Hamburg. Tagung des HSV-Aufsichtsrats: Kommt ein dritter Vorstand? Wie gravierend steht es um die Finanzen? Und wie geht der Streit aus?
Fast gleichzeitig zur Aufsichtsratssitzung der HSV AG am Sonnabend im Volkspark machte ein ungewöhnliches Angebot im Netz die Runde: „Wir – die Machineseeker Group – machen es hiermit öffentlich: Wir wollen Trikotsponsor des HSV für nächste Saison werden“, schrieb Sven Schmidt, Chief Marketing Officer, beim sozialen Netzwerk Linkedin. Und weiter: „Wir bieten 750.000 Euro für EINE Saison.“
Um es kurz zu machen: Über das „Angebot“, das man nach der bisherigen Partnerschaft mit Emirates (1,4 Millionen Euro/Jahr) wohl eher als kreative Form von Guerilla-Marketing bezeichnen muss, wurde im Kontrollgremium nicht gesprochen. Über die angespannten HSV-Finanzen dafür umso mehr.
Tatsächlich sollen die von Finanzvorstand Frank Wettstein am Sonnabend präsentierten Zahlen die ohnehin bestehenden Sorgen noch vergrößert haben. Die Corona-Krise in Verbindung mit dem verpatzten Aufstieg (und den fehlenden TV-Millionen) wirken sich offenbar gravierender als zunächst befürchtet aus. Besonders die zu erwartenden Mindereinnahmen im Zuschauerbereich treffen den HSV mit seinem 57.000 Zuschauer fassenden Volksparkstadion sehr viel empfindlicher als Clubs wie Sandhausen oder Heidenheim.
HSV braucht dringend Hauptsponsor
Ob man nach 30 Millionen Euro in der Vorsaison bei einem angestrebten Mannschaftsetat für die kommende Spielzeit von 23 Millionen Euro bleiben kann, hängt nun maßgeblich davon ab, wie schnell und adäquat man einen seriösen Ersatz für den scheidenden Hauptsponsor (Emirates) und den Stadionsponsor (Klaus-Michael Kühne) findet.
Auch ein Medienpartner, der die jährlichen 300.000 Euro des NDR zahlt, fehlt. Schon jetzt scheint klar, dass im dritten Zweitligajahr auch auf der Geschäftsstelle gespart werden muss.
Kommt ein neuer HSV-Vorstand?
Ob auf dieser Geschäftsstelle noch ein drittes Vorstandsbüro bezogen wird, steht auch nach der Sitzung vom Sonnabend nicht fest. Nach Abendblatt-Informationen gibt es sowohl Befürworter als auch Gegner der Idee, die Stelle des im März entlassenen Bernd Hoffmann neu zu besetzen. Wettstein und Jonas Boldt, der in der Sitzung über den sportlichen Bereich Bericht hielt, sollen grundsätzlich dafür plädieren, in der bestehenden Zweierkonstellation weiterzumachen.
Da Vorstände aber vom Aufsichtsrat bestellt und abbestellt werden, liegt die Entscheidung beim verbliebenen Fünfergremium. Zur Erinnerung: Nach den Rücktritten von Max-Arnold Köttgen und Thomas Schulz besteht der amtierende Aufsichtsrat nur noch aus den fünf Mitgliedern Marcell Jansen (Vorsitzender), Andreas Peters (stellvertretender Vorsitzender), Markus Frömming, Felix Goedhart und Michael Krall.
HSV droht Machtkampf um Jansen
Doch obwohl die Sitzung des AG-Aufsichtsrats am Sonnabend harmonisch verlaufen sein soll, droht dem HSV hinter den Kulissen mal wieder ein hausgemachter Streit. Diesmal im Ring: Präsident Marcell Jansen auf der einen und Vizepräsident Thomas Schulz auf der anderen Seite.
Hintergrund des Streits: Schulz gehörte (gemeinsam mit Moritz Schaefer) bereits bei Bernd Hoffmanns Präsidentschaftswahlkampf vor zweieinhalb Jahren zum „Team Hoffmann“. Jansen wird dagegen vorgeworfen, die entscheidende Kraft bei der Freistellung Hoffmanns im März gewesen zu sein. Schulz zog umgehend die Konsequenzen und trat noch am gleichen Tag zurück – allerdings nur aus dem Aufsichtsrat der HSV-AG.
Vergangenheit. Im Hier und Jetzt gibt es neue Rollenspiele. Hier Präsident Jansen, dem böse Zungen einen zu engen Draht zu Investor Kühne nachsagen. Dort Vizepräsident Schulz, der nur zu gerne die Rolle der letzten Bastion gegen Kühne einnimmt. Und in der neutralen Ecke: Schatzmeister Schaefer.
Muss Schulz aus dem HSV-Präsidium weichen?
Bleibt die Frage, ob in dieser Konstellation eine konstruktive Zusammenarbeit im Präsidium überhaupt noch möglich ist. Immer mehr Beobachter, die es trotz allem noch immer gut mit dem HSV meinen, halten das jedenfalls für keine zukunftsorientierte Lösung mehr. Und so machen beim HSV e. V. längst Gedankenspiele im Hinblick auf die kommende Mitgliederversammlung die Runde.
Nach Abendblatt-Informationen soll spätestens dann ein Misstrauensantrag gegen Schulz gestellt werden. Ob dieser aber so einfach das Feld räumt, bleibt die große Frage. Eine von mehreren Fragen, die auf Abendblatt-Nachfrage am Tag nach der Aufsichtsratssitzung keiner der Protagonisten beantworten wollte. Zumindest hier waren sich Jansen, Schulz und auch Schaefer einig.
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Die gute Nachricht zum Schluss: Zumindest der pfiffige Sven Schmidt scheint an eine glückliche HSV-Zukunft zu glauben. „Da aller guten Dinge bekanntermaßen drei sind, gehen wir davon aus, dass der HSV nächste Saison aufsteigt“, schreibt Schmidt, der dem HSV laut Linkedin-Nachricht sogar einen Platz unter den Top vier Deutschlands zutraut.
Eine schlüssige Erklärung, wie er darauf komme, dem HSV so ein Angebot zu unterbreiten, liefert der Marketingmann obendrein: „Eigentlich wollten wir Stadionsponsor der MSV Duisburg GmbH & Co KG werden“, schreibt Schmidt. „Das hat leider nicht geklappt. So ist das Budget frei.“ Der einzige Haken: Offenbar hat Schmidt bei seinem Enthusiasmus ganz vergessen, auch den HSV-Offiziellen Bescheid zu geben.