Hamburg. HSV und Stuttgart drohen den Anschluss an die Erstligisten zu verlieren. Ex-Coach Huub Stevens analysiert die Lage.

Um Punkt 12.30 Uhr starteten HSV-Trainer Dieter Hecking und sein Stuttgarter Amtskollege Tim Walter zum Duell vor dem Duell. Während sich der VfB-Coach auf der Pressekonferenz vor dem Zweitligagipfel am Sonnabend (13 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) nicht in die Karten blicken ließ und die Fragen der Reporter größtenteils abblockte, präsentierte sich Hecking 664 Kilometer weiter nördlich deutlich souveräner. Doch auch mit den ausführlicheren Antworten gelang es dem HSV-Trainer, seinen Matchplan verbal zu umschiffen. „Das Spiel endet wahrscheinlich unentschieden“, sagte Hecking und erntete dafür einige Lacher.

Die Stimmung beim Tabellenführer ist ohnehin merkbar positiv in diesen Tagen. Nach dem verpassten Aufstieg im Mai hat sich das neu formierte Team das Vertrauen der Fans mit Leistung zurückgeholt. Die jüngsten vier Heimspiele gegen Fürth (2:0), Aue (4:0), Hannover (3:0) und Bochum (1:0) wurden zu null und teilweise sogar deutlich gewonnen.

Stevens: Darum hat Stuttgart Probleme

Ganz anders verhält sich die Situation in Stuttgart. Der VfB liegt zwar nur einen Punkt hinter den Hanseaten auf Rang zwei der Tabelle, hat aber bislang in noch keiner Partie spielerisch überzeugt. „Die Ergebnisse wurden sich erarbeitet“, kritisiert Huub Stevens (65) im Gespräch mit dem Abendblatt. Der Niederländer findet jedoch, dass beide Mannschaften nach dem jeweiligen Umbruch im Sommer „leider noch nicht optimal funktionieren“.

Stuttgart verzeichnete nach dem Abstieg 20 Ab- und 19 Zugänge. Der ballbesitzorientierte Risikofußball des neuen Trainers Walter überzeugt noch nicht jeden im Verein. In den jüngsten Heimspielen gegen Wiesbaden (1:2) und Kiel (0:1) wurden den Schwaben die Schwächen des eigenen Spielsystems gnadenlos aufgezeigt. „Dem VfB fehlt die Konstanz. Das Team tut sich schwer mit der Favoritenrolle“, sagt Stevens.

Stevens: HSV und Stuttgart fehlen der Bundesliga

Noch immer verfolgt das aktuelle Aufsichtsratsmitglied von Schalke 04 die Spiele seiner Ex-Vereine HSV und Stuttgart mit emotionalem Interesse. Stevens attestiert beiden Teams „spielerische Probleme“, aber auch „jede Menge Potenzial“. Der erfahrene Ex-Trainer weiß aber auch: „Es ist gut, oben zu stehen, obwohl man sich noch steigern kann.“

Wäre die Saison jetzt zu Ende, würden der HSV und Stuttgart direkt aufsteigen – und die Bundesliga wäre um zwei Traditionsclubs reicher. „Natürlich fehlen beide Vereine der Ersten Liga“, sagt Stevens, der in Deutschland bis auf Hoffenheim ausschließlich für Vereine mit einer ruhmreichen Fußballhistorie arbeitete.

Huub Stevens half vergangene Saison als Schalker Interimstrainer aus.
Huub Stevens half vergangene Saison als Schalker Interimstrainer aus. © Imago/DeFodi

Schalke, Hertha, Köln, HSV und Stuttgart lauten die weiteren Stationen seiner Trainerlaufbahn. Kaum einer wie Stevens kennt daher die Hintergründe, warum so viele Traditionsclubs Probleme haben, gegen neumodische Vereine mit schwerreichen Konzernen wie VW, SAP oder Red Bull konkurrenzfähig zu bleiben. „Tradition bedeutet Druck. Aber damit müssen die Vereine fertig werden“, sagt Stevens.

HSV bei Sky am beliebtesten

Doch Tradition schützt eben nicht vor sportlichem Misserfolg. Wegen zahlreicher falscher Entscheidungen auf Führungsebene sind Stuttgart und der HSV aktuell Zweitligisten. Die Anziehungskraft beider Vereine leidet darunter allerdings nicht. Der VfB hat mit 51.384 Zuschauern den höchsten Schnitt aller Zweitligisten weltweit. Auf Platz zwei folgt der HSV mit durchschnittlich 45.829 Fans bei Heimspielen.

Ähnlich wirkt sich das Interesse bei Livespielen im Fernsehen aus. Im Schnitt 420.000 Zuschauer schalten laut dem Bezahlsender Sky bei Spielen der Hamburger ein, bei den Schwaben sind es 300.000 Zuschauer. Es sind Werte, von denen viele Bundesligaclubs nur träumen können.

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TV-Geld: HSV droht Anschluss zu verlieren

Dennoch drohen beide Vereine, den Anschluss zu verlieren. Der HSV (20,7 Millionen Euro) kassiert in dieser Saison weniger als die Hälfte an TV-Geld im Vergleich zu den Erstligisten Freiburg (41, 4), Augsburg (43,3) und Mainz (46,4). In der kommenden Spielzeit steigen die Einnahmen aus der TV-Vermarktung erneut. Bei einem Aufstieg stünden dem HSV rund 40 Millionen Euro zu. Eine Summe, mit der sich die Hamburger in der Abstiegszone einsortieren würden. Bei einem weiteren Jahr im Fußball-Unterhaus wären es rund 20 Millionen Euro weniger – und der Abstand zu den Bundesligisten würde weiter wachsen.

Die Konsequenz dieser Entwicklung könnte sein, dass Stuttgart und der HSV die neuen Fahrstuhlmannschaften werden. „Ich hoffe nicht, dass es so weit kommt“, sagt Stevens, der sich der Gefahr bewusst ist.

Am Sonnabend gegen den VfB wollen die Hamburger deshalb den nächsten Schritt Richtung Bundesliga machen. Mit demselben Duell drei Tage später im DFB-Pokal soll dann die Krönung für Heckings Elf folgen. „Ich denke, dass der HSV beide Spiele gewinnt“, sagt allerdings nicht der HSV-Coach, sondern Stevens.