Rostock. Was für ein Drama! Lange Zeit sah es so aus, als würde der HSV wieder Vierter werden. Die Fans erleben ein Wechselbad der Gefühle.
Die letzten Minuten im Ostseestadion verfolgten die mitgereisten HSV-Fans bibbernd und Nägel kauend im Gästeblock. Die mehr als 3000 Anhänger zitterten den Abpfiff herbei – und sollten schließlich um 17.25 Uhr von Schiedsrichter Felix Brych erlöst werden. Der HSV hat nach einer schwachen ersten Halbzeit die Partie bei Hansa Rostock gedreht und sich durch den 3:2 (0:1)-Erfolg bei Hansa Rostock für die Relegation qualifiziert. Dass Verfolger Darmstadt 700 Kilometer weiter südwestlich gegen den SC Paderborn ein Feuerwerk abbrannte und 3:0 gewann, hatte dadurch keine Bedeutung.
„Was meine Mannschaft abgeliefert hat, war grandios“, freute sich Trainer Tim Walter. „Das Spiel stand sinnbildlich für den neuen HSV. Wir sind mutig und kommen immer wieder zurück. Jetzt haben wir zwei Bonusspiele, in denen wir uns noch mehr belohnen wollen. Wir wollen das Ding rocken!“ Robert Glatzel ergänzte: „Ich fahre nach Berlin, um aufzusteigen, das ist ganz klar.“
HSV feiert Comeback in Rostock
„Das war phänomenal!“, feierte Kapitän Sebastian Schonlau, der das 2:1 erzielte. „Wir machen es immer ein bisschen spannend, aber es gibt nicht viel Schöneres, als so ein Spiel zu gewinnen. Wir haben immer an uns geglaubt und es ist schön, jetzt daraus die Lorbeeren zu ernten. Das Gefühl nach meinem Tor werde ich nicht vergessen.“
Auch Glatzel und Mikkel Kaufmann durften über Tore jubeln. „Wir haben uns in der Halbzeit angeguckt und uns gesagt, dass diese Leistung nicht reichen würde. In der zweiten Hälfte haben wir es viel besser gemacht und uns den Sieg verdient. Mein Treffer – das war das beste Gefühl“, sagte der Däne.
„Wir haben jetzt zwei Pokalspiele. Und dass wir den Pokal in dieser Saison annehmen, haben wir bereits gezeigt“, sagte Sportvorstand Jonas Boldt in Anspielung an den diesjährigen Einzug ins Pokalhalbfinale.
HSV trifft in der Relegation auf Magath
Der Traum von der Rückkehr in die Bundesliga lebt für den HSV. Nun geht es am Donnerstag (19. Mai) und am darauffolgenden Montag (23. Mai) in der Relegation gegen Felix Magath und Hertha BSC um den letzten noch zu vergebenden Platz im Fußball-Oberhaus. „Berlin! Berlin! Wir fahren nach Berlin!“, skandierten die HSV-Fans in Rostock, deren ICE bei der Anreise von Vermummten mit Steinen beworfen worden war.
Direkt aufgestiegen ist im Übrigen Nordrivale Werder Bremen, der zu Hause souverän 2:0 gegen Jahn Regensburg gewann. Zweitligameister wurde Schalke 04 nach einem 2:1-Erfolg beim 1. FC Nürnberg.
Wie sich der HSV in Rostock zurückkämpfte
HSV mit schlechtem Start in Rostock
Lange Zeit sah es allerdings nicht danach aus, dass der HSV Dritter würde. Zunächst war den Hamburgern die Leichtigkeit der vergangenen Wochen abhandengekommen. Rostock machte mächtig Druck und traf schon nach wenigen Sekunden die Latte durch den Kopfball von Lukas Fröde (2.). Elf Minuten später konnte dann auch das Aluminium dem HSV nicht mehr helfen, als sich Kapitän Sebastian Schonlau von Hansas Danylo Sikan überlaufen ließ und Nico Neidhart im Zentrum nur noch einschieben musste (13.).
Riesiger Jubel im Ostseestadion, Ernüchterung im Gästeblock. Zumal eine Antwort des HSV lange Zeit ausblieb. Es folgten ganz schwache rund 30 Minuten bis zum Halbzeitpfiff, in denen Rostock die klar bessere Mannschaft war, aber das zweite Tor verpasste. Torhüter Daniel Heuer Fernandes hielt seine Mannschaft mit mehreren Paraden im Spiel, Bakery Jatta musste einmal auf der Torlinie klären (20.). Fast jeder Angriff der Gastgeber war gefährlich. Die HSV-Defensive fand kaum Mittel gegen Hansas Offensivaktionen.
Tabellenspitze der 2. Bundesliga
1. Heidenheim 34 / 67:36 / 67
2. Darmstadt 98 34 / 50:33 / 67
3. HSV 34 / 70:45 / 66
4. Düsseldorf 34 / 60:43 / 58
5. FC St. Pauli 34 / 55:39 / 58
Vor dem Gegentor vergab Innenverteidiger Mario Vuskovic per Kopf noch die beste Chance für den HSV (11.). Auch sein Partner im Abwehrzentrum, Sebastian Schonlau, versuchte es kurz vor der Pause mit einem Kopfball (43.). Doch insgesamt war das einfach viel zu harmlos. „Das ist aber ein bisschen zu wenig ...“, twitterte Ex-HSV-Stürmer Sergej Barbarez zur Pause.
HSV dreht nach der Pause auf in Rostock
Als hätten sich seine Nachfolger seinen Kommentar zu Herzen genommen, zeigten die Hamburger nach dem Seitenwechsel plötzlich eine ganz andere Körpersprache – und erzielten den Ausgleich. Verteidiger Vuskovic flankte butterweich auf Torjäger Robert Glatzel, der per Aufsetzer zum 1:1 traf (50.).
Im Gästeblock war der Glaube an die Relegation nun wieder zu spüren. Allerdings freuten sich die HSV-Fans etwas zu ausgelassen und mit viel verbotener Pyrotechnik. Nach einer kurzen Spielunterbrechung ging es weiter. Der HSV hatte nun noch mehr als 40 Minuten Zeit für den erlösenden Treffer.
HSV macht die Relegation klar
Fast hätte es nur 13 weitere Minuten dafür gebraucht, doch Sonny Kittel vergab die Großchance aus kurzer Distanz (63.). Den entscheidenden Moment überließ der Spielmacher stattdessen seinem Kapitän: Nach 75 Minuten schraubte sich Schonlau hoch und köpfte ein ins linke Eck zum 2:1 für den HSV.
Jetzt hatte sich die Stimmung im Gästeblock endgültig gedreht. Feuchtfröhlich wurde die Führung gefeiert und die eigene Mannschaft bejubelt. Als dann auch noch der eingewechselte Mikkel Kaufmann mit einem sehenswerten Schlenzer zum 3:1 alles klar machte (85.), nahm die Party ihren Lauf. Daran konnte auch Rostocks Anschlusstreffer zum 2:3 in der Nachspielzeit durch Fröde (90.+1) nichts mehr ändern.
Ob es für die HSV-Fans auch in der Relegation etwas zu feiern gibt, hängt nun auch von Magaths Hertha ab. Doch das wird auf der Rückreise nach Hamburg für die euphorisierten Gästefans zur Nebensache werden.
Die Aufstellungen:
- Rostock: Kolke – Malone, Fröde, Roßbach – Neidhart (59. Meier), Bahn, Rhein, Rizzuto (40. Schwede) – Ingelsson (76. Omladic) – Sikan (58. Breier), Verhoek (76. Munsy). – Trainer: Härtel
- HSV: Heuer Fernandes – Heyer, Vuskovic, Schonlau, Muheim – Meffert – Reis, Kittel (80. Kaufmann) – Jatta (89. David), Glatzel (89. Wintzheimer), Vagnoman (65. Alidou). – Trainer: Walter
- Tore: 1:0 Nico Neidhart (13.), 1:1 Glatzel (50.), 1:2 Schonlau (75.), 1:3 Kaufmann (85.), 2:3 Fröde (90.+1)
- Schiedsrichter: Dr. Felix Brych (München)
- Zuschauer: 26.150
- Gelbe Karten: Sikan (2), Verhoek (9) – Alidou (3),
- Torschüsse: 12:18; Ecken: 4:9; Ballbesitz: 41:60 Prozent; Zweikämpfe: 135:122