ryb Hamburg - Diese Schreie vergißt niemand, der sie minutenlang mitanhören mußte. Dumpf röhrend, markerschütternd laut und voll nackter Angst um sein junges Fußballerleben brüllte Dimitrios Grammozis über den Rupprecht-Platz in Barmbek. Ein Zwanzigjähriger, muskulös und peppig ansonsten, der sich da auf nassem Rasen windet. Der, nicht wissend, wohin mit den Händen, sie abwechselnd Richtung linkes Bein bewegt und wieder verzweifelt vor das Gesicht schlägt. Was muß da in einem vorgehen, der vom Spaßfußballer zum Profi wurde, dessen Schalk, dessen Energie und Charme für eine ganze Mannschaft reichen würden.

Dimitrios Grammozis hat sich das Wadenbein gebrochen, aber es scheint, als stürze schmerzumwunden der ganze nette Kerl in sich zusammen. Der Auftritt des HSV zum 75jährigen Bestehen von BU an der Steilshooper Straße hinterläßt bei allen Beteiligten ein schauriges Zittern, wenn man sich die Szene in der 32. Minute vor Augen ruft.

Joachim Philipkowski, St. Paulis Co-Trainer und früherer BU-Spieler, wirft an der Außenlinie auf holprigem, rutschigen Boden den Ball bogenlampenartig ein. Grammozis, in den Minuten zuvor oft am Ball und kämpferisch sehr auffällig, streckt dynamisch ein Bein in die Luft. Der nächste Gegenspieler ist mehr als vier Meter entfernt. Grammozis strauchelt Richtung Seitenaus-Linie und Bande direkt dahinter, muß mit dem linken Bein das Gewicht von nahezu 80 Kilo plus Fluggeschwindigkeit auffangen, findet aber vermutlich keinen Halt und knickt um.

"Das Bein war gebrochen, das merkte man sofort", sagte Philipkowski, der als frischgebackener Fußballehrer das medizinische Wissen mitbringt. Ein Arzt aber fehlte auf dem Platz, den die Physiotherapeuten Hermann Rieger und Peter Valerius erstürmten. Co-Trainer Armin Reutershahn und Chef Frank Pagelsdorf eilten hinzu. Erste Hilfe waren Trost und Zuspruch und kleine Griffe: Notversorgung.

Nachher hätten sie selbst Hilfe gebraucht. Aschfahl wackelten sie vom Platz. Pagelsdorf war als Bielefelder Profi dabei, als Ewald Lienen am 14. August 1981 im Spiel gegen Werder Bremen die häßliche Schlitzwunde am Oberschenkel erlitt. Bei BU mußte die Trage aus einem Verschlag geholt werden, für den der Schlüssel zunächst fehlte. Dafür war sie originalverpackt.

Im UKE wurde Grammozis sofort operiert. Gestern bekam er Besuch von seinen Mitspielern und war froh, daß er "nur" drei und nicht sechs Monate ausfällt, wie zunächst befürchtet. "Ich habe gerade eine mittelschwere Verletzung hinter mir", sagte Stefan Böger, der nach seiner Meniskus-Operation erstmals wieder 90 Minuten spielte. "Aber so etwas schockiert."

Auch Thomas Doll, auf Hamburg-Urlaub von der Rehabilitation in Basel, sah mitgenommen aus: "Mein Gott . . . " Er rang nach Worten. "Ich kann selbst gerade wieder laufen und muß nicht mehr im Wasser und auf dem Fahrrad arbeiten." Für Böger war es die sechste größere Operation: "Jammern hilft nicht. Ich muß mich immer wieder alleine rankämpfen. Aber ich hab' mir den Job ausgesucht."

Die übrige HSV-Mannschaft hatte ihren Job 45 Minuten lang ordentlich gemacht. Beim 11:2 (1:2) stimmte es jedoch erst im zweiten Durchgang gegen eine faire und engagierte BU-Mannschaft. Der elegant und sehr mannschaftsdienlich spielende Anthony Yeboah schoß vier Treffer, Jacek Dembinski drei. Vanja Grubac enttäuschte trotz seiner beiden Tore. Andreas Fischer und Andrej Panadic besorgten die restlichen Tore vor etwa 900 Zuschauern.