnier der MLS-Clubs nach Indio in Kalifornien, nur zwei Stunden vom HSV-Hotel in Anaheim entfernt. Bei diesem Turnier spielen alle Nachwuchsjahrgänge der Clubs von der U 16 bis zur U 19 eine Woche lang auf zehn Plätzen gleichzeitig. Ein Riesenturnier, bei dem Talentspäher aus aller Welt vor Ort sind.
Vom HSV werden Jonas Meidert, der internationale Toptalentescout des Clubs, und Ervin Lamce aus dem Nachwuchsscouting vor Ort sein. „Da hat man noch die Chance, Spieler zu bekommen, bevor sie einen Vertrag in der MLS unterschreiben“, sagt Costa.
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In der Corona-Zeit hatten die Hamburger auf eine Reise zu diesem Talentcasting verzichtet. Zuvor waren schon mehrere Male Mitarbeiter aus dem Volkspark dabei. 2019 etwa verpflichtete der HSV das US-Talent Travian Sousa im Alter von 17 Jahren. Der Linksverteidiger war den Scouts beim Showcase-Turnier in Sarasota (Florida) aufgefallen. Über ein Probetraining landete Sousa im HSV-Internat und trainierte früh bei Dieter Hecking und den Profis mit. Das Talent war vorhanden, die Disziplin nicht. Sousa ging nach zwei Jahren zurück in die Heimat.
Warum der HSV US-Spieler will
Andere Clubs hatten mehr Glück. Borussia Mönchengladbach landete vor einem Jahr mit Joe Scally (New York City FC), damals 18, einen Volltreffer. Der FC Schalke 04 holte vor sechs Jahren Weston McKennie ablösefrei aus der Dallas Academy. Vor einem Jahr wechselte der Nationalspieler für 20 Millionen Euro zu Juventus Turin.
Auffällig ist bei allen diesen Spielern die starke Physis. „Die Spieler sind hier auf einem athletischen Niveau, das nahe an das europäische heranreicht“, sagt Costa. Doch nicht nur das, „auch die fußballerische Ausbildung wird immer besser“.
Der Transfermarkt funktioniert in den USA teilweise anders als in Europa. Über das Draftingsystem können Spieler aus dem Nachwuchs von anderen Clubs ausgesucht werden, auch wenn der Spieler das nicht will. Der Beratermarkt ist dagegen ähnlich wie in Europa. Der HSV versucht, sein Netzwerk auch in diesem Bereich auszubauen. Einige Agenturen haben sich auf spezielle Märkte konzentriert und versorgen die Manager der europäischen Clubs mit Informationen. So auch in Amerika.
Vuskovic-Ersatz käme nicht aus den USA
Als Kernmarkt hat der HSV die USA nicht definiert. Das sind die Nachbarländer und Deutschland. Einen Innenverteidiger, der dem HSV sofort helfen kann, sollte sich eine lange Sperre für den positiv auf Epo-Doping getesteten Mario Vuskovic bestätigen, wird der HSV nicht in den USA finden.
„Für Spieler mit einer Sofortqualität versuchen wir, spezielle Fähigkeiten herauszuarbeiten, aber in der Regel fokussiert man sich dabei auf den deutschen Markt“, sagt Costa. Zudem sei es schwieriger, die Ligen in Südamerika, Asien oder den USA dauerhaft im Blick zu behalten. „Wir wollen eine lange Sichtungshistorie und den Spieler möglichst oft live gesehen haben. Das ist dort schwieriger.“
Für den HSV geht es in den USA um Perspektivspieler. Dass diese im Volkspark unter Tim Walter eine Perspektive haben, ist bekannt. Allein in dieser Saison haben mit Omar Megeed, Tom Sanne, Bent Andresen und Valon Zumberi vier eigene Talente ihr Profidebüt gegeben. „Es ist ein Faustpfand, dass unser Trainerteam große Lust hat, junge Spieler weiterzuentwickeln. Die Durchlässigkeit ist derzeit außergewöhnlich hoch“, sagt Costa.
HSV sucht US-Profi
Der amerikanische Markt ist die Zukunft, aber auch in der Gegenwart kann der Chefscout in Kalifornien gute Kontakte knüpfen. Am Dienstag war er mit Sportvorstand Jonas Boldt beim MLS-Club LA Galaxy. Der Ex-Verein von David Beckham und Zlatan Ibrahimović gehört der mächtigen Anschutz Entertainment Group.
Beim College-Football am Sonnabend werden die beiden dagegen keinen Neuzugang gefunden haben. Aber vielleicht werden sie sich erinnert haben, dass von den UCLA Bruins einst Benny Feilhaber zum HSV kam. Das ist 17 Jahre her. Höchste Zeit also, dass die Hamburger wieder einen Profi in den USA entdecken.