Hamburg. Auf der Mitgliederversammlung sorgen Berichte von Vorstand und Präsidium für Spannung. Warum ein Ex-Präsident wohl fehlen wird.
Jürgen Hunke hatte sich für den heutigen Mittwochabend einiges vorgenommen. Der frühere Präsident und Aufsichtsrat des HSV wollte sich schick machen, um 18 Uhr zur Mitgliederversammlung des HSV e.V. in die q.beyond Arena kommen und vom Rednerpult aus gleich drei Anträge vorstellen. „Ich hätte gerne das Wort ergriffen“, sagt Hunke am Tag vor der Mitgliederversammlung. Hätte. Konjunktiv. Denn aller Voraussicht nach wird der frühere Multifunktionär statt im Hellgrundweg 50 an diesem Mittwochabend in seinem Exil am Timmendorfer Strand sein. Der Grund: Corona.
„Ich habe eine kleine Resthoffnung, dass ich doch noch rechtzeitig gesund werde. Zu bereden würde es auf der Mitgliederversammlung jedenfalls mehr als genug geben“, sagt der 79-Jährige, der mit drei die meisten aller Anträge gestellt hat.
HSV News: Unruhe vor der Mitgliederversammlung
Hunke will – mal wieder – festschreiben lassen, dass sich der HSV mit möglichen weiteren Anteilsverkäufen frühestens nach einem Aufstieg in die Bundesliga beschäftigt, er will einen besseren Schutz der Daten von Mitgliedern, und er möchte, dass sich eine Kommission mit der Satzung auseinandersetzt. Vor allem will er aber, dass er endlich mal wieder ein gutes Gefühl bei der Führung der HSV AG bekommt: „Der HSV, mein HSV, hat ein Glaubwürdigkeitsproblem“, sagt er.
HSV – wir müssen reden! Und Hunke ist nicht der Einzige, der das so sieht. Deswegen werden bei der Mitgliederversammlung des HSV e.V. besonders die Berichte der Vorstände der HSV AG mit Spannung erwartet – genauso wie natürlich auch Marcell Jansens Präsidiumsbericht. Längst hat sich auch unter den Mitgliedern herumgesprochen, dass es in der Führung des HSV knirscht. „Der HSV braucht Veränderung 2.0“, überschreibt auch die organisierte Fanszene „Unser HSV“ einen öffentlichen Brief, den sie in dieser Woche online verbreitete.
Faninitiative kritisiert Rolle des Expertengremiums
„Um beim HSV den Veränderungsprozess seit der letzten Mitgliederversammlung genauer einzuschätzen, fehlt an manchen Stellen die Transparenz“, schreiben die Fans. Und weiter: „Viele der geplanten Maßnahmen, Neuordnungen und Prozesse bleiben bisher offen.“ So kritisiert die Faninitiative die von Präsident Jansen angekündigte Rolle des Expertengremiums, das bislang erst einmal getagt haben soll.
Auch die Neuordnung des Aufsichtsrats seit der letzten Mitgliederversammlung wird kritisch gesehen: „Wir erinnern uns, dass sich das Präsidium auf der letzten Mitgliederversammlung dafür aussprach, im AG-Aufsichtsrat alle relevanten Kompetenzen und Interessen (zum Beispiel Finanzen, Marketing, Recht, Nachhaltigkeit und vor allem aber Fankultur) abzudecken. Welche Kompetenzen im Einzelnen durch wen abgedeckt werden und an welchen Stellen diese grundsätzlich gute Idee noch nicht umgesetzt wurde, können wir mangels Unterlagen zu ,Vereint 2025’ nicht endgültig bewerten. (...) Trotzdem stellen wir gegenwärtig fest, dass die angekündigte Kompetenz Fankultur weiterhin im Aufsichtsrat nicht abgedeckt wird.“
Detlef Dinsel soll in Aufsichtsrat einziehen
Ein Kritikpunkt, den das Präsidium so nicht stehen lassen will. Im Bericht an diesem Mittwochabend will Präsident Jansen explizit auf die Struktur des Aufsichtsrats eingehen. Er selbst lobt die „diskrete und vertrauliche Arbeit im Sinne des HSV“ und die Stärkung der Bereiche „Finanzen und Wirtschaft“. Nach Abendblatt-Informationen ist allerdings – anders als angekündigt – kein Vertreter mehr mit dem Bereich Fankultur für das Kontrollgremium vorgesehen. Stattdessen soll zeitnah nach der Mitgliederversammlung Unternehmer Detlef Dinsel in den Aufsichtsrat einziehen.
Der Investor verhandelt zudem mit Milliardär Klaus-Michael Kühne über einen Kauf eines Teils von dessen Anteilen. Dass der Handel mit HSV-Anteilen die Mitglieder weiter stark beschäftigt, kann man auch anhand der eingereichten Anträge erkennen. So plädiert Rainer Ferslev, der vor Jahren an einer Bewerbung als HSV-Präsident scheiterte, für eine Umwandlung der Rechtsform in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien nach dem Vorbild von Borussia Dortmund.
Brisanz des Themas ist Jansen bewusst
„Im Ausgangspunkt müssen wir erkennen, dass die Ausgliederung des Profispielbetriebes in die HSV Fußball AG gescheitert ist“, schreibt Ferslev in seiner Begründung. Und weiter: „Die finanziellen Mittel können wir uns nur im Rahmen einer Umwandlung der HSV Fußball AG in eine HSV Fußball KGaA mit anschließendem Börsengang beschaffen (...).“
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Jansen weiß um die Brisanz des Themas, will aber auf der Mitgliederversammlung zunächst einmal darauf hinweisen, eine Arbeitsgruppe zur Recherche von Rechtsformen unter Beteiligung von Antragsstellern gebildet zu haben. Dem Chefkontrolleur und Präsident in Personalunion ist auch wichtig, dass er mit Vorstand Thomas Wüstefeld und voraussichtlich mit Dinsel neue Gesellschafter aus der Hamburger Wirtschaft akquiriert habe. Somit sei die „finanzielle Handlungsfähigkeit trotz der Pandemie“ gewährleistet.
HSV News: „Mein Bauchgefühl ist kein gutes“
Ex-Aufsichtsratskollege Hunke bleibt trotzdem skeptisch. „Mein Bauchgefühl ist kein gutes“, sagt er. Immerhin: Für den Bauch des früheren Aufsichtsrats wäre gesorgt, sollte er doch noch rechtzeitig zur Versammlung wieder negativ werden. Zwar gibt es nicht die obligatorische Erbsensuppe, dafür aber Kartoffelsalat mit Würtchen. Und sogar vegetarische Würstchen sind im Angebot.
Ärmelsponsor Popp Feinkost hat bis 2024 verlängert. Der Partner soll dem HSV rund 750.000 Euro jährlich bringen.