Hamburg. Der HSV verpasst trotz größter Chancen zum fünften Mal in Folge einen Dreier, verbessert sich aber trotzdem in der Tabelle.
Sven Ulreich stapfte hin und her. Vor und zurück. Der HSV-Torhüter versuchte sich warm zu halten in der zweiten Halbzeit gegen Holstein Kiel. Aus der Ferne beobachtete Ulreich, wie seine Mitspieler am Montagabend im Spitzenspiel der Zweiten Liga einen Angriff nach dem nächsten initiierten. 17:3 lautete das Torschussverhältnis gegen den Tabellenzweiten aus Schleswig-Holstein. Am Ende standen auf den zwei riesigen Anzeigetafeln im Volksparkstadion aber zwei Zahlen, die beim HSV für Enttäuschung sorgten: 1:1. Zum fünften Mal in Folge bleiben die Hamburger ohne Sieg, klettern aber zumindest wieder auf Rang drei.
„Der HSV hat enormen Druck aufgebaut, wir konnten uns kaum befreien", sagte Kiels Geschäftsführer Uwe Stöver bei Sky. Noch deutlicher wurde Holsteins Offensivspieler Fin Bartels über den glücklichen Punkt für die Gäste: „Wenn man den Spielverlauf betrachtet, ist der Punkt Gold wert.“ Noch deutlicher aber wurde sein Trainer Ole Werder: „Wir wissen schon, dass das Unentschieden heute glücklich ist, gerade hinten raus."
HSV-Torschütze Terodde hadert
„Ich freue mich riesig über das Tor, vor allem nach dem Nackenschlag gleich zu Beginn zum 0:1", sagte HSV-Torschütze Simon Terodde, der bereits sein 20. Saisontor erzielte und trotzdem mit sich und seiner Torausbeute haderte. „Leider war es nur ein Tor, es war deutlich mehr drin. Ich hatte eine Riesenchance in der zweiten Halbzeit per Seitfallzieher und war etwas ungläubig, wo ich den hingeschossen habe. Es tut mir leid für die Mannschaft, den muss ich machen.“
Sein Trainer Daniel Thioune wusste nach dem Spiel nicht so richtig, wie er die zwei verlorenen Punkte einordnen sollte. „Ich kann mit der Leistung meiner Mannschaft sehr gut leben. Wir hatten richtig gute Ballstafetten, aber den Jungs tut es einfach mal gut, ein Fußballspiel zu gewinnen. Dazu braucht man Tore, und die haben uns heute gefehlt“, sagte der 46-Jährige, der vom Schreien an der Seitenlinie noch heiser war. Etwas wehmütig blickte Thioune auf das Aluminiumpech von Vagnoman zurück. „Wir hatten Kiel und das Spiel unter Kontrolle, aber leider nicht den Torrahmen“, sagte der Coach.
Mit Blick auf den sich zuspitzenden Aufstiegskampf ergänzte Thioune: „Ich wünsche mir ein bisschen Belohnung für meine Truppe und dann können wir das Tableau noch sortieren.“
HSV früh von Kiels Lee geschockt
Nach den beiden Niederlagen in Würzburg und im Stadtderby beim FC St. Pauli versuchte es Trainer Daniel Thioune mit einer veränderten Startelf. Den Rot-gesperrten Kapitän Tim Leibold ersetzte Jan Gyamerah, Josha Vagnoman rückte dafür auf die linke Abwehrseite. Auch Aaron Hunt spielte nach seiner Derbypause wieder von Beginn an. Gideon Jung rotierte auf die Bank, Moritz Heyer dafür in die Innenverteidigung. Thioune hatte sich wieder einige taktische Ideen ausgedacht, ließ Rechtsverteidiger Gyamerah im Spielaufbau zwischen die Innenverteidiger pendeln und schob Vagnoman bei Ballbesitz immer weit nach vorne.
Beim frühen 1:0 für Kiel war es dann aber ein ganz schlichter Stellungsfehler, den die Gäste bestraften. Gyamerah ließ bei der ersten Ecke des Spiels den vom HSV umworbenen Jae-sung Lee einfach laufen und der nicht gerade für seine Kopfballstärke bekannte Südkoreaner konnte aus kurzer Distanz unbedrängt einköpfen (8.). Ein echter Kaltstart.
HSV: Terodde trifft nach super Angriff über Jatta
Thiounes Plan ging zunächst nicht auf. Der HSV-Coach wollte gegen die über die Flügel starken Kieler das Zentrum überladen. Vor allem Hunt sollte das Spiel dort an sich reißen. „Aaron ist mit seiner Qualität genau der Richtige für dieses Spiel. Wir wollen heute mehr Ballbesitz haben und auch Simon wieder treffen“, sagte Thioune vor dem Spiel. Teil eins des Plans funktionierte zunächst weniger, Teil zwei dafür nach 23 Minuten umso besser.
Der bis dahin schwache Bakery Jatta dribbelte an der Mittellinie einfach mal los, zog an zwei Kielern vorbei und spielte mit Simon Terodde einen doppelten Doppelpass. Am Ende löffelte Terodde den Ball aus zehn Metern an Ioannis Gelios vorbei. „70 Prozent gehen auf Jatta“, sagte Sky-Experte Torsten Mattuschka.
„Ich sage immer wieder, dass er eine Waffe ist“, lobte Terodde seinen Mitspieler. „Die Gegenspieler haben Respekt vor ihm und seinen langen Schritten. Er darf sich nicht unterkriegen lassen, auch wenn er mal ein schlechtes Spiel macht. Er ist wichtig für uns.“
Terodde-Tor beflügelt den HSV
Für Terodde Saisontreffer Nummer 20 nach drei torlosen Spielen und für den HSV ein Tor, das eine Wirkung haben sollte. Die Hamburger wurden stärker und hatten plötzlich eine Vielzahl von Chancen. Vor allem der agile Vagnoman kam immer wieder zum Abschluss. Einen seiner zwei Kopfbälle hätte er allerdings über die Linie bringen müssen.
Nach einer Flanke von Sonny Kittel schaffte er es wie einst Leibold gegen Bielefeld, den Ball aus drei Metern an den linken Pfosten zu setzen (32.). „Das ist ärgerlich, den muss ich machen.“ Neun Minuten später stand ihm Gelios im Weg. Auch David Kinsombi (29.), der gegen seinen Ex-Club das Kapitänsamt übernahm, und Kittel (36.) verpassten die Führung.
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HSV drängte auf Sieg gegen Kiel
10:2 lautete das Torschussverhältnis für den HSV zur Halbzeit gegen die beste Defensive der Liga. „Man sieht, dass es zwei Spitzenmannschaften sind, es ist ein unterhaltsames Spiel“, sagte Sportdirektor Michael Mutzel in der Pause. „Aufgrund der Vielzahl an Chancen finde ich schon, dass wir überlegen sind. Wir müssen weiter vorsichtig bleiben, Kiel ist unheimlich gefährlich nach Standardsituationen und Kontern.“
Bei Standards wurde im zweiten Durchgang zunächst aber nur der HSV gefährlich. Ecke um Ecke segelte in den Kieler Strafraum, Gelios parierte gegen Terodde (52.). Jeremy Dudziak verpasste nach starker Vorarbeit von Vagnoman (59.).
Der HSV drängte auf den Sieg. Thioune brachte mit Manuel Wintzheimer für Dudziak einen weiteren Stürmer. Und auch Terodde wurde wieder gefunden. Eine Flanke von Kittel setzte er per Volley allerdings über das Tor (72.). „Wir mussten uns eigentlich belohnen in der zweiten Halbzeit. Das haben wir leider nicht geschafft“, resümierte Terodde etwas niedergeschlagen.
Von Holstein Kiel kam kaum noch etwas. Doch wie schon im vorherigen Heimspiel gegen Greuther Fürth (0:0) sollte es nicht mehr reichen. Trotz einer deutlichen Leistungssteigerung blieb es am Ende beim 1:1, mit dem an diesem Abend nur Kiel zufrieden war.
HSV trifft nun auf Bochum
Für den HSV wird es in den kommenden Wochen nicht einfacher. Am Freitag geht es zum Tabellenführer Bochum. Eine Woche später kommt Verfolger Heidenheim in den Volkspark. „Immer weiter“, rief Thioune am Ende im Kreis. Allzu lange warten sollte der HSV mit dem nächsten Sieg aber nicht mehr.
Die Statistik:
- HSV: Ulreich – Gyamerah, Heyer, Ambrosius, Vagnoman – Kinsombi (80. Onana) – Hunt, Dudziak (71. Wintzheimer) – Jatta (80. Heil), Terodde, Kittel. – Trainer. Thioune
- Kiel: 1 Gelios – 20 Dehm, 19 Lorenz, 24 Wahl, 15 van den Bergh – 26 Meffert – 7 Lee, 36 Hauptmann (56. Porath) – 31 Bartels (90.+1 Ignjovski), 11 Reese (56. Mees) – 23 Serra (81. Arslan). – Trainer: Werner
- Schiedsrichter: Tobias Reichel (Stuttgart)
- Tore: 0:1 Lee (8.), 1:1 Terodde (23.)
- Torschüsse: 17:3
- Ecken: 9:5
- Ballbesitz: 53:47 Prozent