Hamburg. Durch die offenen Fragen in der Führung des HSV verliert der Club Zeit bei der Suche nach Neuzugängen. Der Vorstand ist jetzt gefordert.

Für die HSV-Spieler ging es in den vergangenen Tagen nach und nach in den Urlaub. Miro Muheim reist mit seiner Freundin gerade durch Süditalien, Tim Leibold genießt die Sonne auf Mallorca, auch Ludovit Reis wurde von seiner Partnerin am Meer fotografiert. Schließlich haben die HSV-Profis nicht viel Zeit zur Erholung. Die Hamburger starten zwar am 18. Juni so spät wie kein anderer Zweitligist in die Vorbereitung, dafür war für die Hamburger neben Aufsteiger 1. FC Kaiserslautern die Saison aber auch so lang wie für keinen anderen Club.

Während die Mannschaft ihren Urlaub genießt, geht es im Volkspark in den kommenden drei Wochen darum, zu planen, welche Spieler beim Trainingsauftakt dabei sind. Doch bevor diese Fragen beantwortet werden, müssen die Verantwortlichen des HSV zunächst einmal klären, wer diese Planung denn vorantreiben soll. Drei Tage nach der Saisonanalyse auf der Aufsichtsratssitzung ist die künftige Kon­stellation weiterhin offen. Sportvorstand Jonas Boldt hatte dem Gremium seine Aufarbeitung präsentiert, sein Kollege Thomas Wüstefeld wiederum die wirtschaftliche Lage erläutert.

HSV: Weitere Aufsichtsratssitzung soll zeitnah angesetzt werden

Im nächsten Schritt müssen sich Boldt und Wüstefeld nun auf einen gemeinsamen Fahrplan für die kommende Saison einigen. Erst auf einer weiteren Aufsichtsratssitzung, die zeitnah erfolgen soll, wird dann die Entscheidung fallen, ob und wie es in der aktuellen Konstellation weitergeht. Bis dahin will sich der Aufsichtsrat mit seinem Vorsitzenden Marcell Jansen öffentlich zurückhalten. Wüstefeld kann auf Jansens Rückhalt bauen, schließlich hatte dieser ihn zum HSV geholt. Es wird also vor allem auch an Boldt selbst liegen, ob er mit Wüstefeld eine gemeinsame Basis findet.

Dass die beiden Vorstände bislang nicht auf einer Wellenlänge funkten, hatte das Abendblatt exklusiv berichtet. Die „Bild“ schrieb nun, dass auch das Verhältnis zwischen Boldt und Sportdirektor Michael Mutzel belastet sein soll. Dem Bericht zufolge wird Mutzel intern vorgeworfen, er habe sich auf die Seite von Jansen und Wüstefeld ziehen lassen und sich vor Wochen von Trainer Tim Walter abgewandt. Mutzel selbst dementiert diese Darstellung genauso wie Jansen. Äußern wollten sich beide auf Abendblatt-Nachfrage aber nicht.

Hat Sportdirektor Mutzel noch eine Zukunft beim HSV?

Mutzel soll über den „Bild“-Bericht, in dem sogar sein möglicher Rauswurf thematisiert wurde, jedoch äußerst irritiert gewesen sein. Der ehemalige Profi versteht es neben der Kaderplanung grundsätzlich als seine Aufgabe, den Trainer immer wieder auch auf inhaltliche Dinge hinzuweisen, die er kritisch sieht. Walter soll diesen Rückmeldungen offen gegenüberstehen. Auffällig war zuletzt aber auch, dass sich Walter in der erfolgreichen Phase zum Saisonende immer wieder für den Rückhalt von Boldt bedankte.

Boldt wiederum weiß auch, was er an Mutzel hat. Der Sportdirektor nimmt seit zwei Jahren nahezu alle Planungen auf dem Transfermarkt und im Kader alleine vor. Boldt segnet die Entscheidungen in der Regel nur noch ab. Aus dem aktuellen Kader war Boldt noch an den Transfers von Sonny Kittel und Tim Leibold vor drei Jahren aktiv beteiligt. Der Rest der Mannschaft geht vor allem auf die Arbeit von Mutzel zurück.

Auch die anstehende Transferperiode hat der 42-Jährige vorbereitet. Nun geht es darum, die Planungen umzusetzen. Doch das geht erst, wenn sich der Vorstand auf eine klare Strategie verständigt hat. „Wir haben die Schublade voller Ideen. Aber alles, was die Zukunft angeht, liegt nicht final in meinen Händen. Viel Zeit sollten wir nicht verstreichen lassen“, sagte Boldt nach der verlorenen Relegation gegen Hertha BSC.

HSV verliert Zeit auf dem Transfermarkt

Der HSV verliert durch die offenen Fragen wichtige Zeit. Bei potenziellen Neuzugängen muss der Club jetzt eigentlich schnell handeln. Die vorbereitete Liste mit Namen ist lang. Nach Abendblatt-Informationen steht auch U-21-Nationalspieler Ransford Königsdörffer auf dieser Liste. Nach dem Abstieg von Dynamo Dresden in die Dritte Liga dürfte der Stürmer auf einen Wechsel drängen. Aber nicht nur der HSV beschäftigt sich mit dem 20-Jährigen, der als zweite Spitze neben Robert Glatzel spielen könnte. Auch der 1. FC Köln gilt als Interessent. Königsdörffer, der in Dresden noch bis 2023 unter Vertrag steht, soll rund eine Million Euro Ablöse kosten.

Für den HSV wäre es vorteilhaft, wenn er schnell Klarheit schafft über die Kon­stellation in der Führung. Mit den Spielerberatern von potenziellen Neuzugängen führt Mutzel aktuell die Gespräche. Das gilt auch für die Spieler, die den HSV verlassen wollen. Ein Verkauf von Josha Vagnoman (21) gilt als sicher. Der Außenverteidiger spielt in der kommenden Woche in der EM-Qualifikation der deutschen U-21-Auswahl gegen Ungarn (3. Juni) und in Polen (6. Juni). Auf der Position des Rechtsverteidigers ist Vagnoman gesetzt. Er kann sich dann noch einmal in den Fokus spielen. Vagnoman strebt einen Wechsel in die Bundesliga an und könnte dem HSV rund sieben Millionen Euro einbringen. Bis Ende Juni soll Klarheit herrschen.

Das Gleiche gilt für Innenverteidiger Jonas David (22), der sich zu einem anderen Zweitligisten verleihen lassen will. Sollte ein Wechsel zustande kommen, könnte Valon Zumberi (19) aus der U21 in der Vorbereitung als vierter Innenverteidiger nach Sebastian Schonlau, Mario Vuskovic und Stephan Ambrosius mit dabei sein. Mittelfeldtalent Elijah Krahn (18) wird den Start wegen einer Syndesmosebandverletzung, die er sich bei der U-19-Nationalmannschaft zugezogen hat, verpassen. Genauso wie Anssi Suhonen (21), der nach seinem Wadenbeinbruch voraussichtlich vier Monate fehlen wird.

Klären muss der HSV darüber hinaus auch die Zukunft von Spielern wie David Kinsombi oder Sonny Kittel, die nur noch ein Jahr Vertragslaufzeit haben. Fragen gibt es viele im Volkspark, Antworten müssen so schnell wie möglich folgen.