Hamburg. Vor Gericht streiten zwei Berater darum, wer wie viel vom Jatta-Kuchen abbekommt. Ein Blick hinter die Kulissen eines harten Geschäfts.
Es ist schon ein paar Tage her, da war Mahmut Aktas ganz oben. Nur wenige Meter vom Rathaus entfernt, achter Stock, Dachterrasse. Von hier aus hat man einen herrlichen 360-Grad-Blick über Hamburg. Die Elbphilharmonie, der Hafen, der Michel. Aktas zückte sein Handy und machte ein Erinnerungsfoto.
In dem anschließenden Gespräch ging es auch um Erinnerungen. Rund 90 Minuten lang erzählte der 41-Jährige seine Geschichte – und zeigte weitere Fotos auf seinem Handy. Es ging um eine in die Brüche gegangene Freundschaft, um Geld, viel Geld, um einen Gerichtsprozess – und um den HSV-Profi Bakery Jatta. Oder wie es der frühere Fußballer auf der Dachterrasse nannte: um das Projekt Jatta. Vor allem aber ging es um einen Blick hinter die Kulissen eines knallharten Geschäfts, wie man ihn im Profifußball nur selten erhält.
HSV: Beraterzoff um Jatta landet vor Gericht
Die Kurzform der Geschichte geht so: Mahmut Aktas verklagt HSV-Stürmer Bakery Jatta (24) und dessen Berater Efe Aktas vor dem Hamburger Landgericht. Das Kuriose: Aktas und Aktas sind weder verwandt noch verschwägert. Sie waren allerdings befreundet, Fußballerkollegen – und Geschäftspartner. Wobei die Betonung auf „waren“ liegt. Nun sind sie Gegner in einem Prozess, in dem erörtert werden soll, wer welchen Einfluss auf die Profikarriere Jattas in Wahrheit hatte – und wem wie viel Geld für seine Arbeit zusteht.
Der erste Termin vor Gericht war bereits wenige Tage vor dem Treffen auf der Dachterrasse. Unter dem Aktenzeichen 318o181/21 wurde am 20. Juni in Raum B223 die Klage Aktas gegen Aktas und Jatta, eine sogenannte Stufenklage, erstmals behandelt. In der ersten Stufe wollte Kläger Aktas Auskunft über sämtliche Einkünfte Jattas als Fußballprofi seit dem 1. Juli 2016 erteilt bekommen, um in Stufe zwei besser beziffern zu können, wie groß sein ihm seiner Meinung nach zustehender Anteil ist. Der momentane Gesamtstreitwert laut Klage, die dem Abendblatt vorliegt: 204.000 Euro. Demnach fordert Mahmut Aktas 144.000 Euro von Jatta und 60.000 Euro von Efe Aktas.
Berater will an Jattas künftigem Gehalt mitverdienen
Doch das soll es noch nicht gewesen sein: Mahmut Aktas fordert darüber hinaus auch noch einen Anteil am zukünftigen Gehalt Jattas bis zum Ende von dessen professioneller Karriere, oder wie er es ausdrückt: seinen Teil vom Kuchen. Und sollte es eines Tages tatsächlich einen Film über die unglaubliche Geschichte Jattas geben, dann würde das Gleiche gelten: Auch dann gebe es einen Kuchen, von dem ihm ein Stückchen zustehen würde.
Auf der Dachterrasse erzählt Mahmut Aktas detailliert die ganze Geschichte aus seiner Sicht. Er ist einverstanden, dass ein Aufnahmegerät mitläuft und dass man sich Notizen macht. Er möchte aber nicht direkt zitiert werden. Er berichtet, wie er und Efe Aktas sich 2006 beim FC Oberneuland kennenlernten, ein vertrautes Trainer-Spieler-Gespann bildeten und immer öfter über junge, talentierte Fußballer und die Möglichkeit sprachen, mit ihnen Geld zu verdienen. Viel Geld. Der heutige Leverkusener Karim Bellarabi war einer der Ersten, mit denen sich Aktas und Aktas beschäftigten.
Später scouteten sie auch den jungen Mario Götze, waren zusammen in Brasilien, in Korea. Mahmut Aktas nahm auch 2012 an einem Seminar des Frankfurter Anwalts und Sportmanagers Tom Eilers teil, um sich auf die Prüfung zum Spielerberater vorzubereiten, Efe Aktas zahlte. Es brauchte vier Versuche, dann bestand der gelernte Maschinenbau-Ingenieur die offizielle Prüfung.
HSV: Wie Mahmut Aktas Jatta half
Es dauerte bis zum Winter 2015/16, ehe Mahmut Aktas die Möglichkeit sah, mit seiner Passion tatsächlich auch viel Geld zu verdienen. Efe Aktas hatte ihn angerufen und ihm von diesem Geflüchteten erzählt, der in Bremen wohne und ein Riesentalent sei. Am 6. Januar 2016 absolvierte dieser dann beim HSV ein Probetraining. Aktas und Aktas waren dabei und schauten sich Jattas erstes Training im Volkspark an. Am Abend traf man sich gemeinsam in der Fußballhalle Soccerking in Bremen, so steht es auch in der Begründung der Klage, um darüber zu sprechen, wie man diesen talentierten Gambier so trainieren könne, dass dieser bis Sommer 2016 einen ersten HSV-Profi-Vertrag bekommen könnte.
Pikant: Jatta war zu diesem Zeitpunkt noch minderjährig, hatte einen Vormund und konnte noch kein Deutsch. Trotzdem hätte es laut Mahmut Aktas an jenem Heilige-Drei-Königsabend eine verbindliche Einigung gegeben, dass er zehn Prozent aus der Bruttojahresvergütung Jattas erhalten würde, sobald dieser einen hoch dotierten Lizenzspielervertrag ab dem 1. Juli 2019 unterschreiben würde – also nach Ende von Jattas erstem, geringer dotierten Profivertrag.
Unstrittig ist, dass Mahmut Aktas sich im ersten Halbjahr 2016 intensiv um Jatta kümmerte. Fast jede Woche trainierte der Schwabe Jatta und sorgte sich um dessen „sportliche, mentale und physische Vorbereitung“, wie er es später in der Rechnung 10100 (liegt dem Abendblatt vor) abrechnete. 12.048,75 Euro (inklusive Mehrwertsteuer) forderte und erhielt er für seinen Einsatz. Der Lohn für Jatta: Mit dem 18. Geburtstag am 6. Juni 2016 erhielt er einen Profivertrag beim HSV.
Berater schielte auf Jattas großen HSV-Vertrag
Strittig ist nun, wie es danach weiterging. Mahmut Aktas Version: Er sei weiterhin regelmäßig aus Böblingen nach Hamburg gereist, sei 150.000 Kilometer für Jatta unterwegs gewesen, habe ihm eine Wohnung besorgt, sogar bei ihm übernachtet und sich vor Ort um alles gekümmert. Und es habe eben diese mündliche Vereinbarung gegeben, dass er für diese Dienste auch adäquat bezahlt werden würde, sobald Jatta weitere noch besser dotierte Profiverträge erhalten würde. Im Januar 2019 war es so weit: Jatta unterschrieb einen Fünfjahresvertrag. Payday!
Die Version von Efe Aktas und Bakery Jatta klingt ganz anders. Die beiden sitzen im Besprechungsraum ihres Anwalts Thomas Bliwier in Winterhude und geben nun ihre Sicht der Dinge zum Besten. Auf dem Tisch liegen zwei dicke Akten. Auch Jatta und Efe Aktas sind einverstanden, dass man sich Notizen macht, wollen aber auch nicht direkt zitiert werden. Das übernimmt ihr Anwalt, der im Hinblick auf die Klage sagt: „Es handelt sich um den aussichtslosen Versuch, die inzwischen eingetretene Popularität und den Erfolg von Herrn Jatta für vermeintlich bestehende eigene Ansprüche auszunutzen“, sagt Bliwier – und wird sehr deutlich: „Dieser Versuch muss scheitern. Die geltend gemachten Ansprüche bestehen nicht.“
Mahmut Aktas stellt Jatta monatliche Rechnungen
Für Bliwier ist es nicht das erste Mal, dass er seine Mandaten bei dem Versuch verteidigen muss, dass jemand finanziell von Jattas Karriere partizipieren will. Profifußball sei ein Biotop, in dem jede Menge Putzerfische unterwegs seien. Überall wird gesaugt, überall wird Geld gewittert.
Der Anwalt berichtet von einem ähnlichen Fall im vergangenen Jahr vor dem Landgericht Bremen. Dort hatte auch der Personal Trainer Lars D. gegen Efe Aktas geklagt. Auch D. wollte ein größeres Stück vom Jatta-Kuchen abhaben. Und auch D. war nie einen schriftlichen Vertrag mit Aktas oder Jatta eingegangen. Ein Zeuge, der das alles vor dem Bremer Landgericht bestätigte: Mahmut Aktas. Das Ende vom Lied: Kurz nach der Verhandlung am 26. April 2021 wurde die Klage abgewiesen.
Nun wurde aus dem Zeugen ein Kläger. Ein Kläger, der seit 2019 keinen direkten Kontakt mehr mit Jatta und Efe Aktas hat, aber nach der Vertragsverlängerung Jattas beim HSV 2019 für jeden weiteren Monat 5997,60 Euro in Rechnung stellt. Brutto.
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HSV: Was jetzt folgt im Beraterzoff um Jattas Geld
Im Besprechungsraum von Anwalt Bliwier in Winterhude sitzen Jatta, schwarzes T-Shirt, und Efe Aktas, weißes Hemd, und schütteln synchron die Köpfe. Jatta, der am Montag aus seinem Heimaturlaub zurückkam und nach seiner schweren Verletzung (Muskelbündelriss) bald wieder mit dem Lauftraining beginnen will, spricht nicht viel – macht aber auch mit wenigen Worten deutlich, was er von Mahmut Aktas Forderungen hält. Efe Aktas spricht dagegen viel – und macht dabei genauso deutlich, was er von all dem hält: nämlich nichts. Oder wie es Anwalt Bliwier in nur einem Satz sagt: „Ich gehe davon aus, dass die Klage abgewiesen wird.“
Das wird man voraussichtlich am 7. September erfahren, wenn der nächste Gerichtstermin anberaumt ist. Bis dahin haben beide Parteien Zeit, sich außergerichtlich zu einigen, was allerdings sämtliche Beteiligte für ausgeschlossen halten. Sollte die Klage von Mahmut Aktas, der für seine Forderungen beweispflichtig ist, am 7. September stattgegeben werden, dürfte es voraussichtlich am 28. September vor dem Landgericht weitergehen.
Als Beweismittel sollen dann Screenshots von Chatverläufen, Mailverkehr und Trainingspläne dienen. Dazu rund 500 Handy-Fotos. Jatta beim Training, Jatta in der Soccerhalle, Jatta zu Hause. Es sind Fotos, die möglicherweise darüber entscheiden, ob Mahmut Aktas auch im Big Business Profifußball ganz oben ankommt. Oder ob der Ausflug in die lukrative Glitzerwelt genauso schnell wieder beendet ist wie der Ausflug auf die Dachterrasse im achten Stock.