Hamburg. Thioune will nichts von einer Krise wissen. Er bleibe zuversichtlich und sehe eher einen Bruch. Doch es scheint mehr im Argen.
Um Daniel Thioune aus der Ruhe zu bringen, muss schon einiges passieren. Nur ein Sieg aus sechs Spielen, der Absturz von Platz eins auf Rang vier und eine Derbyniederlage reichen dafür jedenfalls noch nicht aus, unterstrich der Trainer des HSV am Sonntag mit Blick auf das Zweitliga-Topspiel am Montag gegen Holstein Kiel (20.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de), bei dem der HSV wegen der tabellarischen Konstellation unter Druck steht.
Bei einer Niederlage gegen den Nordrivalen betrüge der Rückstand auf Tabellenführer Bochum und Kiel bereits sechs Punkte. Doch auch diese Spekulation, die am Montagabend Wirklichkeit werden könnte, macht Thioune nicht nervös.
„Nach diesem Spieltag sind noch 30 Punkte zu vergeben", entgegnet der Coach in Erwartung der auf das Kiel-Spiel folgenden zehn Partien. „Sowohl der Druck als auch die Zuversicht sind vom ersten Tag an gegeben. Nervös werde ich nicht, Angst habe ich nicht. Wir sind lösungsorientiert und wollen Fußballspiele gewinnen. Wir gewinnen morgen im besten Fall und dann hätte sich die Frage nach den sechs Punkten auch erübrigt."
Krise? HSV-Coach Thioune sieht das anders
Schon vor dem Spiel von einer Krise zu sprechen, hält Thioune daher für „unpassend". Es sei eher ein „Bruch", der zu den negativen Ergebnissen der Vorwochen geführt habe. Die Entwicklung der Mannschaft sei aber weiterhin positiv.
„Unser Spiel mit dem Ball hat sich verbessert, wir haben klare Abläufe. Was uns im Moment fehlt, sind definitiv Ergebnisse. Beim Spiel gegen St. Pauli war es aber nicht so, dass die Mannschaft nicht gewollt hat. Mit Ausnahme des Würzburg-Spiels waren die Wochen davor sehr, sehr gut", sagt der HSV-Coach und verbreitet weiter Optimismus – trotz der nicht von der Hand zu weisenden Gefahr, den Aufstieg auch im dritten Jahr nacheinander zu verspielen.
Kiels Achse schlägt die des HSV
Wegen der aktuellen Form tritt der HSV an diesem Montag erstmals in dieser Saison nicht als Favorit an. Auch wenn Thioune eher ein „Duell auf Augenhöhe" sieht, bei dem es keinen Favoriten gebe und es vielmehr darum gehe, „wer den Sieg mehr will und wer am meisten an sein Level herankommt": Kiel ist momentan die spielstärkste Mannschaft der 2. Liga und reist mit dem Selbstvertrauen von sechs Siegen aus den vergangenen sieben Pflichtspielen sowie dem Einzug ins DFB-Pokalhalbfinale in den Volkspark.
Die Gründe für den Höhenflug der Schleswig-Holsteiner sind schnell gefunden: Die Mannschaft hat sich im Sommer kaum verändert, ist eingespielt und verfügt über eine glänzend organisierte Achse, bestehend aus Torhüter Ioannis Gelios, Abwehrchef und Kapitän Hauke Wahl, Mittelfeldspieler und Elfmeterspezialist Alexander Mühling und Stürmer Janni Serra. Hinzu kommt die Spielfreude der sogenannten Unterschiedsspieler Jae-sung Lee und Fin Bartels.
Und hier liegt vielleicht der momentan größte Unterschied zum HSV. Denn von den von Thioune im Dezember als Achse bezeichneten Profis Sven Ulreich, Tim Leibold (Rotsperre), Toni Leistner (Muskelbündelriss), Klaus Gjasula (Innenbandriss im Knie) und Simon Terodde sind mit Ulreich und Terodde aktuell nur zwei Spieler einsatzfähig – und die befinden sich auch noch in einer Formkrise.
HSV: Warum Terodde zurzeit nicht trifft
Wobei die Formkrise Teroddes (für seine Verhältnisse unterdurchschnittliche zwei Tore in den jüngsten sechs Spielen) zweifellos zwei Wahrheiten hat. Denn der HSV schafft es aktuell nicht, seinen Topstürmer in Position zu bringen und mit Flanken zu beliefern, weshalb sich Terodde zuletzt sogar die Bälle im Mittelfeld abholte und dadurch im Strafraum fehlte.
Thioune wünsche sich deshalb, „dass wieder mehr zielgerichtete Aktionen im gegnerischen Strafraum stattfinden".
Thioune kontert Achsenproblematik beim HSV
Die These der Achsenproblematik beim HSV will der Trainer dagegen nicht wahrhaben. „Ich weiß nicht, woraus die Achse in Kiel besteht", behauptet Thioune. „Ich finde das Kieler Kollektiv grundsätzlich ganz gut, das ist bei meiner Mannschaft aber auch gegeben. Wir haben auch Spieler, die der Rolle gerecht werden, Achsenspieler zu sein. Und wir haben Spieler, die aktuell weniger Spielzeit bekommen, aber auch zu dieser Achse gehören. Zu so etwas gehört immer ein kompletter Kader. Eine Achse darf sich über die Breite des Kollektivs definieren." Nun denn.
Gegen Kiel darf also der gesamte Kader des HSV zeigen, welche Mannschaft über die besser funktionierende Achse verfügt. Nicht ganz unwichtig bleibt jedoch, welche Achsenspieler am Ende auch auf dem Platz stehen. Auffällig ist vor allem, wie anfällig sich die Hamburger Defensive seit dem Ausfall von Abwehrchef Toni Leistner präsentiert, der sich beim bislang letzten Sieg (3:1 gegen Paderborn) verletzte.
Und so scheint Kiel bei der Bedeutung der Führungsspieler momentan einen Vorteil zu haben.
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