Hamburg. Der HSV hätte selbst bei einem Weiterkommen im DFB-Pokal und der Einnahme von einer Million Euro nicht mehr finanziellen Spielraum.

Tim Walter strahlte über beide Ohren, als er am Sonntag vor die Medienvertreter im Volkspark trat. Bei nasskaltem Nieselwetter scherzte der Trainer des HSV über die nimmermüde Sonne in Andalusien, wo die Hamburger Anfang des Monats ihr Trainingslager absolviert hatten, und die sehenswerten Obstplantagen im Alten Land. Seine gute Laune wirkte bei manchen Reportern sogar ansteckend, was sich fast schon zu positiv auf die Stimmung auswirkte.

Walters Botschaft war klar: Trotz des mauen Auftakts ins neue Jahr beim 1:1 am Freitag in Dresden will er sich die Gesamtentwicklung seiner Mannschaft nicht schlechtreden lassen. Ist also trotz des Abrutschens von den Aufstiegsrängen alles super im Volkspark?

Nicht ganz. Auch dem fröhlichen Walter ist aufgefallen, dass in Dresden nicht alles zu seiner Zufriedenheit funktionierte. Der 46-Jährige vermisste vor allem die für seine Spielweise so wichtigen Positionswechsel. „Wir waren zu statisch, sind zu wenig rotiert und hatten zu wenig Intensität“, sagte der wie gewohnt leicht in die Knie gehende Walter. Dadurch sei es seiner Mannschaft zu selten gelungen, „Dinge aufzureißen“.

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HSV fehlen Alternativen auf dem Flügel

Um den Gegner auseinanderzuziehen, braucht es natürlich nicht immer wild rotierende Spieler, manchmal reicht schon ein tiefer Laufweg. Doch auch davon war in Dresden zu wenig zu sehen, was auch an dem über weite Strecken der Partie fehlenden Bakery Jatta lag. Wegen seiner Corona-Infektion hatte der Gambier nur Kraft für die letzten 25 Minuten, wodurch das größte Problem des HSV deutlich wurde: Der Kader verfügt über zu wenig offensive Außenbahnspieler.

Für das bewährte 4-3-3-System stehen Walter mit Jatta und Faride Alidou gerade einmal zwei Flügelspieler zur Verfügung. Weil es bei Jatta nicht für die Startelf reichte, musste der Coach in Dresden sogar auf ein 4-4-2 mit einer Mittelfeldraute umstellen. Auch wenn es im Kader offensichtlich an Alternativen für die Offensive mangelt und das Transferfenster noch zwei Wochen für mögliche Korrekturen geöffnet ist, gibt sich Walter nach außen hin entspannt.

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Walter kontert HSV-Offensivproblem

Es entspräche auch nicht seinem Credo, sich über Tatsachen zu beklagen, die er ohnehin nur bedingt beeinflussen kann. Stattdessen nimmt der Coach das vorhandene Spielerpersonal in die Pflicht. „Wenn es die Achter besser gemacht hätten, wären sie auf die Flügel ausgewichen“, lautete seine Erklärung für die ungewohnt geringe Gefahr von den Außenbahnen.

Ein Umstand, der auch damit zu erklären ist, dass Überflieger Alidou diesmal im Sturmzentrum statt auf Linksaußen ranmusste. „Faride hätte auch variabler spielen können“, sagte Walter. „Er kennt diese Position noch nicht so gut, dadurch war es für ihn schwer.“

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Schwer fiel es in Dresden auch den Einwechselspielern, für neue Offensivimpulse zu sorgen. Walters Dauerjoker Mikkel Kaufmann blieb auch in seinem 15. Kurzeinsatz einen Beleg schuldig, dass er den HSV qualitativ voranbringen kann. „Er hat Frust, weil er unbedingt das Tor machen will“, verriet Walter. Der Coach bestätigte, dass er den glücklosen Dänen aufbauen müsse, und ergänzte mit einem Lächeln: „Stürmer sind sehr eigenartig.“

HSV: Was ist mit Wintzheimer und Meißner?

Eigenartig ist auch die rückläufige Entwicklung von Manuel Wintzheimer. War der Angreifer in der vergangenen Saison mit 13 Assists noch der beste Vorlagengeber beim HSV, so kommt er unter Walter nicht über die Rolle des Ergänzungsspielers hinaus.

Noch schlechter ist die Situation für Robin Meißner, der zum Ende der vergangenen Saison in allen drei Spielen unter Interimstrainer Horst Hrubesch ein Tor erzielte, inzwischen aber nicht einmal mehr eingewechselt wird. „Die anderen machen es gut“, lautet Walters nüchterne Erklärung. „Sie müssen sich weiterentwickeln.“

Beiden Youngstern würden die Argumente fehlen, weil Hauptkonkurrent, Stürmer Robert Glatzel, bereits zehn Tore geschossen habe. Wintzheimer hat seine Qualitäten allerdings auch schon auf dem Flügel nachgewiesen, wo bekanntlich die Alternativen fehlen. Doch das war eben vor Walters Zeit beim HSV.

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Da es in dieser Woche mit dem Pokal-Achtelfinale und dem Stadtderby am Freitag gegen St. Pauli vor allem an Regenerationszeit mangelt, könnte Walter am Dienstag beim 1. FC Köln (18.30 Uhr/Sky) einigen Reservisten mehr Einsatzzeit als zuletzt gewähren. Am wahrscheinlichsten ist die Hereinnahme von Linksverteidiger Miro Muheim für Jan Gyamerah, der zuletzt verstärkt den Frust seines Trainers zu hören bekam. Damit wäre das fehlende Tempo auf dem Flügel aber noch nicht erhöht. Zumal Jatta weiterhin nicht fit für 90 Minuten plus eine mögliche Verlängerung ist.

HSV-Finanzen immer prekärer

1,004 Millionen Euro brächte der Einzug ins Viertelfinale. Eine unerwartete Einnahme, die dem HSV auf den ersten Blick mehr finanziellen Spielraum für den ersehnten offensiven Neuzugang bescheren würde. Doch nach Abendblatt-Informationen bräuchte der Club das Geld, um fehlende Zuschauereinnahmen zu kompensieren.

Auch in Köln sind wegen der Corona-Auflagen nur 1000 Besucher zugelassen. Normalerweise werden die Ticketeinnahmen im Pokal unter den Clubs aufgeteilt, doch so werden gerade einmal die laufenden Kosten gedeckt. Vor der Pandemie wären für das Duell der beiden Traditionsclubs 50.000 Karten verkauft worden, wodurch der HSV eine sechsstellige Summe sicher gehabt hätte. Diesen Verlust könnten die Hamburger mit einem Sieg am Dienstag zumindest ausgleichen. Dann wäre auch Walters Laune wieder prächtig.