Hamburg. Das sind die Gründe, warum der HSV erneut den Aufstieg zu verspielen droht. Zwei Profis stehen exemplarisch für den Negativtrend.

So langsam gehen dem HSV die Argumente aus. Seit mehreren Wochen kündigen Club-Verantwortliche und Spieler an, sich beim nächsten Spiel nun aber wirklich für den eigenen Aufwand zu belohnen. Ein Plan, der zuletzt scheiterte, und nun vorläufig in der Derby-Pleite beim FC St. Pauli (0:1) gipfelte. Denn nach nur einem Sieg aus den vergangenen sechs Zweitligaspielen und dem Absturz von Platz eins auf Rang vier ist die Gefahr größer denn je, dass der HSV auch im dritten Anlauf den Aufstieg zu verspielen droht.

Die Angst vor dem erneuten Scheitern ist längst in den Köpfen der Spieler angekommen, auch wenn das nach außen niemand offiziell bestätigen will. „Nein, wir haben keine Angst", sagte Kapitän Tim Leibold nach der Pleite am Millerntor energisch. Anders ist es allerdings nicht zu erklären, dass der HSV immer wieder in den Momenten nicht liefert, wenn es darauf ankommt. Eine Entwicklung, die sich wie ein roter Faden durch die jüngere Clubhistorie zieht – unabhängig von Spielerpersonal, Trainern oder Managern.

„Es fühlt sich innerhalb der Mannschaft sehr schlecht an", räumte Trainer Daniel Thioune nach dem Derby ein. „Ich habe ein paar Jungs, bei denen sind die Köpfe nicht besonders weit oben."

HSV-Aufstieg in Gefahr: Nerven liegen blank

Spätestens seit dem spielentscheidenden Gegentor durch St. Paulis Daniel-Kofi Kyereh im Derby – gleichbedeutend mit der mageren Ausbeute von zwei Punkten aus den zurückliegenden vier Spielen – liegen die Nerven beim HSV blank. Bezeichnend war hierfür der „unnötige" (Daniel Thioune) Platzverweis von Leibold nach einer Tätlichkeit. Viel Frust beim Rückrunden-14 (!).

Selbst bei den treuesten Anhängern wachsen inzwischen die Zweifel an der Aufstiegstauglichkeit der Hamburger. Bezeichnend für diese These steht die Reaktion von Supporters-Chef Tim-Oliver Horn, der noch am Abend seinem Frust bei Twitter freien Lauf ließ. „Ich bin müde. REISST EUCH JETZT ZUSAMMEN HSV! FÜR DEN AUFSTIEG, FÜR DEN HSV!", twitterte er überwiegend in Versalien.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

HSV spielt falsch für Terodde

Die wiederholte Niederlage in einem wichtigen Spiel findet nicht nur Horn ermüdend. Sie alleine auf mentale Schwächen zurückzuführen, wäre allerdings zu einfach. Denn auch sportlich ist der vermeintlich große HSV längst nicht mehr das Maß aller Dinge in der 2. Liga. Zugegeben: Einen solchen Status hat der Club für sich selbst auch nie reklamiert. In Fankreisen genießt der Verein diese Wahrnehmung allerdings noch immer – trotz der momentanen Probleme, die nicht erst gegen St. Pauli deutlich wurden.

Denn dem für viele Experten Noch-Immer-Aufstiegsfavoriten ist die spielerische Leichtigkeit abhandengekommen. Exemplarisch hierfür steht die veränderte Spielweise von Top-Torjäger Simon Terodde. Der 19-Tore-Mann holte sich zuletzt regelmäßig die Bälle im Mittelfeld ab – weil er im Strafraum nicht mehr bedient wird. Dadurch fehlt der Torjäger aber in der gefährlichen Zone. Es ist daher kein Zufall, dass Terodde inmitten der seit sechs Spielen andauernden Schwächephase für seine Verhältnisse maue zwei Tore schoss.

Das HSV-Problem mit Ulreich

Doch auch andere Leistungsträger schwächeln beziehungsweise werden schmerzhaft vermisst, so wie der verletzte Abwehrchef Toni Leistner. Torhüter Sven Ulreich ist längst nicht der Rückhalt, den sich die Club-Bosse mit seiner Verpflichtung im Sommer vom FC Bayern erhofft hatten. Der Bundesliga-erfahrene 32-Jährige patzte zuletzt in aller Regelmäßigkeit. Gegen St. Pauli führte sein Nichtfesthalten des Balls beinahe zu einem Elfmeter, den Schiedsrichter Deniz Aytekin nach Ansicht der TV-Bilder wieder zurücknahm.

Ulreichs Schwächen am Fuß sind zudem unverkennbar. Bei gegnerischen Ecken wirkt der hin und wieder zögerlich agierende Torwart ebenfalls nicht souverän. In der Summe hat sich der HSV auf dieser elementaren Position nicht wirklich verbessert, aber viel Geld für Gehalt ausgegeben. Trotzdem sagt Sportdirektor Michael Mutzel: „Ich fand, das war (gegen St. Pauli) eine gute Leistung von ihm."

Immerhin präsentiert sich Ulreich verbal stärker als auf dem Platz. Nach der Derby-Niederlage kündigte er im Interview bei Sky forsch an, am Ende der Saison in der Tabelle „oben zu stehen". Für dieses Ziel muss sich allerdings auch der Torhüter steigern.

Aue-Spiel als Knackpunkt für den HSV

Womöglich hängt der Leistungsabfall einiger Profis und der gesamten Mannschaft mit einem Spiel zusammen, das schon mehrere Wochen zurückliegt. Das vermeidbare 3:3-Unentschieden vor einem Monat in Aue scheint sich als vorläufiger Knackpunkt der Saison zu erweisen. Damals spielte der HSV phasenweise überragenden Fußball, schaltete nach der Pause aber unterbewusst einen Gang zurück, agierte überheblich und verspielte eine vermeintlich komfortable 3:1-Führung.

Es war ein Spiel, das in der Art und Weise des Zustandekommens an die 2:3-Heimpleite des HSV vor zwei Jahren gegen Darmstadt 98 erinnerte, woraufhin sieben sieglose Spiele folgten und der sicher geglaubte Aufstieg noch verspielt wurde. Auch damals führte der HSV bereits mit 2:0 nach einer ebenfalls starken Vorstellung – bis das Team einen Gang zurückschaltete. Genauso wie in Aue.

Und auch diesmal scheint sich der HSV nur schwer von diesem Schock erholen zu können. Auf das Aue-Spiel folgte ein 0:0 gegen Aufstiegskonkurrent Greuther Fürth, bei dem der HSV ebenfalls besser war und sogar mehr als 30 Minuten in Überzahl agierte. In Würzburg (2:3) lief dann so ziemlich alles schief, was sich der HSV jedoch nicht erklären konnte, und gegen St. Pauli kam auch noch Pech durch das Gegentor in der Schlussphase hinzu. Summa summarum stehen zehn Punkte weniger als in der Hinrunde gegen dieselben Mannschaft zu Buche.

HSV hat Big Points für Aufstieg verpasst

Schlechte Spiele wie in Würzburg oder solche, in denen der Gegner einen starken Tag erwischt, so wie jetzt gesehen bei St. Pauli, sind im Verlauf einer Saison normal. Spiele wie gegen Aue und Fürth, in denen man besser ist, müssen dann aber gewonnen werden, wenn man aufsteigen will.

Mehr zum Derby:

Mit dem Siegen soll es nun gegen die direkten Konkurrenten Kiel (Montag, 8. März) und Bochum (Freitag, 12. März) endlich wieder klappen. Dabei hat der HSV noch an der Derby-Pleite zu knabbern. „Es ist schwierig, jetzt direkt an die kommenden beiden Spiele zu denken", räumte Thioune ein, ehe er sich kurz schüttelte und doch wieder kämpferisch zeigte. „Letztendlich ist es eine Riesenchance, eine Reaktion zu zeigen. Abgerechnet wird am 34. Spieltag."