Hamburg. Der Sportvorstand hat sich bis 2023 zum HSV bekannt. Nun muss er selbst über zwei wichtige Personalien entscheiden.
Der Parkplatz Nummer drei vor der Geschäftsstelle im Volkspark war am Dienstagmittag schon wieder leer, als die HSV-Neuigkeiten viral gingen. „Unser Aufsichtsrat verlängert den Vertrag mit Jonas #Boldt bis 2023“, teilte die Medienabteilung des HSV um 12.15 Uhr via Twitter mit, nachdem das genaue Wording bereits am Morgen abgestimmt worden war. Da war der neue und alte Sportvorstand des HSV mit seinem Hybrid-SUV am Stadion vorgefahren, hatte sich mit Aufsichtsratschef Marcell Jansen getroffen, seinen Vertrag unterzeichnet und war genau wie Jansen um kurz vor 12 Uhr schon wieder weg.
„Wir haben großes Vertrauen in Jonas’ Arbeit und wollen die sportlich-strategische Gesamtentwicklung fortsetzen“, ließ sich Jansen noch zitieren. Dem seit heute 35-Jährigen, der erst seit April das nur noch fünfköpfige Kontrollgremium anführt, ist damit etwas gelungen, worauf man beim HSV seit 13 Jahren wartete: die Vertragsverlängerung eines Sportchefs – und diese sogar einstimmig.
HSV-Aufsichtsrat einstimmig für Verlängerung mit Boldt
Tatsächlich war es letztmals Dietmar Beiersdorfer, dessen laufender Vertrag im September 2008 um zwei weitere Jahre verlängert worden war. Nachdem Beiersdorfer ein gutes halbes Jahr später nach der besten HSV-Saison seit 1983 freigestellt wurde, versuchten sich beim HSV sage und schreibe acht Sportchefs (darunter interimsweise Bernd Hoffmann und ein zweites Mal Beiersdorfer), von denen allerdings keiner das Ende seines Vertrags erleben sollte.
Nun also Boldt. „Der Aufsichtsrat hat deutlich gemacht, wie er die Entwicklung in meiner bisherigen Amtszeit betrachtet und bewertet. Es steht außer Frage, dass wir noch ganz am Anfang eines langwierigen Entwicklungsprozesses stehen, den beide Seite gerne weiter miteinander bestreiten wollen“, sagte der 38-Jährige, dem in den vergangenen Wochen ein Flirt mit der AS Rom nachgesagt worden war. Ernsthafte Vertragsgespräche mit dem Serie-A-Club hat es nach Informationen des Abendblatts allerdings nie gegeben. Statt der „Ewigen Stadt“ hofft man beim HSV nun also vielmehr auf den „Ewigen Boldt“.
Harter und steiniger Weg
„Als ich mich vor gut anderthalb Jahren für Hamburg entschieden habe, war mir bewusst, dass es ein sehr harter und steiniger Weg wird, der definitiv noch nicht zu Ende ist“, sagte Boldt. „Auf diesem Weg musste man auch ein paar Dinge aus dem Weg räumen.“
Jonas Boldt und Marcell Jansen über die Vertragsverlängerung:
Ob damit vor allem Ex-HSV-Chef Bernd Hoffmann gemeint war, der nach einem wochenlangen Streit mit Boldt und Vorstandskollege Frank Wettstein vom Aufsichtsrat im März aus dem Weg geräumt worden war, kommentierte der Sportvorstand nicht. Im Gegensatz zu seinem wohlformulierten Wunsch, an der aktuellen Vorstandskonstellation nicht zu rütteln: „Mir ist wichtig, dass wir in diesem Team zusammenbleiben“, sagte Boldt in einem kurzen Videointerview, das der HSV direkt nach der Vertragsunterzeichnung am Vormittag mit Jansen und ihm im Stadion aufnahm.
Mehrere Nachfolgekandidaten
Zur Erinnerung: Seit Hoffmanns Beurlaubung im März ist nicht nur der Parkplatz Nummer eins vor der Geschäftsstelle verwaist, sondern auch die Position des Vorstandsvorsitzenden. Noch im Frühjahr hatte sich der Aufsichtsrat mit mehreren Nachfolgekandidaten beschäftigt, darunter auch mit Ex-Sky-Chef Carsten Schmidt (jetzt Hertha BSC) und mit einem Top-Telekom-Manager.
Nachdem aber Boldt und Wettstein grundsätzlich wenig Begeisterung für die Idee eines neuen CEOs von außen gezeigt haben sollen, soll im Kontrollgremium auch die Möglichkeit, Boldt direkt zum Vorstandsvorsitzenden zu befördern, diskutiert worden sein. Am Ende entschied man sich bereits in der vergangenen Woche für die bewährte Aufgabenverteilung der vergangenen acht Monate. Wettstein, dessen Auto auf Parkplatz zwei steht, bleibt für Finanzen, Vermarktung und Sponsoring zuständig, Boldt für Sport und Kommunikation.
Und als Sportvorstand ist der Kommunikator Boldt bereits schneller gefragt als gedacht. So dürfte auf seiner To-do-Liste ganz oben eine Vertragsverlängerung mit Sportdirektor Michael Mutzel stehen. Dessen Arbeitspapier ist nach Abendblatt-Informationen nur noch vier Monate gültig. Bereits im März läuft Mutzels Vertrag aus – und auch der Vertrag von Chefscout Claus Costa ist nur bis zum Sommer gültig.
Boldt muss jetzt mit Mutzel und Costa verhandeln
Intern soll man sich längst einig sein, an dem Sport-Triumvirat mit Boldt, Mutzel und Costa festhalten zu wollen. Boldt hält große Stücke auf Mutzel und Costa, auf deren Rat hin auch Cheftrainer Daniel Thioune im Sommer verpflichtet worden sein soll.
„Wir setzen auf Entwicklung – ohne dabei unsere Ambitionen zu verlieren“, sagte Boldt. Dabei darf der Ex-Leverkusener für sich reklamieren, trotz des verpassten Aufstiegs in der vergangenen Saison, den Tanker HSV auf Kurs gehalten zu haben. Innerhalb des Clubs, der in den vergangenen Jahren immer wieder durch politische Machtkämpfe in Seenot geriet, soll ein völlig neues Klima herrschen. Auf der Geschäftsstelle, die seit zwei Jahrzehnten immer in zwei Lager aufgeteilt wurde, soll erstmals wieder ein echtes Miteinander gepflegt werden.
Eine Harmonie, die auch ein Stockwerk tiefer ankommt. In der Kabine haben die Spieler registriert, dass sie sich auf ihren Club mit Boldt an der Spitze verlassen können. Neben dem viel zitierten Beispiel Bakery Jattas, der während der gesamten Debatte um seine Identität immer auf die Rückendeckung Boldts vertrauen konnte, gibt es auch unzählige weitere Beispiele. So konnte auch Toni Leistner nach seinem Ausraster in Dresden auf Verständnis, Unterstützung und gleichzeitig auch deutliche Worte Boldts vertrauen.
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„Ich möchte gemeinsam mit meinem Team weitere Beiträge zur Positiventwicklung unseres Clubs leisten“, sagte Boldt noch am Dienstagvormittag, ehe er das Stadion verließ – und nur wenige Stunden später schon wieder mit Jansen und dem restlichen Aufsichtsrat zur turnusmäßigen Sitzung des Kontrollgremiums an gleicher Stelle zusammenkam. Gut, wenn man einen Parkplatz hat ...