Hamburg. Kapitän Schonlau macht sich für Trainer Walter stark, der jetzt schon ein Gewinner ist. Der HSV glaubt an einen Sieg gegen Hertha.
Felix Magath hatte es geahnt. Bereits vor etwas mehr als einer Woche prognostizierte der Trainer von Hertha BSC eine Relegation gegen den HSV. „Das war mein Gefühl von Anfang an. Je näher man dahin kommt, desto deutlicher wird diese Partie“, sagte Magath unmittelbar nach Herthas Niederlage zu Hause gegen Mainz 05. Er sollte recht behalten.
Neun Tage später hat der frühere HSV-Star Gewissheit über die beiden Endspiele gegen seinen Ex-Club um den letzten noch zu vergebenden Platz in der Bundesliga. „Der HSV, das steht doch vollkommen außer Frage, ist der größte Abschnitt meines Fußballer-Lebens. Aber das spielt für diese beiden Begegnungen überhaupt keine Rolle! Es geht nach wie vor nicht um mich oder meine Vergangenheit mit dem HSV. Es geht einzig und allein um Hertha BSC – um den Klassenerhalt“, sagte Magath dem „Kicker“. Es war ein netter Versuch, die Aufmerksamkeit von seiner HSV-Vergangenheit zu lenken. Ein Versuch, der scheiterte.
Der 68-Jährige hatte von 1976 bis 1986 beim HSV gespielt und den Europapokal der Landesmeister (1983), den Europapokal der Pokalsieger (1977) sowie drei Meistertitel (1979, 1982, 1983) gewonnen. Nun will es die Geschichte so, dass Magath an den Ort seiner größten Erfolge als Spieler zurückkehrt – diesmal allerdings als Gegner.
Vor Relegation: HSV jubelt, Hertha weint
Die Aufgabe mit der Hertha hatte der erfahrene Coach schon vor Wochen als die härteste in seiner Laufbahn bezeichnet. Tatsächlich steht Magath vor der Herkulesaufgabe, eine am Boden liegende Mannschaft für zwei richtungweisende Spiele wieder aufzurichten. Nach dem Abpfiff am letzten Bundesligaspieltag in Dortmund (1:2) weinten einige Hertha-Profis, als wäre der Abstieg bereits beschlossen.
24 Stunden später waren beim zweiten Relegationsteilnehmer komplett gegensätzliche Bilder zu sehen. Der HSV jubelte, strotzte nur so vor Aufstiegsenergie und feierte den hart erkämpften 3:2-Erfolg in Rostock emotional. Relegation kann also auch etwas Schönes sein, muss sich Magaths schottischer Co-Trainer Mark Fotheringham, der im Ostseestadion auf der Tribüne saß, gedacht haben.
Was Fotheringham zu sehen bekam, war eine Hamburger Mannschaft, die zwar die erste Halbzeit herschenkte, danach aber entgegen aller Widerstände um ihre Aufstiegschance kämpfte – und sich schließlich mit drei Toren nach der Pause belohnte. „Der Trainer predigt jeden Tag, dass wir die Gier haben und mutig sein sollen. Das Ergebnis sieht man auf dem Platz. Wir setzen diesen Gedanken mehr und mehr um“, sagte Kapitän Sebastian Schonlau am Tag danach.
HSV-Kapitän macht sich für Walter stark
Rund 20 Stunden zuvor hatte der Innenverteidiger sein Team in der Schlussphase mit 2:1 in Führung geköpft. Zu diesem Zeitpunkt waren die Spekulationen in den sozialen Netzwerken um die Zukunft von Trainer Tim Walter bereits wieder in vollem Gange. Doch nach dem Einzug in die Relegation, dem fünften Sieg in Folge, dürften sich etwaige Gedankenspiele vorerst erledigt haben.
„Ich denke jetzt noch nicht ans Ende, so viel steht fest“, warb Schonlau für eine weitere Zusammenarbeit mit seinem Coach. „Das geht auch der gesamten Mannschaft so. Wir sind super happy mit dem gesamten Trainerteam und hoffen, dass diese Konstellation noch möglichst lange bestehen bleibt. Ich bin sicher, er ist noch eine ganze Weile hier und das ist auch gut so.“
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Es ist ein klares Bekenntnis von der Mannschaft für Tim Walter. Der in den vergangenen Wochen viel diskutierte Trainer hat seinen Verbleib ohnehin in der eigenen Hand. Dafür muss er nicht weniger tun, als eine erfolgreiche Relegation zu spielen. Denn wer entlässt schon einen Aufstiegstrainer?
HSV psychologisch im Vorteil gegen Magath
Die Chancen auf einen Erfolg stehen gar nicht mal so schlecht. Zumindest psychologisch hat der HSV einen klaren Vorteil gegenüber der weinenden Hertha. Während die Berliner in den zurückliegenden Wochen mehrere Matchbälle nach späten Gegentoren vergaben und am Sonnabend bis zur 91. Minute in Stuttgart noch gerettet schienen, holte der HSV seit dem 29. Spieltag sieben Punkte auf den Relegationsplatz auf. Das gab es noch nie in der Zweitligageschichte. Entsprechend unterschiedlich fällt die Stimmung in beiden Lagern aus.
„Sicherlich können wir mit einer breiten Brust auftreten“, kündigt Schonlau selbstbewusst an. „Wir wollen die Spiele gewinnen, haben richtig Bock. Hertha ist der Erstligist und unter Druck, wir können befreit aufspielen.“
Um den psychologischen Vorteil ist sich auch der Verteidiger bewusst. Nun will er daraus Profit schlagen. „Wir sind oben auf, haben fünfmal in Folge gewonnen. Bei Hertha ist es wahrscheinlich das komplette Gegenteil. Berlin hat etwas zu verlieren, und wir haben etwas zu gewinnen. Das sollte in unsere Köpfe rein“, fordert Schonlau. „Wir können etwas Großartiges schaffen, das für die Stadt und den Verein unfassbar wäre. Und genauso werden wir es angehen.“
HSV-Boss Boldt sieht Vorteil gegen Hertha
Klare Worte vom Kapitän, die Sportvorstand Jonas Boldt unterstützt. „Die Euphorie ist definitiv auf unserer Seite. Das merkt man in der Stadt und in unserem Umfeld. Es herrscht Vorfreude“, sagte der Manager. Favorit auf dem Papier sei trotzdem der Erstligist, also die Hertha. Ob das Felix Magath auch so sieht?