Hamburg. Faride Alidou wird seinen Vertrag beim HSV nicht verlängern. Für noch mehr Aufsehen sorgt die Situation um Jatta. Wie reagieren die Fans?

Als die Profis des HSV am Freitag den Trainingsplatz neben dem Volksparkstadion betraten, hatten einige Fans bereits etwas vorbereitet. „Immer einer von uns – stark bleiben, Bakery!“, stand auf einem rund 14 Meter breiten Banner, das gut lesbar am Zaun aufgehängt war. Die Botschaft war klar: Trotz der nicht endenden Identitätsdebatte darf sich Bakery Jatta, gegen den die Staatsanwaltschaft Hamburg am Montag Anklage erhoben hatte, der Unterstützung der meisten Fans sicher sein.

Es ist sogar davon auszugehen, dass im kommenden Heimspiel am Sonntag gegen Hansa Rostock (13.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei Abendblatt.de) weitere Plakataktionen folgen.

Während sich der pfeilschnelle Flügelstürmer aus Gambia also auf den Zuspruch der Fans freuen darf, wird mit Spannung erwartet, wie sein pfeilschnelles Pendant auf der linken Seite, Faride Alidou, von den coronabedingt 15.000 zugelassenen Zuschauern empfangen wird. Seit die „Bild“-Zeitung Donnerstagnacht einen Bericht veröffentlichte, dass der U-20-Nationalspieler vor einem ablösefreien Wechsel nach dieser Saison zu Eintracht Frankfurt steht, rumort es in Fankreisen.

Als Faride Alidou die HSV-Raute küsste

Derselbe Alidou, der sich erst vor drei Wochen nach seiner Auswechslung im Regensburg-Spiel (4:1) auf die Raute geklopft und geküsst hatte, soll schon in wenigen Monaten ein anderes Wappen auf dem Herzen tragen.

„Er hat die vergangene Zeit beim HSV genossen und dabei auch etwas mitgenommen. Das ist ein Zeichen, dass er die Stadt und den Verein liebt“, sagte Trainer Tim Walter über den nun viel diskutierten Kuss, den er – mit Blick auf die Reaktion der Fans beim kommenden Heimspiel – versuchte kleinzureden. „Manche Spieler machen das, was ihnen gerade in den Kopf springt, das kann man ihnen auch nicht immer verwehren.“

Als der HSV noch optimistisch bei Alidou war:

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Eine Aussage, die auch auf Alidous Aktivitäten bei Instagram zutreffend wäre. Dort verwirrt der Jungprofi regelmäßig mit seinen Beiträgen. An diesem Donnerstag sorgte ein Statement, das für viele nach Abschied klang, für Aufsehen. „Die schwerste Lektion des Lebens: Akzeptieren und loslassen“, schrieb Alidou. Kurze Zeit und viele aufgeregte Fan-Kommentare später löschte er diese Textzeile wieder.

Vor wenigen Tagen schrieb er auf Englisch, „die Emotion, die einem das Herz brechen kann, ist manchmal genau die, die es heilt“ – garniert mit drei Adlern. Unklar bleibt, ob die Emojis Bundesadler als Symbol für die deutsche U-20-Nationalmannschaft oder das Maskottchen von Eintracht Frankfurt stehen sollten.

HSV hat Verlängerung mit Alidou versäumt

Doch um die Geschichte des Wilhelmsburgers zu erzählen, der binnen weniger Wochen vom nicht mehr gewollten Nachwuchsspieler zum gehypten Fanliebling aufstieg, bedarf es ein differenzierteres Bild als nur die geküsste Raute und Instagram-Beiträge.

So gibt es gleich mehrere Personen, die sich hinterfragen müssen, wie es dazu kommen konnte, dass ein so talentierter Spieler den Club ablösefrei verlassen wird. In erster Linie haben es die Verantwortlichen beim HSV verpasst, Alidous auslaufenden Vertrag rechtzeitig zu verlängern. Gelegenheiten dafür gab es genug.

  • Im vergangenen April zum Beispiel, als die „zukunftsorientierte Kaderplanung“, wie es in dem Kommuniqé hieß, mit der Verlängerung von Talent Ogechika Heil (21) fortgesetzt wurde.
  • Oder im zurückliegenden Sommer, als Alidou in sein letztes Vertragsjahr beim HSV ging.
  • Oder vor zwei Monaten, bevor er gegen Düsseldorf (1:1) debütierte und sich in den Fokus der Bundesligisten Köln, Hertha, Hoffenheim, Union, Freiburg, Mainz und eben Frankfurt spielte.

Doch stattdessen passierte: nichts. Weder Sportvorstand Jonas Boldt noch Sportdirektor Michael Mutzel, Nachwuchschef Horst Hrubesch oder die Ex-Trainer Daniel Thioune und Dieter Hecking trauten Alidou, dem ein schwieriger Charakter nachgesagt wird, den Durchbruch zu. Deshalb sollte der Außenbahnspieler im vergangenen Sommer sogar abgegeben werden, doch es fand sich kein Interessent. Eine Tatsache, die man inzwischen kaum glauben mag.

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HSV: Nur Walter erkannte Alidous Potenzial

Erst Tim Walter sah Alidous großes Potenzial bei einem Spiel der U21 – und beförderte ihn zu den Profis. Sieben Zweitligaspiele, zwei Tore und drei Vorlagen später hat der Youngster die komplette Dynamik des Fußballbusiness miterlebt. Sollte er den HSV vor Kurzem noch verlassen, will er den HSV inzwischen verlassen. Bei Frankfurt soll Alidou inklusive Prämien bis zu eine Million Euro per annum verdienen. Eine Offerte, mit der die Hamburger nicht mithalten können. Umso ärgerlicher ist es, dass sein Vertrag nicht längst verlängert wurde – es wäre vor wenigen Monaten für ein Fünftel dieser Summe möglich gewesen.

Inzwischen ist eine Verlängerung mit Alidou nur noch sehr unwahrscheinlich. Die einzige Option, den dribbelfreudigen Linksaußen auch in der kommenden Saison in Hamburg zu sehen, könnte eine Leihe sein. Demnach würde Frankfurt Alidou unter Vertrag nehmen und ihn gleich wieder an den HSV verleihen. So ist die Eintracht auch in diesem Sommer mit St. Paulis Sturmtalent Igor Matanovic (18) verfahren, der bis 2023 an den Stadtrivalen verliehen ist. Gespräche über ein solches Modell haben zwischen beiden Clubs allerdings noch nicht stattgefunden.

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Bis zu einer endgültigen Klärung dürfte der Vertragspoker um Alidou auch innerhalb der Mannschaft ein Thema bleiben. Gleiches gilt für die ungeklärte Situation Jattas, auch wenn Walter behauptet, durch die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft „in der täglichen Arbeit nicht beeinträchtigt“ zu sein. Es ist eine Aussage, die auf den Coach und seine Spieler vielleicht noch zutreffen mag. Wie unterschiedlich die Fans mit den beiden brisanten Personalien umgehen, könnte sich dagegen schon am Sonntag zeigen.

Die voraussichtlichen Aufstellungen:

  • HSV: Johansson – Heyer, Vuskovic, Schonlau, Gyamerah – Meffert – Reis, Kittel – Jatta, Glatzel, Alidou.
  • Rostock: Kolke – Neidhart, Malone, Roßbach, Rizzuto – Fröde - Duljevic, Behrens, Rhein, Schumacher – Verhoek.