Hamburg. Nach dem 2:5 in Lübeck und dem Ärger um den Pohjanpalo-Transfer versuchen Verantwortliche Ruhe zu vermitteln – zumindest nach außen.
Joel Pohjanpalo hörte sehr genau zu, was Jonas Boldt zu sagen hatte. Der letzte Neuzugang des HSV in dieser Transferperiode stand am Freitagmittag im Erdgeschoss des Volksparkstadions und lauschte seinem Sportvorstand.
Dieser war gerade dabei zu erklären, warum er den Finnen von Bayer Leverkusen soeben für den Rest der Saison auf Leihbasis verpflichtet hatte. „Joel ist ein schlauer Spieler und hat eine unglaublich gute Abschlussqualität“, sagte Boldt über den Stürmer, den er einst selbst aus Helsinki nach Leverkusen gelotst hatte.
Auch Pohjanpalo freute sich über die Wiedervereinigung. „Wir kennen uns persönlich sehr gut. Es ging alles sehr schnell“, sagte der 25-Jährige über das entscheidende Gespräch.
Unruhe beim HSV: Differenzen zwischen Boldt und Hoffmann
Nicht ganz so schnell und harmonisch dürfte dagegen das Gespräch zwischen Boldt und Vorstandschef Bernd Hoffmann abgelaufen sein, das nach Abendblatt-Informationen am Freitagmorgen stattgefunden hatte. Und das hatte nichts zu tun mit den Nachwehen der peinlichen 2:5-Niederlage am Donnerstagabend beim Viertligisten VfB Lübeck, die am Morgen danach im Volkspark zu spüren waren. Es ging um eben jenen Pohjanpalo-Transfer. Genauer gesagt: um die Geräusche drumherum.
So waren am Donnerstag Differenzen zwischen Boldt und Hoffmann bekannt geworden, die mit der Suche nach einem Stürmer zu tun hatten. Die Version in Kurzform: Während sich Boldt wochenlang um den Slowaken Robert Bozenik (20) von MSK Zilina bemüht hatte und sich mit dem jungen Nationalstürmer schon einig war, präferierte Hoffmann offenbar die Verpflichtung von Kölns Simon Terodde (31), der den FC vor einem und den VfB Stuttgart vor drei Jahren in die Bundesliga geschossen hatte und dies nun auch mit dem HSV tun sollte. Der Stürmer, der am Ende kam, heißt Pohjanpalo und hat in den vergangenen eineinhalb Jahren für Leverkusen genau eine Minute gespielt.
Boldt relativiert: "Von Streit erkenne ich relativ wenig"
Nach einem klärenden Gespräch bemühten sich die Verantwortlichen am Freitagmittag, einen möglichen Richtungsstreit nach außen schnell auszuräumen. „Von Streit erkenne ich relativ wenig“, sagte Boldt, der vor der Saison von Hoffmann aus Leverkusen geholt wurde, nun aber nicht zum ersten Mal mit seinem Vorstandskollegen geteilter Meinung gewesen sein soll.
Nun hat man sich im Volkspark aber wieder zusammengesetzt. „Es geht nicht um Einzelpersonen. Es geht um den HSV“, sagte Boldt. Meinungsverschiedenheiten würden dazugehören. „Im Vorstand wird durchaus kontrovers diskutiert. Das ist selbstverständlich. Ich weiß nicht, von welchen Fronten geredet wird“, so Boldt.
Bolt kündigt offene Rechnung mit dem 1. FC Nürnberg an
Zwei Meter neben ihm stand der blonde Pohjanpalo und dürfte direkt mal einen Einblick bekommen haben, wie es im Innenleben des HSV so abläuft. Zuvor war er bereits Zeuge seiner ersten Mannschaftssitzung, in der es ebenfalls lauter wurde. Nach der 2:5-Pleite in Lübeck hatte Trainer Dieter Hecking in seiner Ansprache deutliche Worte gewählt.
Ganz so einfach wollte der Chefcoach nicht akzeptieren, was seine Profis insbesondere in der zweiten Halbzeit auf den ramponierten Rasen der Lohmühle gebracht hatten – nämlich nichts. „Das war alles andere als in Ordnung“, sagte Hecking und ließ das die Mannschaft am Freitag auch spüren.
Boldt sieht Niederlage in Lübeck als "Warnschuss"
Für Sportvorstand Boldt war die missratene Generalprobe ein „Warnschuss“ eine Woche vor dem Start der Restrückrunde gegen den 1. FC Nürnberg am Donnerstag (20.30 Uhr). „Wenn man Zweikämpfen aus dem Weg geht, funktioniert es gegen einen topmotivierten Gegner nicht – egal, aus welcher Liga.“
Die gute Nachricht für den HSV: Gegen Nürnberg dürften alle Spieler hochmotiviert sein. Zur Erinnerung: Nach der 0.4-Niederlage im Hinspiel hatte Nürnberg Einspruch eingelegt, nachdem die Identitätsdebatte um Bakery Jatta ins Rollen kam. „Ich glaube, dass wir mit dem Gegner noch eine kleine Rechnung offen haben“, sagte Boldt.
Pohjanpalo will sich für einen Platz im EM-Kader empfehlen
Joel Pohjanpalo dürfte von all diesen Themen bislang wenig mitbekommen haben. Dabei bewies der finnische Nationalstürmer, der sich beim HSV auch für einen Platz im EM-Kader empfehlen will, dass er sich durchaus schon mit dem Hamburger Traditionsverein beschäftigt hat.
Auf die Frage, welcher Finne vor ihm beim HSV gespielt habe, antwortete Pohjanpalo nicht etwa mit U-19-Talent Anssi Suhonen, in Lübeck bester Hamburger. „Peltonen, richtig?“ Richtig. Von 1964 bis 1966 spielte Juhani Peltonen für den HSV, erfüllte aber nicht die Erwartungen. „Ich will es besser machen“, sagte Pohjanpalo 54 Jahre nach Peltonen.
HSV ohne große Erwartungen an Pohjanpalo
Dabei sind die Erwartungen an die Leihgabe aus Leverkusen nicht sonderlich groß. Was primär an der Verletzungshistorie des Stürmers liegt, der wegen einer Durchblutungsstörung im Sprunggelenk mehr als ein Jahr nicht Fußball spielen konnte. „Wir haben die Problematik abgeklopft. Die Verletzung ist auskuriert“, sagte Boldt. Auch Pohjanpalo versicherte in seinem ersten Interview als HSV-Profi: „Es ist alles gut.“ In der Vorbereitung mit Leverkusen hatte er keine Probleme mehr.
Schon am kommenden Donnerstag könnte Pohjanpalo, der in der ersten Einheit bei einem Grad in kurzer Hose trainierte, gegen Nürnberg in der Startelf stehen. Der Angreifer will auf Anhieb dafür sorgen, dass beim HSV keine stürmischen Zeiten anbrechen. Sportchef Boldt erwartet in jedem Fall weder Wind noch Wasser, sondern Feuer: „Ich bin mir sicher, dass hier am nächsten Donnerstag die Bude brennt.“
Podcast: Trainer Dieter Hecking ist am Montag zu Besuch beim Abendblatt-Podcast „HSV – wir müssen reden“. Die neue Folge hören Sie am Montagabend von 21 Uhr an auf abendblatt.de.