Hamburg. Karlsruhe reist mit dem allerletzten Aufgebot nach Hamburg. Günstige Voraussetzungen für den HSV, sich aus der Krise zu schießen.
Am späten Montagabend hatte es dann also auch Simon Terodde erwischt. Durch zwei Treffer von Serdar Dursun bei Darmstadts 3:1-Erfolg gegen den VfL Bochum wurde der seit dem zweiten Spieltag führende Torjäger der Zweiten Fußball-Bundesliga vorerst vom Thron gestoßen.
Zwar dürfte am Ende schwerer wiegen, dass der Doppelpack des gebürtigen Hamburgers Dursun sogar Tabellenführer Bochum (60 Punkte) für den HSV (51 Punkte/ein Spiel weniger) rein theoretisch wieder in Schlagdistanz bringen könnte.
HSV-Absturz an Teroddes Flaute geknüpft
Dennoch kann Teroddes Absturz auch als Sinnbild für den allgemeinen Negativtrend im Volkspark herhalten. 17 Treffer hatte der Stürmer nach der Hinrunde auf dem Konto, in der Rückserie sind bis dato lediglich drei weitere hinzugekommen.
Der HSV wiederum schloss die Halbserie auf Platz eins ab, rutschte in der Folge bei nur noch drei Siegen aus 13 Spielen inzwischen aber aus den direkten Aufstiegsrängen. Die Krise des Aufstiegsfavoriten HSV als persönliche Krise des Aufstiegsexperten Terodde?
Thioune: Terodde besser in Szene bringen
"Die letzten Wochen waren auch für Simon unbefriedigend, wenn man die Messlatte mit 17 Toren so hoch legt", sagte HSV-Trainer Daniel Thioune am Dienstag über seinen zwischenzeitlich auch von einer Corona-Infektion ausgebremsten Torjäger.
Der seit fünf Einsätzen erfolglose 33-Jährige habe zwar zuletzt selbst "auch etwas liegengelassen", gestand Thioune. Dennoch sei Teroddes Torflaute aber eben auch ein Ausdruck des generellen Abwärtstrends: "Wir haben sicher Spieler, die ihn noch besser in Szene bringen können."
HSV: Kommt Sorgenfall KSC wie gerufen?
Gelegenheit dazu besteht schon am Donnerstag im Nachholduell des 30. Spieltags mit dem Karlsruher SC (18.30 Uhr/im Liveticker auf abendblatt.de), gegen den Terodde in der Hinrunde noch in bester Torjägermanier den späten 2:1-Sieg herbeigeführt hatte.
Und der KSC könnte für den HSV tatsächlich wie gerufen kommen. Denn auch bei den seit sechs Spielen sieglosen Badenern zeigt die Formkurve steil nach unten, hinzu kommt die Hypothek einer 14-tägigen Mannschaftsquarantäne, die erst in der vergangenen Woche endete.
HSV-Wunschstürmer Hofmann verletzt
Nach dem Re-Start erkämpfte sich Karlsruhe zwei Heim-Remis (2:2 gegen Würzburg/0:0 gegen Aue), musste den letzten Punktgewinn am Montagabend allerdings mit weiteren Ausfällen bezahlen. Philip Heise wird wie auf HSV-Seite Moritz Heyer aufgrund der fünften Gelben Karte sicher fehlen.
Auch die vagen Hoffnungen auf Einsätze von Angreifer Philipp Hofmann und Kreativspieler Kyoung-Rok Choi, die am Montag jeweils verletzt vom Platz gingen, zerschlugen sich am Tag darauf. Wie der KSC bekannt gab, fällt Hofmann mit einer Innenbandverletzung im rechten Knie aus, der ehemalige St. Paulianer Choi mit einem Muskelfaserriss.
KSC fehlen die torgefährlichsten Spieler
Durch den Ausfall des Duos (Trainer Christian Eichner: "Zwei unserer wichtigsten Spieler") kommen den zuletzt ohnehin offensivschwachen Karlsruhern – elf Treffer bedeuten den zweitschlechtesten Wert in der Rückrunde – gegen den HSV insgesamt vier ihrer sechs besten Scorer abhanden.
Allen voran der Ausfall von Hamburgs Noch-immer-Wunschkandidat Hofmann (10 Treffer/6 Vorlagen) wiegt schwer. Doch auch Choi (5/2) und Heise (1/5) sind im dünnen Kader kaum adäquat zu ersetzen. Zudem ist Top-Vorbereiter Marc Lorenz (0/6) weiter angeschlagen.
Mit Abwehrmann Robin Bormuth (3 Treffer) fehlt obendrein der immerhin fünftbeste Torschütze, der sich als Kontaktperson ebenso in Corona-bedingter Isolation befindet wie die vor zwei Wochen positiv auf Covid-19 getestete HSV-Leihgabe Xavier Amaechi (Thioune: "Seine Entwicklung ist etwas ausgebremst").
HSV: Thioune erwartet "Energie"-Duell
Thioune ist angesichts der badischen Personalsorgen bereits auf eine Wundertüte eingestellt. "Wir wissen gar nicht so richtig, mit welcher Aufstellung sie kommen", sagte er in der Pressekonferenz: "Ich habe keine Idee, was am Donnerstagabend im Volkspark auflaufen wird."
Gleichwohl erwartet Thioune den KSC mit "viel Energie", der er seinerseits ebensoviel "Energie" entgegensetzen möchte, um nach vier Spielen endlich wieder als Sieger vom Platz gehen zu können. "Wir müssen deutlich mehr Energie auf den Platz bringen, als es die letzten Wochen der Fall war."
Ähnlich hatte der HSV-Coach vor dem Duell beim Corona-geplagten Abstiegskandidaten Sandhausen geklungen – heraus sprang eine Niederlage (1:2), gefolgt von einem enttäuschenden 1:1 bei Kellerkind Jahn Regensburg. "Beide Auftritte waren nicht gut in ihrer Gesamtheit", sagte Thioune nun noch einmal.
Regensburg als "tiefster" HSV-Tiefpunkt?
Die erste Halbzeit in Regensburg habe für den HSV "vielleicht den tiefsten Tiefpunkt dieser Saison" markiert, gestand Thioune am Dienstag. "Die Rückschläge sind nicht wegzudiskutieren", sagte der 46-Jährige, dessen herausgearbeiteten "Lösungsansätze" von der Mannschaft zuletzt "nicht optimal" umgesetzt worden seien.
Dass sich aus der jüngsten Ergebniskrise auch Diskussionen um seine Person herausbilden, ficht Thioune indes nicht an. "Das ist völlig normal, das spornt mich an", sagte der Trainer, der seinen Spielern nun wieder "einfachere Lösungen" an die Hand geben möchte – "damit der Kopf freier wird".
Thioune: "Wir müssen frei sein in der Birne"
Überhaupt spiele der Kopf im Aufstiegskampf für Thioune eine große Rolle: "Das geht bei uns vielleicht früher los." In der erfolgreichen Hinrunde habe seine Mannschaft eher "noch frei von diesem Druck" agiert.
Nun müsse das Team "wieder die Gier entwickeln, ein Spiel gewinnen zu wollen und nicht, nur nicht verlieren zu wollen", sagte Thioune: "Jetzt ist Karlsruhe gefragt: Wir gehen 'All in'. Wir müssen frei sein in der Birne." Für ihn selbst gelte im heißen Endspurt trotz aller Widrigkeiten: "Ich kapituliere nicht."
KSC-Trainer kündigt dem HSV "Herz" an
Dass sich allerdings auch der angeschlagene kommende Gegner bei der "Mammutaufgabe" (KSC-Kapitän Jerome Gondorf) nicht einfach in sein Schicksal ergeben möchte, deutete Thiounes Amtskollege Eichner bereits am Montagabend an.
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Er werde vielleicht nicht jeden Spieler mitbringen, kündigte Karlsruhes Trainer und guter Freund von HSV-Sportchef Michael Mutzel an. Am Donnerstagabend werde im Volksparkstadion aber ein "ganz, ganz großes Herz" auflaufen: "Darauf kann sich jeder verlassen."
Führt Terodde den HSV aus der Krise?
Schon im Hinspiel hatte der KSC dem HSV alles abverlangt. "Wir mussten sehr viel investieren, um uns schadlos zu halten. Was uns gelungen ist", erinnerte sich Thioune an den Sieg im Dezember, der am Ende eben auch dank Sturmführer Terodde erreicht wurde.
Und auch, wenn es für Thioune "weniger um den Spieler Simon Terodde als um das Kollektiv und die Mannschaft" geht, könnte vor allem auch der Routinier dafür sorgen, dass er am Donnerstag gegen Karlsruhe sich selbst und den HSV gleichermaßen aus der Krise führt. "Wir arbeiten daran, dass Simon den Ball wieder ins Netz schießt", versprach Thioune am Dienstag.