Hamburg. Exklusiv: Der Aufsichtsrat des HSV will in jedem Fall an Vorstand Boldt, Trainer Thioune und Sportdirektor Mutzel festhalten.

Das turnusmäßige Spielersatztraining des HSV am Tag nach dem 1:1 bei Jahn Regensburg war fast vorbei, da bat Sportdirektor Michael Mutzel Trainer Daniel Thioune zum Gespräch. Gemeinsam tauschten sich die beiden einige Minuten auf dem Trainingsplatz hinter dem Volksparkstadion aus und analysierten die Lage des Clubs.

Und diese Lage sieht nicht gut aus: Vier Spieltage vor dem Saisonende hat der HSV den Aufstieg nicht mehr selber in der Hand. Nach zwei Siegen aus elf Spielen und drei enttäuschenden Halbzeiten binnen vier Tagen in Sandhausen (1:2) und Regensburg sind die Hamburger nicht mehr nur von den eigenen Ergebnissen, sondern auch von denen der Konkurrenz abhängig. Und trotzdem glauben sie weiter an das große Ziel: die Rückkehr in die Bundesliga.

Aufstieg? Was dem HSV Mut macht

Hoffnung bereitet den Verantwortlichen die zweite Halbzeit in Regensburg, als die Spieler mit dem Rücken zur Wand stehend endlich anfingen, sich auf das kampfbetonte Spiel einzulassen und Lösungen in der Offensive zu finden. Generell ist es auffällig, dass der HSV in den jüngsten beiden Duellen erst damit begann, den Gegner unter Druck zu setzen, als die Partien bereits verloren schienen. In Sandhausen war das erst nach 75 Minuten der Fall, in Regensburg immerhin eine Halbzeit lang. Braucht die Mannschaft also erst einen Rückschlag, um ihr wahres Potenzial abzurufen?

Noch überwiegt beim HSV der Optimismus, diese Frage mit „Nein“ zu beantworten. „Meine Mannschaft lebt, sie ergibt sich nicht“, sagte ein kämpferische Thioune über die zweiten 45 Minuten in Regensburg. Bereits in der Halbzeit soll es in der Kabine emotional geworden sein. Die Profis hätten sich geschworen, nach der Pause ein anderes Gesicht zu zeigen – und hielten Wort. Doch es reichte nur zu einem Punkt – verbunden mit dem nächsten Rückschlag im Aufstiegsrennen, aber auch wichtigen neuen Erkenntnissen.

Thioune wird HSV-Aufstellung verändern

Denn die sportliche Führung ist davon überzeugt, nun die richtigen Spieler im eigenen Kader gefunden zu haben, die mit der mentalen Belastung am besten umgehen. Insbesondere die Mittelfeldspieler Klaus Gjasula und Khaled Narey haben sich nach ihren Einwechslungen beim Jahn in den Vordergrund gespielt und dürften an diesem Donnerstag im Nachholspiel gegen den Karlsruhe SC (18.30 Uhr/Sky) in die Startelf rücken. Auch Toni Leistner ist nach seinem Muskelbündelriss mit Sehnenbeteiligung als Stabilisator der Defensive zurück.

Vorerst das Nachsehen haben dagegen David Kinsombi, Amadou Onana und Jeremy Dudziak, die sich momentan zu sehr verstecken, anstatt aktiv die Bälle zu fordern. Unfreiwillig noch ein weiteres Spiel pausieren könnte auch Bakery Jatta, der nach seiner in Sandhausen erlittenen Gehirnerschütterung auf Basis eines Stufenplans langsam wieder an die Mannschaft herangeführt werden soll.

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Psycho-Hilfe als HSV-Vorteil im Aufstiegskampf

In dieser genießt Reflexionstrainer Martin Daxl hohes Vertrauen – und in diesen Tagen kommt ihm eine Schlüsselrolle zu. Dass sich der HSV erstmals in seiner Zweitligazeit vor dieser Saison Hilfe im psychologischen Bereich holte, ist womöglich der größte Unterschied zu den beiden Vorjahren, als die Köpfe der Spieler am Ende nicht mehr so wollten wie die Beine und der Aufstieg jeweils noch verspielt worden war.

In der vergangenen Spielzeit holte sich der HSV zumindest für das letzte Saisondrittel Mentalcoach Patrick Esume als Hospitant ins Trainerteam. Doch der Versuch brachte nicht den erhofften Erfolg. Nun ist Daxl mindestens zweimal die Woche für die Spieler da, die es letztlich aber alleine auf dem Platz richten müssen.

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Sie und die Club-Verantwortlichen wissen, dass der HSV bereits gegen den KSC (18.30 Uhr/Sky) einen Sieg benötigt, um die Aufstiegschancen zu wahren. Denn Verfolger Holstein Kiel, das nach zwei 14-tägigen Quarantäne-Phasen aktuell drei Spiele weniger als der HSV bestritten hat, kann bereits am heutigen Dienstag mit einem Sieg beim 1. FC Nürnberg (18.30 Uhr/Sky) in der Tabelle vorbeiziehen. Der HSV wäre dann knapp unter dem Strich nur Vierter.

HSV: Thioune, Boldt und Mutzel bleiben

Ein keinesfalls surreales Szenario, mit dem sich der Club daher zunehmend beschäftigen muss – und dies bereits getan hat. Wie das Abendblatt erfuhr, soll es beim HSV auch bei einem erneut verspielten Aufstieg mit der sportlichen Führung um Trainer Thioune, Sportdirektor Mutzel und Vorstand Jonas Boldt weitergehen. Diese Vereinbarung wurde vor der Saison gemeinsam mit dem Aufsichtsrat getroffen, und hat nach übereinstimmenden Angaben aller Beteiligten – Strand jetzt – noch immer Bestand.

Besprochen wurde, dass alle drei Verantwortlichen für das sportliche Abschneiden das Vertrauen des Kontrollgremiums genießen, um in dieser Konstellation beim HSV auf Sicht etwas zu entwickeln. Rückschläge wie einen verpassten Aufstieg seien mit einkalkuliert.

Anders als es in der Vergangenheit oftmals der Fall war, arbeiten Vorstand und Aufsichtsrat in dieser Saison sehr harmonisch zusammen. Vor allem Boldt tauscht sich regelmäßig mit den Räten Markus Frömming und dem Vorsitzenden Marcell Jansen aus. Ex-Profi Jansen wird auch am Donnerstag im Volksparkstadion sein. Offiziell äußern wollte er sich auf Nachfrage allerdings nicht.

HSV-Vorstand Jonas Boldt (l.) tauscht sich regelmäßig mit den Aufsichtsräten Markus Frömming (M.) und Marcell Jansen aus.
HSV-Vorstand Jonas Boldt (l.) tauscht sich regelmäßig mit den Aufsichtsräten Markus Frömming (M.) und Marcell Jansen aus. © Imago / osnapix | Unbekannt

Thioune-Aus wäre Niederlage für Boldt und Mutzel

Die neue Geschlossenheit haben auch Boldt und Mutzel in ihrem Umgang mit Thioune verinnerlicht. „Ich habe keine Zweifel am Trainer“, versicherte Boldt am Sonntag glaubhaft bei Sky. Wohl wissend, dass eine Entlassung des Coaches auch eine persönliche Niederlage für ihn und Mutzel wäre.

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Denn beide Manager entschieden sich vor der Saison bewusst für einen Trainer, der die Mannschaft mit einer flexiblen Spielweise entwickeln soll. Damals war es vor allem Mutzel, der von den Qualitäten Thiounes überzeugt war und sich intern für eine Verpflichtung starkmachte. Nun, knapp zehn Monate später, von diesem Weg abzugehen, käme einem Eingeständnis gleich, gemeinsam gescheitert zu sein.

Wann es für Thioune beim HSV eng würde

Trotz dieser Ausgangslage ist das Vertrauen für Thioune nicht unendlich und hängt zwangsläufig auch vom Auftritt in den letzten vier Saisonspielen ab. Den Club-Verantwortlichen ist nicht entgangen, dass die Entwicklung – also das große vor der Saison ausgegebene Ziel – zuletzt rückläufig war.

Die Zeit der taktischen Experimente soll deshalb der Vergangenheit angehören. Die interne Vorgabe sieht vor, den Fußball nicht komplizierter zu gestalten als er ist. Stattdessen liegt der Fokus nun darauf, die nach den jüngsten Rückschlägen zum Teil verunsicherten Profis in einen mental stabilen Zustand zu bringen.

Eine Aufgabe, die Thioune, Mutzel und Boldt gemeinsam bewältigen wollen. Und zwar nicht nur bis Ende Mai. Sondern über die Saison hinaus.

HSV strauchelt im Aufstiegsrennen auch in Regensburg

Manuel Wintzheimer (r., gegen Regensburgs Erik Wekesser) nahm in der HSV-Startelf den Platz des verletzten Bakery Jatta ein.
Manuel Wintzheimer (r., gegen Regensburgs Erik Wekesser) nahm in der HSV-Startelf den Platz des verletzten Bakery Jatta ein. © WITTERS | LennartPreiss
Torjäger Simon Terodde (r.) am Boden, Mittelfeldchef Aaron Hunt (l.) schaut ins Leere. Auch in Regensburg gelang dem HSV nicht die erhoffte Wende.
Torjäger Simon Terodde (r.) am Boden, Mittelfeldchef Aaron Hunt (l.) schaut ins Leere. Auch in Regensburg gelang dem HSV nicht die erhoffte Wende. © WITTERS | Lennart Preiss
Der HSV kam bei Jahn Regensburg nicht über ein 1:1-Unentschieden hinaus.
Der HSV kam bei Jahn Regensburg nicht über ein 1:1-Unentschieden hinaus. © WITTERS | Lennart Preiss
Manuel Wintzheimer (r., gegen Regensburgs Erik Wekesser) nahm in der HSV-Startelf den Platz des verletzten Bakery Jatta ein.
Manuel Wintzheimer (r., gegen Regensburgs Erik Wekesser) nahm in der HSV-Startelf den Platz des verletzten Bakery Jatta ein. © WITTERS | LennartPreiss
HSV-Spielmacher Jeremy Dudziak (l., gegen Regensburgs Scott Kennedy) kehrte in die Startelf zurück.
HSV-Spielmacher Jeremy Dudziak (l., gegen Regensburgs Scott Kennedy) kehrte in die Startelf zurück. © WITTERS | Lennart Preiss
Moritz Heyer (l., gegen Andreas Albers) rotierte aus der HSV-Abwehr ins Mittelfeld zurück.
Moritz Heyer (l., gegen Andreas Albers) rotierte aus der HSV-Abwehr ins Mittelfeld zurück. © WITTERS | Lennart Preiss
HSV-Verteidiger Josha Vagnoman (.) wird von Regensburgs Erik Wekesser bedrängt.
HSV-Verteidiger Josha Vagnoman (.) wird von Regensburgs Erik Wekesser bedrängt. © WITTERS | LennartPreiss
Toni Leistner (o. l. im Kopfballduell mit Regensburgs Toptorjäger Andreas Albers) gab nach fast dreimonatiger Verletzungspause sein Comeback in der HSV-Abwehr.
Toni Leistner (o. l. im Kopfballduell mit Regensburgs Toptorjäger Andreas Albers) gab nach fast dreimonatiger Verletzungspause sein Comeback in der HSV-Abwehr. © WITTERS | Lennart Preiss
HSV-Torjäger Simon Terodde (M.) wurde von Regensburgs Abwehr an die kurze Leine genommen.
HSV-Torjäger Simon Terodde (M.) wurde von Regensburgs Abwehr an die kurze Leine genommen. © WITTERS | Lennart Preiss
HSV-Trainer Daniel Thioune nahm nach der Niederlage in Sandhausen drei Änderungen in der Startelf vor.
HSV-Trainer Daniel Thioune nahm nach der Niederlage in Sandhausen drei Änderungen in der Startelf vor. © WITTERS | Lennart Preiss
Regensburgs Andreas Albers (M.) bittet seine Mitspieler zum gemeinsamen Jubeln.
Regensburgs Andreas Albers (M.) bittet seine Mitspieler zum gemeinsamen Jubeln. © dpa | Armin Weigel
Der Däne (r.) hatte zuvor aus knapp 16 Metern flach ins linke Eck des HSV-Tors getroffen.
Der Däne (r.) hatte zuvor aus knapp 16 Metern flach ins linke Eck des HSV-Tors getroffen. © WITTERS | Lennart Preiss
HSV-Kapitän Tim Leibold (l.) und Robin Meißner (r.) freuen sich über den Ausgleichstreffer von Sonny Kittel. Der Angreifer hatte knapp nicht im Abseits gestanden.
Treffer zählt: HSV-Kapitän Tim Leibold (l.) und Robin Meißner (r.) freuen sich über das Ausgleichstor von Sonny Kittel. Der Angreifer hatte knapp nicht im Abseits gestanden. © WITTERS | Lennart Preiss
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