Hamburg. Vorstand Wüstefeld steht vor der Vertragsverlängerung. Seinen Platz im HSV-Aufsichtsrat will Investor Dinsel übernehmen.

Es wurde laut am Mittwochabend im Volksparkstadion. Richtig laut. HSV-Vorstand Thomas Wüstefeld konnte die Bässe aus der Arena bis zum Haus in Nienstedten hören. Rammstein hatten ihr zweites Konzert innerhalb von zwei Tagen gespielt. Und die Zuschauer ganz nebenbei den Rasen ramponiert. Der HSV muss also wieder rund 100.000 Euro zahlen, um Trainer Tim Walter zur neuen Saison ein ordentliches Geläuf zur Verfügung zu stellen. Kosten, die Wüstefeld eingeplant hat. Schließlich bringen dem Club die Veranstaltungen im Volkspark nach der Corona-Pause wieder wichtige Einnahmen in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro.

Etwas lauter könnte es auch am kommenden Mittwoch im Volkspark werden, wenn Wüstefeld auf der Mitgliederversammlung des HSV e. V. nebenan in der q.beyond Arena Stellung zur finanziellen und atmosphärischen Situation der HSV Fußball AG nimmt. Die gute Nachricht: Der Club wird das am 30. Juni ablaufende Geschäftsjahr nach Abendblatt-Informationen mit einem besseren Ergebnis abschließen als vor einem Jahr (4,7 Millionen Euro minus). Im Winter hatte der HSV vor Wüstefelds Wechsel vom Aufsichtsrat in den Vorstand noch mit einem zweistelligen Fehlbetrag kalkuliert.

HSV-Stadion: Diese Arbeiten stehen im Volkspark an

Die schlechte Nachricht: Die wirtschaftliche Lage des HSV bleibt angespannt. Insbesondere wegen der – unabhängig von der EM 2024 – notwendigen Sanierung des Volksparkstadions. Die Beschallungsanlage funktioniert zwar noch. Doch auch sie ist wie viele andere Bereiche (zum Beispiel die Sanitäranlagen) sanierungsbedürftig. Intern rechnet man mit einer Million Euro für Beschallung und zehn Millionen für Sanitär.

Dazu kommt: Die Dachmembran wird mit mindestens acht Millionen Euro veranschlagt, das Flutlicht mit einer Million Euro, Anzeigetafeln mit zwei Millionen, Klimaanlagen mit 1,5 Millionen. Die fünf Spiele bei der EM bringen aber auch Geld: insgesamt fünf Millionen Euro. Welche der aufgeführten Arbeiten für die EM zwingend notwendig sind, will der HSV am Freitag in einer Woche bei einem Treffen mit der Uefa und der Stadt klären.

Investor Dinsel vor Einstieg beim HSV

Eine weitere Woche später wird es im Volkspark nicht ganz so laut wie am Mittwoch, dafür aber spannend. Anfang Juli ist die nächste Aufsichtsratssitzung des HSV. Dann wird Wüstefeld den Kontrolleuren sein neues Modell für das kommende Geschäftsjahr vorstellen. Im Abendblatt hatte der 53-Jährige schon vor fünf Wochen neue Projekte mit strategischen Partnern angekündigt, die „es so im Volkspark noch nicht gibt“.

Der HSV steht vor einem Engagement mit Investor Detlef Dinsel (61).
Der HSV steht vor einem Engagement mit Investor Detlef Dinsel (61). © IK Partners

Bislang blieb es bei der Ankündigung. Doch das wird sich nach der Aufsichtsratssitzung ändern. Wie das Abendblatt erfuhr, steht mit Detlef Dinsel der nächste Investor vor einem doppelten Einstieg beim HSV – als Aufsichtsrat und als Anteilseigner. HSV-Aufsichtsratschef Marcell Jansen ist mit dem Stuttgarter, der seit 25 Jahren in Hamburg lebt und arbeitet, bereits seit März 2021 in Gesprächen.

Wird Dinsel HSV-Aufsichtsratschef?

Mittlerweile ist man über den Status des Austauschs hinaus. So ist intern beschlossen, dass Dinsel, von 2015 bis 2021 Gesellschafter und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender beim FC Augsburg, noch in diesem Sommer in das HSV-Kontrollgremium rückt. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten.

  • Erstens: Wüstefeld, dessen Mandat ruht, wird wie geplant zum bezahlten Vorstand befördert und unterschreibt einen (dem Vernehmen nach ausgehandelten) Dreijahresvertrag. Sein frei werdendes Mandat würde Dinsel übernehmen.
  • Nummer zwei: Auf der Hauptversammlung könnte Jansen als Vertreter des Hauptgesellschafters (HSV e. V.) das Gremium um eine Person aufstocken. Auch so wäre der Weg für Dinsel frei.

Dinsel-Deal: Schenkt Kühne dem HSV Geld?

Doch das soll es nicht gewesen sein. Denn ähnlich wie Wüstefeld, der im vergangenen Jahr 5,11 Prozent der AG-Anteile von der Kühne Holding übernommen hat, will auch Dinsel in ähnlicher Höhe einsteigen. Die Idee: Ein Großteil des Geldes, das Klaus-Michael Kühne mit dem Verkauf einnimmt, soll er dem HSV für Spielerkäufe zur Verfügung stellen. Ähnlich hatte es Kühne auch im Fall von Wüstefeld gemacht, als er nach dem abgeschlossenen Anteilsdeal für ein Jahr die Namensrechte am Stadion neu erworben hatte. Weder Kühne noch Dinsel, die sich mehrfach getroffen haben, wollten sich auf Nachfrage zu dem bevorstehenden Anteils- und Aufsichtsratsdeal äußern.

Klar ist aber, dass Dinsel in Wüstefelds Plänen, den HSV finanziell zu stabilisieren, eine Hauptrolle übernehmen soll. Der Interimsvorstand, der durch den Aufsichtsrat um Jansen bald zum hauptamtlichen Vorstand befördert werden will, hat als Ziel für das kommende Geschäftsjahr eine schwarze Null ausgegeben. „Veränderungen sind zwingend notwendig, wenn wir nach zehn Jahren roter Zahlen auch mal wieder schwarze schreiben wollen und nach fünf Jahren Zweiter Liga auch wieder in die Erstklassigkeit zurückkehren möchten“, sagte Wüstefeld am Donnerstag in einem Interview auf hsv.de.

HSV-Mitarbeiter vor dem Aus? Es hakt am Detail

So gesehen war man auf der Geschäftsstelle auch nicht über den „Sport Bild“-Artikel „Spar-Hammer beim HSV“ überrascht, in dem ein üppiger Stellenabbau angekündigt wurde. Sehr überrascht war man allerdings von den konkreten Zahlen, die in dem Artikel genannt wurden. So wurde zum einen von 500 Mitarbeitern geschrieben, zum anderen davon, dass allein die Medienarbeit des HSV 2,4 Millionen Euro kosten würde.

Tatsächlich hat der HSV aktuell knapp 300 Mitarbeiter unter Vertrag, wovon ein Großteil im Nachwuchs tätig ist. Denn: Sämtliche Jugendspieler (sowie Betreuer und Trainer) von U 21 bis U 16 sind hier eingerechnet – genauso wie die Profiabteilung mit dem entsprechenden Betreuerstab. Sollten also tatsächlich 125 Stellen gestrichen werden, wie es in der „Sport Bild“ geschrieben wurde, wären am Ende kaum noch Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle übrig.

Diese hat Wüstefeld bereits umstrukturiert. Am Donnerstag gab er die drei neuen Leiter der Business Units bekannt: Eric Huwer (Finance & Operations), Cornelius Göbel (Brand, Culture & Digital) und Marieke Patyna (Strategy, People & Sustainability). Zudem verkündete er eine neue Partnerschaft mit Shell. Die Verträge mit den Partnern Popp und Coca-Cola sollen zeitnah verlängert werden. Nun hofft Wüstefeld, dass es nach den lauten Tagen im Volkspark endlich etwas ruhiger wird.