Hamburg. Seit 100 Tagen sind Sven Freese und sein Team im Amt. Sie üben Kritik und machen den Verein politischer.
Die Abteilungssitzung am Montagabend war für Sven Freese und sein Team eine besondere. Genau 100 Tage waren der Vorsitzende des Supporters Clubs, sein Stellvertreter Christian Bieberstein sowie die Teammitglieder Kimberly Barcelona, Pascal Hargens und Simon Philipps zu diesem Zeitpunkt im Amt. In der HSV-Kneipe Tankstelle auf dem Kiez trafen sie sich zum monatlichen Gremiumstreffen.
100 Tage nach ihrem Wahlsieg am 17. April machten sie in ihrem Schlusswort der YouTube-Übertragung deutlich, wofür sie stehen: „Still sind wir nicht“, sagte Kimberly Barcelona stellvertretend für die Abteilungsleitung der Supporters, der mit 66.000 Mitgliedern größten Abteilung des HSV e. V. Zwölf Tage vor der Mitgliederversammlung am 7. August im Volksparkstadion stellte sich nicht nur auf der Abteilungssitzung die Frage, wohin sich die Fanszene des HSV entwickelt.
Ist HSV-Fanszene noch dieselbe wie vor Corona?
Rund eineinhalb Jahre nach dem Beginn der Corona-Pandemie und wenige Tage vor dem ersten Heimspiel gegen Dynamo Dresden, bei dem wieder 17.100 Zuschauer im Stadion dabei sein dürfen, herrscht auch bei den Supporters noch die Ungewissheit, ob die Fanszene noch dieselbe ist wie vor Corona.
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Dass zumindest beim HSV in den vergangenen drei Monaten eine Entwicklung zu beobachten ist, hat auch mit Sven Freese und seinem Team zu tun. „Wir hatten es uns auf die Fahne geschrieben, als SC wieder eine höhere Sichtbarkeit zu haben und eine klarere Positionierung zu verschiedenen Themen einzunehmen. Das gefällt nicht jedem, aber dafür sind wir angetreten und gewählt worden“, sagt Freese (42), als er zusammen mit Simon Philipps (32) beim Termin mit dem Abendblatt sitzt und über seine ersten 100 Tage spricht.
Supporters Club meldet sich auffallend häufig zu Wort
Tatsächlich hat sich der Supporters Club zuletzt auffallend häufig zu Wort gemeldet. Statements gegen Homophobie, Rassismus, Sexismus oder auch die Reformen der Uefa waren ebenso dabei wie Unmutsäußerungen über die Ticketvergaberegelung der Stadt Hamburg oder zuletzt ein Hilfeaufruf für die Flutopfer. Mit ihren Botschaften schärfen die Supporters das Bild der gesamten Fanszene.
„Die Gesellschaft ist politischer geworden – und deswegen auch der Fußball. Gerade wenn es um Menschenrechte geht, erwarten Fans von ihrem Verein zunehmend eine klare Haltung – vielleicht nicht alle 66.000 Supporters, aber sehr viele“, sagt Philipps. „Natürlich gibt es auch Menschen, die sich melden und denen das alles zu viel wird. Das war zum Beispiel bei einem Anti-Sexismus-Post der Fall. Dann schauen wir, ob wir mit den Menschen reden können – und dann reden wir.“
HSV-Supporters beschäftigt Zuschauerrückkehr
Neben dem „Mitmach-HSV“, der Beteiligung der Mitglieder an Vereinsthemen, beschäftigt die Supporters vor allem die Zuschauerrückkehr. Gegen Dresden darf der HSV erstmals wieder vor größerer Kulisse spielen. 15.000 Karten sind schon verkauft. Die Ultra-Gruppen verzichten unter den aktuellen Umständen allerdings noch auf den geschlossenen Stadionbesuch.
Eine Abkehr der Ultras beobachten Freese und Philipps aber nicht. Im Gegenteil. „Was in den vergangenen eineinhalb Jahren entstanden ist, ist der Wahnsinn“, sagt Freese. Philipps ergänzt: „Gerade die jungen Fans haben in der Corona-Zeit gemerkt, was man als Verein alles machen kann. Es ist bemerkenswert, dass weiterhin so viel Engagement da ist.“
HSV-Fanszene wieder enger zusammenbringen
Um die Fanszene wieder enger zusammenzubringen, plant die neue Supporters-Führung in der neuen Saison wieder mehr Sonderzugfahrten. Zu den Auswärtsspielen nach Düsseldorf, Darmstadt, Nürnberg und Dresden ist das Angebot an alle Fans geplant, sofern es die Corona-Lage zulässt.
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Ein weiteres Ziel ist es, Vorgänge auch im eigenen Verein zu kritisieren. So wie zuletzt die Entscheidung des Beirats, bei der Mitgliederversammlung nur Marcell Jansen als Präsidentschaftskandidaten zuzulassen und das Team um Marinus Bester abzulehnen. „Bei unserer Stellungnahme ging es uns nicht um Personen, sondern um den Prozess. Der hat uns gestört“, sagt Philipps. „Das ist ein Satzungsproblem – und dieses sehen viele im Verein so. Der Beirat hat zwar entlang der Satzung gehandelt, aber die Mitgliedschaft ist nun in der Situation, keine Auswahlmöglichkeit zu haben.“
Eine Wahlempfehlung wird die Supporters-Führung aber nicht abgeben. Zur Vereinspolitik wollen sie sich äußern, sich aber nicht an ihr beteiligen. Freese dementiert daher auch, dass das Team um Bester von ihm unterstützt wurde. „Natürlich kenne ich Marinus seit langer Zeit. Aber er war nicht mein Kandidat. Das ist einfach Blödsinn.“ Zur Präsidentenwahl sagen Freese und Philipps daher nur so viel: „Die Mitglieder sollen ihre eigene Entscheidung treffen.“
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