Hamburg. Einen Tag nach seiner Zweitliga-Premiere kam der jüngste Hamburger Profi aller Zeiten bei der U19 zum Einsatz. Mit kuriosem Ende.

Der Morgen danach war – entschuldigen Sie bitte die Formulierung – zum Kotzen. Omar Abdel Megeed stand am Sonntag gegen 11.45 Uhr auf dem Platz im Wolfgang-Meyer-Stadion – und musste sich übergeben. Erst einmal, dann ein zweites Mal. Kurz vor der Halbzeit des U-19-Spiels zwischen dem HSV und Dynamo Dresden beugte sich der Teenager mitten auf dem Platz vorne über und konnte einfach nicht mehr. Megeed wurde direkt gegen Benjamin Lamce ausgewechselt, am Ende verlor die U19 mit 0:3.

HSV News: Megeed schrieb ein neues Kapitel in der Vereinshistorie

Die gute Nachricht vorweg: Megeed ging es schon bald wieder deutlich besser. Die Temperaturen um die 30 Grad dürften dem Deutsch-Ägypter zu schaffen gemacht haben. Und der ereignisreiche Vortag darf wohl auch als Erklärung angeführt werden. Denn am Sonnabend war der 16-Jährige nicht etwa auf dem Kiez, wo 16-Jährige ja durchaus mal am späteren Sonnabend sein können. Sondern in Bielefeld, wo er mit den Profis des HSV hochverdient 2:0 gegen die Arminia gewann – und ganz nebenbei HSV-Geschichte schrieb.

Mit 16 Jahren und 359 Tagen ist Omar Abdel Megeed der jüngste Debütant in der HSV-Geschichte (siehe Tabelle) und zudem der jüngste Spieler, der je in der Zweiten Liga gespielt hat. Beim HSV löste der 1,88 Meter große Kleine Josha Vagnoman, der im Sommer zum VfB Stuttgart gewechselt ist, als Rekord-Youngster ab. Der Rechtsverteidiger war bei seinem Profidebüt im Jahr 2018 17 Jahre und 89 Tage alt. Doch anders als Megeed musste Vagnoman bei seinen ersten Schritten im Profibereich vor vier Jahren eine deftige 0:6-Klatsche bei den Bayern verkraften. Damals konnte man vielleicht sogar etwas derbe sagen: Ein Debüt zum Kotzen.

Debütantenball der HSV-Teenager:

  • 1. Omar Megeed (13.8.2022, Bielefeld vs. HSV 0:2) 16 Jahre, 359 Tage
  • 2. Josha Vagnoman (10.3.2018, Bayern vs. HSV 6:0) 17 Jahre, 89 Tage
  • 3. Jonathan Tah (4.8. 2013, Schott Jena vs. HSV 0:4) 17 Jahre, 174 Tage
  • 4. Fiete Arp (30.9.2017, HSV vs. Werder 0:0) 17 Jahre, 267 Tage
  • 5. Mustafa Kucukovic (11.9.2004, Stuttgart vs. HSV 2:0) 17 Jahre, 311 Tage
  • 6. Emerson (24.8.1993 Lautern vs. HSV 0:0) 18 Jahre, 27 Tage
  • 7. Muhamed Besic (12.11.2010, BVB vs. HSV 2:0) 18 Jahre, 63 Tage
  • 8. Caspar Memering (28.8.1971, HSV vs. Schalke, 0:1) 18 Jahre, 88 Tage
  • 9. Tobias Knost (18.8.2018, Erndtebrück vs. HSV 3:5) 18 Jahre, 102 Tage
  • 10. Heung-Min Son (27.10.2010, Frankfurt vs. HSV 5:2) 18 Jahre, 11 Tage

Megeeds Debüt hätte dagegen nicht viel besser laufen können. Der Frühreife, der als 13-Jähriger vom FC Süderelbe zum HSV wechselte, konnte am Sonnabend zunächst einmal bequem von der Bank aus verfolgen, wie seine Kollegen gegen den Bundesliga-Absteiger die wahrscheinlich „reifste Saisonleistung“ (Sebastian Schonlau) ablieferten – und zudem das siebte Auswärts-Pflichtspiel (inklusive Pokal und Relegation) in Folge gewannen. Auch das: historisch. „Das war ein reifer Auftritt“, sagte auch Torhüter Daniel Heuer Fernandes, der selbst nur in der zweiten Halbzeit eingreifen musste, als die Partie fast schon entschieden war.

Die Gründe dafür sind schnell zusammengefasst: Der HSV spielte wie ein Aufsteiger, Bielefeld wie ein Absteiger – allerdings aus der Zweiten Liga. Erst traf Neuzugang Nummer eins, Ransford Königsdörffer (28.), dann machte Neuzugang Nummer zwei, Laszlo Bénes (74.), mit einem Traumtor aus der Distanz alles klar. „Man sieht immer mehr, dass da, wo HSV draufsteht, HSV auch drinsteckt“, gab Trainer Tim Walter zu Protokoll, der aber zugab, „mit etwas mehr Gegenwehr“ gerechnet zu haben.

HSV-Talent Megeed hat eine interessante Vita

Doch weil diese bis zum Schluss ausblieb, war für Walter kurz vor Schluss der Moment gekommen, ein wenig an der HSV-Historie zu schrauben. Stürmer Robert Glatzel, der wie immer gut spielte, aber wie fast nie diesmal nicht traf, durfte raus – Megeed durfte rein (89.).„Omar ist total geerdet. Er hat immer Feuer, gibt immer Gas, hört immer zu“, lobte Walter später seinen Youngster. „Er ist ein großartiger Junge. Wir werden mit ihm noch viel Freude haben. Aber wir brauchen ein bisschen Geduld. Und deswegen spielt er morgen auch in der U19.“

45 Minuten lang. Dann war eben doch alles ein bisschen zu viel für den Teenie, den bis zu diesem Wochenende nur wenige HSV-Anhänger kannten.

Also wer ist dieser Omar Abdel Megeed überhaupt? Geboren in Hamburg. Die Eltern kommen aus Ägypten, er selbst: ein Familienmensch. Zwei ältere Brüder, die Schwester lebt in Portugal. Eine Freundin, Jasmin, hat der Frühreife auch schon. Megeed fühlt sich in Aumühle zu Hause, trainiert auch heute noch oft für sich auf dem Platz von TuS Aumühle Wohltorf oder in einem Fußballkäfig in der HafenCity mit seinem besten Freund Fabio Balde. Sein Agent: Thies Bliemeister, der auch Heung-Min Son (Nummer zehn im Debütantenranking) beim Start in den Beruf beriet. In der Freizeit daddelt Omar auf der Konsole Fifa, geht schwimmen. Seine Vorbilder: Cristiano Ronaldo und Bruder Patrick.

Dass das HSV-Nesthäkchen nun mit 16 Jahren erfolgreich ins kalte Profiwasser geschmissen wird, ist für die, die ihn gut kennen, keine Überraschung. Schon mit fünf Jahren sei Omar vom Dreimeter-brett gesprungen, erinnert sich einer. Der Kleine, der längst ein Riese ist, sei bescheiden, habe aber keine Angst.

Megeed ist nur bei Kumpel Königsdörffer frech

Das wissen sie auch beim HSV zu schätzen. „Omar ist lernwillig. Aber das ist erst der Anfang. Für ihn ist es noch ein weiter Weg. Er ist natürlich noch zurückhaltend, ist ja auch normal mit 16. Aber auf dem Platz ist er gallig. Er will das Tor machen, er will den Zweikampf gewinnen“, lobte Heuer Fernandes. Und Königsdörffer, selbst erst 20 Jahre alt, sagte: „Omar ist ein bodenständiger Junge. Er ist schüchtern den Älteren gegenüber, aber bei mir ist er echt frech.“ Beim Essen im Campus sitzen die beiden HSV-Youngster normalerweise nebeneinander. „Omars Stärken sind seine Technik und sein erster Kontakt. Er hat auch einen sehr guten Körper mit 16.“

Die wichtigste Qualität muss der 16-Jährige mit dem guten Körper aber erst noch unter Beweis stellen: Er braucht auch einen guten Kopf. „Wir werden da natürlich ein Auge drauf werfen“, sagte Kapitän Schonlau – gab aber auch sofort Entwarnung: „Der Junge ist sehr, sehr klar. Ich denke, deswegen hat ihn der Trainer auch mal reingeschmissen. Er droht jetzt nicht direkt abzuheben.“

Beim HSV kommen direkt Erinnerungen an Überflieger Faride Alidou hoch. Der mittlerweile 21 Jahre alte Hamburger, der seit Sommer bei Eintracht Frankfurt spielt, startete in der vergangenen Hinrunde auch wie eine Rakete, die sich dann aber im Vertragspoker verfing und schließlich in der Rückrunde böse abstürzte. Interne Vorwürfe, dass Alidou, der am Sonnabend gegen Hertha BSC spielen durfte, nach dem Raketenstart einen Hang zum Abheben entwickelte, befürchten die Verantwortlichen bei Megeed nun nicht.

HSV-News: Bénes widmet Traumtor seiner schwangeren Freundin

Ohnehin war Megeed am Sonnabend nach seinem Minuteneinsatz nur Statist. Die Protagonisten hießen Königsdörffer nach seinem ersten Liga-Tor für den HSV und Bénes nach seinem Sonntagsschuss am Sonnabend. Letztgenannter erinnerte mit seinem Schnullerjubel daran, dass man sogar noch jünger als Megeed sein kann: „Meine Freundin Viktoria und ich erwarten ein Baby. Das Tor habe ich auch ihnen gewidmet“, sagte Bénes, der nun hofft, am Freitag gegen Darmstadt wieder von Anfang an spielen zu dürfen. An dem Tag wird Megeed übrigens 17 Jahre alt und würde gerne wieder feiern. Nur diesmal am liebsten ganz ohne Übergeben.

Schema:

  • Bielefeld: Kapino - Sidler (62. Bello), Jäkel, Hüsing, Oczipka (78. Ramos) - Vasiliadis (61. Kanuric), Rzatkowski (78. Krüger) - Okugawa (67. Lasme), Robin Hack - Klos, Serra.
  • HSV: Heuer Fernandes - Heyer, Vuskovic, Schonlau, Muheim - Meffert - Reis, Rohr (62. Bénes) - Königsdörffer (89. David), Kittel (77. Opoku), Glatzel (89. Megeed).
  • Tore: 0:1 Königsdörffer (28.), 0:2 Bénes (74.).
  • Schiedsrichter: Fritz (Korb).
  • Zuschauer: 26.875.
  • Gelbe Karten: Vasiliadis, Robin Hack, Bello, Hüsing – Heyer.
  • Statistik: Torschüsse: 14:15; Ecken: 6:4; Ballbesitz: 38:62 Prozent; Zweikämpfe: 121:120.