Hamburg. Dimitrios Grammozis könnte Trainer im Volkspark werden. Was den früheren HSV-Profi auszeichnet, wer seine Mitbewerber sind.

Ein Knack, ein Schrei: Bei Dimitrios Grammozis (20) war das linke Wadenbein gebrochen. Der stets mega-motivierte, vielleicht übermotivierte Jungprofi des Hamburger SV war in einem Freundschaftsspiel bei Barmbek-Uhlenhorst nach einem Einwurf des Gegners in Höhe der Mittellinie energisch zum Ball gegangen, umgeknickt und hat sich ohne Fremdeinwirkung direkt an der Bande schwer verletzt.

23 Jahre ist das her, und der Abendblatt-Bericht von damals liest sich noch heute erschütternd. Grammozis, in Wuppertal geboren, war von Bayer Uerdingen zum HSV gekommen und zeigte den etablierten Profis in der Mannschaft von Trainer Frank Pagelsdorf, was Einsatz ist. Die schwere Verletzung setzte ihn monatelang außer Gefecht.

Dimitrios Grammozis – ein Trainer, der mit jungen Spielern kann

Aber der für sein Alter körperlich robuste Grammozis kam zurück, wechselte später zum 1. FC Kaiserslautern und zum 1. FC Köln. Als Trainer legte er, ebenfalls mit dem richtigen Biss ausgestattet, eine respektable Karriere beim VfL Bochum hin – betreute allerdings nur Nachwuchsmannschaften. Man sah: Da ist einer, der mit jungen Leuten umgehen kann.

1999: DEDE / Dimitrios GRAMMOZIS HSV - Borussia Dortmund 0:0
1999: DEDE / Dimitrios GRAMMOZIS HSV - Borussia Dortmund 0:0 © Valeria Witters

Im vergangenen Jahr verpflichtete ihn Darmstadt 98 als Cheftrainer. Und der Fußballlehrer zeigte, wie man aus einer rummeligen Zweitligamannschaft ein Team mit Potenzial für das erste Tabellendrittel formt. Grammozis führte die Hessen nach einer starken Rückrunde auf Platz fünf, zwei Punkte hinter dem HSV. Eine Verlängerung in Darmstadt lehnte er ab, weil ihm nur ein Einjahresvertrag angeboten wurde. Und nun gilt Dimitrios Grammozis als Favorit auf die Nachfolge von Dieter Hecking beim HSV.

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Dafür kommen allerdings offenbar auch Alfred Schreuder (zuvor 1899 Hoffenheim) und André Breitenreiter in Frage. Was muss der neue HSV-Trainer mitbringen? Zunächst sollte er zu Sportvorstand Jonas Boldt passen…

Das klingt banal, aber Boldt ist nach dem Rauswurf von Vorstandschef Bernd Hoffmann der starke Mann im Volkspark. Ihm werden große Fähigkeiten attestiert. Den Bundesliga-Aufstieg haben allerdings nicht nur die Mannschaft und der Trainer verpasst, sondern auch Boldt. Keine leichte Aufgabe für ihn, die Strategie für das dritte Zweitligajahr zu bestimmen. Holt man für den angepeilten Aufstieg einen jüngeren Trainer-„Nobody“ wie Grammozis, der aber offenbar ein Händchen für Talente und Motivation hat?

Was Dieter Hecking fehlte

Nimmt man einen Breitenreiter, der schon viele Vereine als Arbeitgeber hatte? Oder Taktik-Fachmann Schreuder, der im Trainer-Team von Ajax Amsterdam schon höchste Fußball-Weihen einatmete?

HSV-Trainer seit 2010

  • Dieter Hecking – 29.05.2019 bis 30.06.2020
  • Hannes Wolf – 23.10.2018 bis 19.05.2019
  • Christian Titz – 12.03.2018 bis 23.10.2018
  • Bernd Hollerbach – 22.01.2018 bis 12.03.2018
  • Markus Gisdol – 26.09.2016 bis 21.01.2018
  • Bruno Labbadia – 15.04.2015 bis 25.09.2016
  • Peter Knäbel (Interimscoach) – 23.03.2015 bis 15.04.2015
  • Josef Zinnbauer – 16.09.2014 bis 22.03.2015
  • Mirko Slomka – 16.02.2014 bis 15.09.2014
  • Rodolfo Cardoso (Interimscoach) – 17.09.2013 - 24.09.2013
  • Thorsten Fink – 17.10.2011 bis 16.09.2013
  • Frank Arnesen (Interimscoach) – 10.10.2011 - 16.10.2011
  • Rodolfo Cardoso (Interimscoach) – 20.09.2011 - 10.10.2011
  • Michael Oenning – 13.03.2011 bis 19.09.2011
  • Armin Veh – 01.07.2010 bis 13.03.2011

Wenn schon Trainerfuchs Hecking bei einer Mannschaft nicht über eine Saison in den entscheidenden Spielen und Minuten der Nachspielzeit den Sieger-Spirit herauskitzeln kann – wer denn dann? Es geht beim HSV offenbar nicht nur um die Einzelspieler, sondern um den Team-Gedanken. Denn formal besetzt war der HSV 2019/2020 ein natürlicher Aufsteiger.

Welche finanziellen Möglichkeiten hat Boldt? Schreuder mit seinem Team und Breitenreiter dürften für eine heikle HSV-Mission mehr verlangen als Grammozis. Und eine Karriere, sollte sie in einer Zwischenstation Hamburg nicht erfolgreich sein, kann für einen vergleichsweise jungen Mann trotzdem weitergehen. Auch Hannes Wolf, der letzte „junge Versuch“ des HSV, fand einen neuen Job: beim belgischen Champions-League-Teilnehmer KRC Genk.

Auch Wolf, in Bochum geboren, spielte sich mit der erfolgreichen Betreuung von Jugendteams in die erste Trainer-Liga. Ganz gleich, wie die Trainersuche in Hamburg ausgeht: Mit Dimitrios Grammozis (42) ginge der HSV kein großes Risiko.