Hamburg. Das Nordderby weckt für den Verteidiger in vielerlei Hinsicht Erinnerungen. Warum sein neuer Berater im Hintergrund für Ärger sorgte.

Es waren keine leichten Tage für Stephan Ambrosius. Insbesondere in der Nacht auf Dienstag war an Schlaf kaum zu denken. Die 0:1-Niederlage im Stadtderby beim FC St. Pauli, und das auch noch bei seinem Jugendverein, hatte dem 22-Jährigen ordentlich zugesetzt. „Die Nacht war nicht schön“, sagt Ambrosius am Freitag mit drei Nächten Abstand im Telefongespräch mit dem Abendblatt.

„Die Enttäuschung war riesig, der Frust auch die Tage danach immer noch groß“, sagt der Innenverteidiger. „Wir können es leider nicht mehr ändern. Doch am Montag ist ja schon das nächste Spiel. Das ist auch ein kleines Nordderby.“

HSV: Ambrosius und seine eigene Kiel-Geschichte

Die Großmutter aller Nordderbys, das Spiel gegen Kiel am Montag im Volksparkstadion (20.30 Uhr/Sky und im Liveticker auf abendblatt.de), ist für Ambrosius nicht weniger von Bedeutung als das Hamburger Stadtderby. Der Aufsteiger der bisherigen HSV-Saison hat seine ganz eigene Geschichte mit dem Gegner aus Schleswig-Holstein.

Ziemlich genau drei Jahre ist es her, dass Ambrosius mit der U 21 des HSV ein Testspiel gegen Holstein Kiel bestritt. Auf der Tribüne saßen damals Kiels Sportchef Ralf Becker und Chefscout Carsten Wehlmann. Und der 19 Jahre alte Innenverteidiger fiel den Holsteiner Verantwortlichen auf. Kiel nahm Kontakt zum Berater von Ambrosius auf und verhandelte über einen Wechsel an die Förde.

„Ich habe zwar mitbekommen, dass es Interesse aus Kiel gegeben hat, aber ich habe mich nicht groß damit beschäftigt“, erinnert sich der Abwehrspieler. Das Ende der Geschichte: Wenige Wochen später wechselte Becker selbst als Sportvorstand zum HSV, und Ambrosius verlängerte nach seinem ersten Bundesligaspiel unter Christian Titz (1:1 beim VfB Stuttgart) seinen Vertrag im Volkspark bis 2021.

Ambrosius riss sich gegen Kiel das Kreuzband

Nach dem Abstieg in die Zweite Liga sollte Ambrosius dann einer der Jungprofis sein, der beim Projekt Wiederaufstieg eine wichtige Rolle spielt. Und das Abendblatt begleitete ihn durch die Saison mit dem „Projekt Profi“. Doch der Traum vom Profifußball verblasste von Woche zu Woche. Zunächst wurde mit Titz sein Förderer entlassen, unter Nachfolger Hannes Wolf durfte er nur noch bei der zweiten Mannschaft trainieren.

Und als er zum ersten Mal seinen Berater wechselte, um einen Vereinswechsel zu forcieren, kam es erneut zu einem Spiel gegen Kiel. Es war der 9. Dezember, das Regionalligaderby zwischen den Zweitvertretungen des HSV und Holstein. Ambrosius verdrehte sich schon nach einer halben Stunde das Knie. Einen Tag später die Schockdiagnose: Kreuzbandriss. Mit 19.

Ambrosius im Hinspiel gegen Kiels Janni Serra – damals gab's ein 1:1.
"Es waren immer heiße Spiele": Ambrosius im Hinspiel gegen Kiels Janni Serra – damals gab's ein 1:1. © Witters | Unbekannt

Von einem Moment auf den anderen schien der Profifußball in weiter Ferne. „Wenn man nicht als junger Spieler zum Stammpersonal gehört und dann weiß, man fällt neun Monate aus, fühlt es sich nicht gut an. Das große Ziel ist plötzlich weit weg“, sagt Ambrosius im Rückblick. „Im Nachhinein hat mich die Zeit aber stärker gemacht. Ich weiß heute, worauf ich achten muss und dass ich meinen Körper besser pflegen muss. Das war früher nicht immer der Fall.“

HSV hatte Vertragsgespräche schon beendet

Zweieinhalb Jahre, vier Beraterwechsel und viele Kraftübungen später ist Ambrosius mit Verspätung im Profifußball angekommen. Vor dem Spitzenspiel gegen Kiel ist beim HSV nicht die Frage, ob Ambrosius im Abwehrzentrum des HSV verteidigt, sondern an wessen Seite. Die „Maschine“, wie er von seinen Mitspielern aufgrund seiner resoluten Zweikampfführung genannt wird, ist so selbstbewusst wie nie zuvor. „Je mehr Spiele man macht, umso selbstbewusster wird man“, sagt er.

Das Selbstvertrauen, das Ambrosius ausstrahlt, vermittelte auch dessen Berater Nochi Hamasor, als es im Oktober um seine erneute Vertragsverlängerung ging. Aufgrund der hohen Gehaltsforderungen drohte der Deal zu platzen. Sportdirektor Michael Mutzel beendete die Gespräche mit Hamasor bereits.

Höhepunkt: Der HSV erhielt einen Anruf von Leeds United, das sich nach Ambrosius erkundigte. Schon am nächsten Tag stand der Inhalt in der „Bild“-Zeitung. Wurde das Interesse lanciert, um den HSV auch öffentlich unter Druck zu setzen? Die Hamburger wiederum wollten nicht diejenigen sein, die erneut ein Talent aus dem eigenen Nachwuchs verlieren.

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Ambrosius verdient auch bei Aufstieg unter einer Million

Obwohl der HSV auch von anderen kolportierten Interessenten wie Neapel oder Celtic Glasgow nie etwas hörte, brachte Sportvorstand Jonas Boldt die Vertragsverlängerung bis 2024 schließlich zum Abschluss. Ein Vertrag, der sich für den Wilhelmsburger lohnen sollte, auch wenn das Gehalt – anders als berichtet – bei einem Aufstieg unterhalb der Millionengrenze liegt.

Dass die Vertragsverlängerung beinahe geplatzt wäre, hat Ambrosius nur am Rande mitverfolgt. „Ich wollte mich einfach nur auf Fußball konzen­trieren. Die anderen Sachen habe ich meinem Berater überlassen, dem ich vertraue. Deshalb habe ich ihn ausgewählt.“

Ambrosius hat auf einmal viele "Freunde"

Dass das Interesse an seiner Person gestiegen ist, hat Ambrosius aber schon selbst mitbekommen. Vermeintliche Freunde melden sich wieder, seit er beim HSV im Fokus steht. „Ich kann gut einschätzen, wer meine Freunde sind und wer nicht“, sagt er. Seine besten Kumpel wohnen noch immer in Wilhelmsburg, wo er aufgewachsen ist. Die er aber im Moment nicht sehen kann. „Wenn die Corona-Zeit vorbei ist, werde ich auch wieder häufiger in Wilhelmsburg sein.“

Ambrosius hat sich hochgekämpft von den Siedlungen der Elbinsel bis in das große Profigeschäft. Auch wenn sein Weg noch lange nicht am Ziel ist. „Mein großes Ziel ist es, mit dem HSV aufzusteigen. Dafür werde ich alles geben.“

HSV gegen Kiel: "Es waren immer heiße Spiele"

Und mal wieder könnte Holstein Kiel auf diesem Weg für Ambrosius und den HSV ein Schicksalsspiel werden. Schon in der Jugend waren die Nordderbys für den Verteidiger etwas besonderes. „Es waren immer heiße Spiele“, erinnert sich Ambrosius. So wie im September 2019, als er mit der U 19 des HSV 4:0 in Kiel gewann, sich aber das erste Mal schwer verletzte und lange ausfiel.

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Nun will Ambrosius am Montag nicht nur die Derbyniederlage gegen St. Pauli wiedergutmachen, sondern auch dazu beitragen, dass der HSV erstmals in der Zweiten Liga gegen Kiel gewinnt. Damit es nicht am Ende wieder heißt: St. Pauli und Kiel waren das Schicksal...