Hamburg. Eine Karriere wie die von Thomas Wüstefeld hat es beim HSV noch nicht gegeben. Was hinter seinem Aufstieg steckt.

Der HSV und Thomas Wüstefeld – das war offenbar schon immer eine große Liebe. Wie der Medizinunternehmer aus den Elbvororten vom Fan zum Aktienbesitzer, Aufsichtsrat und Vorstand wurde, das zeichnen wir hier nach. Die Hintergründe und Details sind auch für den facettenreichen HSV sehr speziell.

29. Oktober 2021: Die Kühne-Holding gibt offiziell bekannt, dass sie 5,11 der HSV-AG-Anteile an die CaLeJo GmBH von Thomas Wüstefeld verkauft. Der Kaufpreis: 14,2 Millionen Euro.

3. November: Das Abendblatt berichtet exklusiv, dass der baldige Anteilseigner Thomas Wüstefeld in den HSV-Aufsichtsrat einziehen soll.

30. November: Auf der Hauptversammlung wird zunächst der Anteilsdeal zwischen der Kühne-Holding und Wüstefelds CaLeJo GmbH perfekt gemacht. Direkt im Anschluss wird auf der konstituierenden Aufsichtsratssitzung Neu-Kon­trolleur Wüstefeld zum Aufsichtsratsvorsitzenden und damit zum Nachfolger von Marcell Jansen gewählt.

HSV: Wettstein geht, Wüstefeld kommt

Finanzvorstand Frank Wettstein musste gehen.
Finanzvorstand Frank Wettstein musste gehen. © Witters

18. Dezember: In der Aufsichtsratssitzung wird eine vorzeitige Trennung von Finanzvorstand Frank Wettstein beschlossen. Als Nachfolger gelten Kühne-Vertrauter Markus Frömming und/oder Finanzdirektor Eric Huwer.

27. Dezember: Die Stimmung im Aufsichtsrat dreht sich. Nun entscheidet sich Wüstefeld, lieber selbst in den Vorstand einzuziehen.

4. Januar 2022: Der HSV gibt offiziell bekannt, dass Wettstein ab sofort freigestellt wird. Sportvorstand Jonas Boldt gibt in einer Presserunde im Trainingslager in Spanien bekannt, dass er mit Thomas Wüste-feld einen neuen Vorstandskollegen bekommt.

5. Januar: Wüstefeld reist als erste Amtshandlung ins Trainingslager nach Spanien nach.

6. Januar: Wüstefeld versichert auf mehrfache Nachfrage, dass er nur für ein Jahr in den Vorstand entsendet wird – pro bono.

17. Februar: Das Abendblatt enthüllt, dass Jansen, der wieder Aufsichtsratsvorsitzender ist, und Wüstefeld vor dessen HSV-Engagement eine Geschäftsbeziehung hatten. Jansen übernahm den Vertrieb im Profisport für Wüstefelds PCR-Schnelltests. Wüstefeld spendete für Jansens gemeinnützigen Verein HygieneCircle, in dem er auch im Expertenbeirat sitzt.

Boldt und Wüstefeld: Geht das gut?

Sie sollten ein Team sein: Sportdirektor Michael Mutzel (v. l.), die Vorstände Jonas Boldt und Thomas Wüstefeld sowie Finanzdirektor Eric Huwer. Das Team zerbarst.
Sie sollten ein Team sein: Sportdirektor Michael Mutzel (v. l.), die Vorstände Jonas Boldt und Thomas Wüstefeld sowie Finanzdirektor Eric Huwer. Das Team zerbarst. © WITTERS | TimGroothuis

6. Mai: Im Abendblatt-Interview kündigt Wüstefeld strategische Partner an, „die es so im Volkspark noch nicht gibt.“ Zu den Finanzen sagt er: „Wir haben uns gut aufgestellt und stehen solide da. Wir haben in den vergangenen Monaten gut gewirtschaftet.“

25. Mai: Das Abendblatt titelt: „Jonas Boldt und Thomas Wüstefeld – kann das noch gut gehen?“ Wüstefeld sagt: „Jonas und ich haben ein kollegial gutes Verhältnis. Wir sind in einem engen Austausch.“

30. Mai: Nachdem tagelang über Differenzen zwischen Wüstefeld und Boldt berichtet wird, bezieht Aufsichtsratschef Jansen Stellung: „Es ist eine Diskussion in den Medien, wie so oft in Hamburg.“

9. Juni: Das Abendblatt veröffentlicht eine große Geschichte über das Firmenimperium Wüstefelds und fragt: „Was steckt hinter seinen Geschäften?“

Was wird aus dem Volksparkstadion?

16. Juni: Wüstefeld gibt HSV-Umstrukturierungspläne offiziell bekannt. Ab sofort gibt es beim HSV keine Direktoren mehr, dafür sogenannte Leader of Business Units.

22. Juni: Auf der Mitgliederversammlung verrät Wüste-feld, dass ihm seine Wirtschaftsprüfer vom Anteilskauf beim HSV abgeraten hätten, sein Sohn ihn aber überredet habe. Für das Geschäftsjahr 2021/22 des HSV kündigt er eine schwarze Null an.

30. Juni: Das Abendblatt berichtet über „Millionenforderung und Vorwürfe gegen Thomas Wüstefeld“. Der Unternehmer weist die Vorwürfe zurück.

1. Juli: Auf der Aufsichtsratssitzung werden die Abendblatt-Enthüllungen thematisiert. Jansen spricht Wüstefeld das Vertrauen aus.

26. Juli: Boldt sagt vor Gericht im Prozess um den degradierten Sportdirektor Michael Mutzel aus, dass dieser die Nähe zu Wüstefeld gesucht habe, um sich als Nachfolger von Boldt in Position zu bringen.

1. August: Das Abendblatt berichtet erstmals darüber, dass Wüstefeld in Erwägung zieht, juristisch gegen die Kühne-Holding vorzugehen.

Kühne gegen Wüstefeld

Klaus-Michael Kühne neben seiner Frau Christine bei einem Spiel im Volksparkstadion.
Klaus-Michael Kühne neben seiner Frau Christine bei einem Spiel im Volksparkstadion. © Witters

2. August: Wüstefeld bittet als HSV-Vorstand zu einer Medienrunde ins Volksparkstadion, wo er erneut schwere Vorwürfe gegen die Kühne-Holding im Zusammenhang mit seinem Anteilskauf erhebt. Auf Nachfrage des Abendblatt lässt Kühne ausrichten, „dass er hoffe, dass Dr. Wüstefeld beim HSV recht bald Geschichte sein wird“.

12. August: Auf der Aufsichtsratssitzung präsentiert Wüstefeld ein Finanzkonzept mit der HanseMerkur als Darlehensgeber. Umfang: 23 Millionen Euro. Einziger Haken: Die Unterschriften der Bürgen fehlen noch. Wüstefeld kündigt an, in finalen Gesprächen unter anderem mit der Stadt Hamburg zu sein.

16. August: Auf der Landespressekonferenz dementiert Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) eine baldige Einigung mit dem HSV. Es gebe noch „hohe Hürden“, sagt er.

19. August: Das Abendblatt berichtet über Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft gegen Wüstefeld, über Zivilklagen und neue Vorwürfe.