Hamburg. Nach dem 0:0 im Spitzenspiel gegen Bielefeld hoffen die Hamburger umso mehr auf den ersten Geisterspiel-Dreier in Stuttgart.

Die meisten HSV-Profis hatten das Spielfeld verlassen, als Tim Leibold noch immer mit gestikulierenden Armen am Mittelkreis stand. Der Linksverteidiger haderte mit sich und musste hinterher von seinen Kollegen aufgebaut werden.

Leibold ist der beste und konstanteste Hamburger dieser inkonstanten HSV-Saison. Auch gegen Tabellenführer Arminia Bielefeld zeigte der beste Vorlagengeber der Liga (13 Assists) eine gute Leistung. Dass die Partie nur mit einem 0:0 endete, hatte aber eben auch zu einem wesentlichen Teil mit Leibold zu tun.

Es lief die 67. Minute, als der Abwehrspieler nach einer perfekt getimten Flanke Martin Harniks in Mittelstürmerposition auftauchte und den HSV in diesem Moment wieder in Richtung Zweitligameisterschaft hätte köpfen können. Doch Leibold platzierte den Ball auf fünf Metern an den linken Pfosten. Es war die beste von zahlreichen HSV-Chancen.

HSV profitiert von Stuttgart-Patzer

Am Ende aber blieb es wie schon vor einer Woche in Fürth bei einem Punkt und weiter sieben Punkten Rückstand auf Bielefeld. Platz eins ist sieben Spieltage vor Schluss damit in ganz weite Ferne gerückt.

Immerhin konnte der HSV Verfolger VfB Stuttgart (2:3 bei Holstein Kiel) vor dem direkten Duell am Donnerstag um einen Punkt distanzieren. Doch im Gegensatz zur Vorwoche, als die Hamburger trotz des Fürther Last-minute-Ausgleichs an Stuttgart vorbeizogen, wollte Trainer Dieter Hecking diesen erneuten angenehmen Nebenaspekt nicht in den Vordergrund stellen.

Hecking ärgert sich über HSV-Remis

„Wir sind enttäuscht über das Ergebnis, weil wir wieder mal die bessere Mannschaft waren“, sagte Hecking. „Wir haben einen hohen Aufwand betrieben. Nur die Krönung hat gefehlt.“ Recht hatte der HSV-Coach. Die Hamburger waren gegen die auswärts in diesem Jahr noch ungeschlagene Arminia in allen Belangen und fast allen Statistiken die bessere Mannschaft.

Am Ende aber gab es wieder nur einen Punkt. Aus den jüngsten sechs Spielen holte der HSV bloß einen Sieg. Die Art und Weise des 0:0 gegen Bielefeld darf dem Club indes Hoffnungen machen, Platz zwei bis zum Ende der Saison zu behaupten. „Das Ergebnis ist ärgerlich, aber das Spiel macht uns Mut“, sagte Hecking.

Der HSV-Trainer hatte seine Startelf im Vergleich zum 2:2 in Fürth auf drei Positionen verändert. Rick van Drongelen, Martin Harnik und der frisch gebackene Vater Sonny Kittel rotierten rein, Jordan Beyer, Bakery Jatta und Jairo Samperio mussten mit ihren Masken auf der zur Ersatzbank umfunktionierten VIP-Tribüne Platz nehmen.

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Hupende Autos vor Volksparkstadion

Das erste Geisterspiel in der Geschichte des Volksparkstadions ging im wahrsten Sinne des Wortes nahezu geräuschlos vonstatten. Zwar wurden vor dem Spiel die üblichen Songs über die Stadionboxen gespielt, auf den leeren Rängen aber hörte man nur die Akustik des Spiels. Ein kollektives Raunen der Fans hätte es in der Anfangsphase gleich mehrfach gegeben, als Joel Pohjanpalo (6.) und Harnik (8./12.) mit besten Möglichkeiten an Bielefelds Torwart Stefan Ortega scheiterten.

Auch im zweiten Durchgang bestimmte der HSV das Spiel. Und hatte nach Kopfbällen von erneut Pohjanpalo und Harnik (48./62.) die nächsten Chancen. Spätestens Leibold hätte die Partie dann aber entscheiden müssen.

Vereinzelt hörte man im Stadion hupende Autos, die vor der Arena kreisten und einen Vorgeschmack gaben, wie es sich anhören könnte, wenn der HSV hier in vier Wochen gegen Sandhausen den Aufstieg feiern würde. Dafür sollten die Hamburger ihre Chancen in den kommenden Spielen, vor allem am Donnerstag in Stuttgart, effektiver nutzen.

Kuriose HSV-Parallele zur Vorsaison?

Die auswärtsstarken Arminen wurden nur zweimal dank Toptorjäger Fabian Klos gefährlich. Trotzdem reichte es zum Punkt, der den Traum des Aufstiegs ein großes Stück realistischer erscheinen lässt. „Den Vorsprung gilt es zu verteidigen. Das ist definitiv möglich“, sagte Bielefelds Chefcoach Uwe Neuhaus.

Sein Trainerkollege Hecking, mit dem er sich vor dem Spiel am Anstoßpunkt minutenlang unterhalten hatte, wollte Platz eins aber noch nicht aufgeben. „An unserer Situation ändert sich nullkommanull. Sieben Punkte sind sehr viel. Aber das kann sich schnell wieder ändern“, sagte Hecking.

Seine These wird gestützt mit dem Blick auf die Tabelle nach dem 27. Spieltag vor einem Jahr. Damals spielte der HSV 0:0 in Bochum, stand ebenfalls auf dem zweiten Platz, hatte aber schon fünf Punkte mehr geholt als zum selben Zeitpunkt dieser Saison. Vor allem aber hatte er sieben Punkte Vorsprung auf den viertplatzierten SC Paderborn. Das Ende der Geschichte ist bekannt. Paderborn stieg als Zweiter direkt auf, der HSV blieb als Vierter zweitklassig ...

Die Statistik:

HSV: Heuer Fernandes – Vagnoman, Letschert, van Drongelen, Leibold – Fein – Dudziak (60. Kinsombi), Hunt – Harnik (76. Jatta), Pohjanpalo (60. Pohjanpalo), KIttel.

Bielefeld: 1 Ortega – 16 Kunze (73. Schipplock), 2 Pieper, 4 Nilsson, 8 Hartherz – 19 Prietl – 7 Weihrauch, 30 Hartel – 29 Soukou (65. Voglsammer), 10 Yabo (65. Clauss) – 9 Klos. – Trainer: Neuhaus

Schiedsrichter: Felix Zwayer (Berlin)

Gelbe Karten: Pohjanpalo – Schipplock

Torschüsse: 13:8