Hamburg. HSV gewinnt zweimal in Folge. Eine Begründung liegt auf der Hand, doch der Schein trügt. Das gibt auch Walter zu. Eine Taktik-Analyse.
Für viele Beobachter des HSV ist die Sache klar. Nach zuletzt zwei überzeugenden Heimsiegen gegen Regensburg (4:1) und Ingolstadt (3:0) hatten einige Experten das vorschnelle Urteil gefällt, der HSV hätte die Taktik von Tim Walter nun besser verinnerlicht als noch im ersten Saisondrittel, als viele Spiele nur unentschieden endeten.
Doch wer bei den zurückliegenden beiden Partien genau hingesehen hat, dem fiel auf, dass eine solche Begründung zu einfach wäre, um jene sechs Punkte und den tabellarischen Sprung auf Platz fünf zu erklären.
- Zum einen trat Regensburg stark ersatzgeschwächt an: Stammtorwart Alexander Meyer sowie die Abwehrspieler Steve Breitkreuz und Benedikt Saller fielen kurzfristig aus – offiziell, weil sie erkältet waren. Die kurzfristigen Umstellungen, die nicht adäquat kompensiert werden konnten, waren dem Jahn in der Defensive anzumerken.
- Im zweiten Spiel erwies sich Ingolstadt als nicht konkurrenzfähig, wahrscheinlich sogar nicht zweitligatauglich. Dabei agierte der HSV phasenweise zu lässig, fast schon sträflich, und ermöglichte dem abgeschlagenen Tabellenletzten einige gute Konterchancen. Doch die Bayern wussten mit dem sich bietenden Raum nur bedingt etwas anzufangen. Insofern darf diese Partie nicht als Gradmesser für die allgemeine Bewertung der Hamburger dienen.
Warum Tim Walter seine HSV-Taktik veränderte
Natürlich wäre es ebenfalls zu einfach, die beiden Siege des HSV mit der Schwäche der Gegner zu begründen. Diese ist aber ein Teil der Erklärung. Um das Puzzle zu vervollständigen, hilft ein Blick auf die leicht veränderte Spielweise. Verwirrte Walters HSV seine Gegner zu Saisonbeginn noch mit permanenten Positionswechseln, in die selbst die Innenverteidiger involviert waren, so war diese taktische Maßnahme zuletzt nur noch selten zu sehen.
Eine Beobachtung, die Walter am Freitag bestätigte, und die er vor allem mit zwei personellen Umstellungen begründete. Die beiden Verletzten, der mitspielende Torhüter Daniel Heuer Fernandes (Kapselprobleme) und Jonas David (Muskelfaserriss), hatten Walters System verinnerlicht wie kaum ein anderer Profi beim HSV. Ihre Vertreter, der weniger gut mitspielende Torwart Marko Johansson und Verteidiger Mario Vuskovic, sind in ihrer Entwicklung dagegen noch nicht so weit, Walters Vorgaben in vollem Umfang zu erfüllen, weshalb der Coach an seiner Taktik justierte.
„Wenn wir andere Spieler als Jonas oder Ferro (Heuer Fernandes; d. Red.) auf dem Platz haben, dann ist das Spiel natürlich ein anderes. Gerade die Jungs, die sie jetzt vertreten, sind erst spät zu uns gestoßen und haben die komplette Vorbereitung nicht mitgemacht. Sie müssen die Positionswechsel erst kennenlernen über die Zeit. Deshalb müssen wir zwangsläufig etwas anders agieren“, sagte Walter, der sofort noch ein „aber“ einstreute. „Das heißt aber nicht, dass wir gewisse Dinge nicht weiter forcieren. Wir versuchen, andere Dinge in unser Spiel miteinfließen zu lassen. Das funktioniert mit der Zeit immer besser, weil wir uns besser kennenlernen.“
Weitere HSV-Berichte:
- Neue Corona-Regeln treffen den HSV finanziell hart
- Wie ein 3:3 in Hannover den HSV bedeutend veränderte
- Wie sehr verändert Neu-Chef Wüstefeld nun den Vorstand?
HSV-Taktik: Walter stabilisierte die Abwehr
Die aktuell positiven Ergebnisse liegen also gar nicht daran, dass die Spieler von der einen auf die andere Woche Walters Spielidee besser verinnerlicht hätten (Zur Erinnerung: Eine Woche vor dem Sieg gegen Regensburg holte der HSV ein ziemlich dürftiges 1:1 beim Karlsruher SC und hätte sogar verlieren können.). Vielmehr hat auch der Coach nach anfänglicher Kritik an der einen oder anderen Stellschraube gedreht, um die Maschine HSV flüssiger zum Laufen zu bringen.
„Wir haben schon die ganze Zeit justiert. Egal in welchem Spiel: Wir haben immer versucht, uns zu verbessern – sowohl in der Defensive als auch in der Offensive“, erklärte Walter, der interessanterweise von sich aus die in den zurückliegenden Wochen besser funktionierende Restverteidigung ansprach, die im ersten Saisondrittel noch eine Schwachstelle war. „Unser System ist sehr abhängig davon, wie wir verteidigen. Ohne Gegenpressing und Restverteidigung funktioniert gar nichts im Fußball. Deshalb haben wir immer versucht, weiter daran zu arbeiten. Wir belohnen uns jetzt vielleicht mehr. Insgesamt ist es eine stetige Entwicklung.“
HSV: Walter setzt weiter auf Vuskovic
Eine Entwicklung, die auch der vor Davids Verletzung kaum eingesetzte Vuskovic weiter gehen darf. Walter deutete an, dass der 20 Jahre alte Kroate erneut von Beginn an auflaufen wird, machte aber zugleich deutlich, dass diese Planspiele eher mit der Genesung seines ein Jahr älteren Rivalen zusammenhängen. „Wir wünschen uns, dass er bald wieder da ist. Es ist wichtig, dass wir ihn langfristig auf dem Platz haben und ihn nicht wegen eines Spiels in die Verletzung treiben“, sagte Walter.
Mit anderen Worten: David sitzt erst einmal auf der Bank, Vuskovic spielt. Und somit wird es erneut weniger Positionswechsel geben als noch an den ersten Spieltagen. Doch das kann sich ja durchaus positiv auf die Ergebnisse auswirken.
Die voraussichtliche Aufstellung des HSV:
- Johansson – Heyer, Vuskovic, Schonlau, Muheim – Meffert – Reis, Kittel – Jatta, Glatzel, Alidou.