Zweimal hintereinander trifft der HSV auf den VfB Stuttgart. Martin Harnik und Huub Stevens über eine legendäre Aktion.
Martin Harnik guckte etwas ungläubig in Richtung der fünf aufgebauten Kameras im Bauch des Volksparkstadions. „Also, ich bin bereit“, sagte der HSV-Angreifer. „Wir auch“, entgegnete einer der Reporter. Und schon durfte Harnik Einblicke in seine Stuttgarter Vergangenheit, die persönliche Bedeutung der beiden anstehenden Duelle mit seinem Ex-Club für ihn sowie seine Rolle beim HSV geben.
Der beim SC Vier- und Marschlande ausgebildete Harnik verbrachte die längste Zeit seiner Karriere beim VfB Stuttgart, wo er innerhalb von sechs Jahren (2010 bis 2016) nahezu alle Höhen und Tiefen des Fußballs erlebte. „Stuttgart war mein Sprungbrett, meine erste Bundesligastation, in der ich Fuß fasste und mich zum Erstligaspieler entwickelte“, sagte der Offensivspieler.
Martin Harnik erlebte DFB-Pokal-Finale und Abstieg hautnah
Mit den Schwaben erreichte er das Achtelfinale der Europa League und stand im DFB-Pokal-Finale (jeweils 2013), erlebte aber auch den Abstieg im Sommer 2016. Letzteren bezeichnet er inzwischen als „absoluten Tiefpunkt“ seiner Karriere.
Ein Jahr zuvor, im Mai 2015, konnte der VfB den Gang in die Zweite Liga durch einen Endspurt mit drei Siegen in Serie gerade noch abwenden. Unfreiwilliger Teilnehmer dieser furiosen Aufholjagd war der HSV, der am vorletzten Spieltag trotz Führung mit 1:2 in Stuttgart verlor. Harnik erzielte damals den Siegtreffer für die Schwaben – und sorgte mit einem speziellen Affenjubel für zusätzliche Schlagzeilen.
Hintergrund dieser Aktion war ein emotionaler Ausbruch im Training des damaligen VfB-Coaches Huub Stevens, der seine Spieler „verwöhnte Affen“ nannte. „Wir steckten tief im Abstiegskampf und haben den Trainer darum gebeten, ob er den Platz wässern könnte, weil dieser sehr trocken war und wir dadurch nicht die besten Bedingungen hatten“, erinnerte sich Harnik vier Jahre danach.
Huub Stevens machte klar, worum es eigentlich geht
„Für Huub Stevens war das damals ein gelungener Anlass, um uns einen Einlauf zu verpassen und uns begreiflich zu machen, um was es eigentlich geht.“
Auch wenn „verwöhnte Affen“ im Niederländischen umgangssprachlich ,verwöhntes Kind‘ heißt und somit eine harmlose Bedeutung hat, kam die Redewendung vor allem bei den dunkelhäutigen Spielern nicht gut an. „Deshalb haben wir eine charmante Antwort im Spiel gefunden“, sagte Harnik, der bei seinem Jubel gemeinsam mit seinen Mitspielern Daniel Ginczek, Daniel Didavi und Antonio Rüdiger Affen imitierte.
Doch damit war das letzte Wort in der Affen-Causa noch nicht gesprochen, denn auch Stevens ließ am nächsten Morgen noch einen Konter folgen. „Ich habe dafür gesorgt, dass alle vier Spieler beim Frühstück an einem Tisch saßen“, erinnerte sich der Ex-Stuttgart- und -HSV-Trainer im Gespräch mit dem Abendblatt. „Dann legte ihnen der in einem Affenkostüm verkleidete Zeugwart jeweils eine Banane auf den Tisch. Alle haben gelacht.“
Affenaktion: "Der Schlüssel für den Klassenerhalt"
Auch Stevens kann über diese Geschichte noch heute lachen. Er ist sogar davon überzeugt, dass sie ihren Anteil am Stuttgarter Erstligaverbleib hatte. „Diese Aktion hat die Jungs wachgerüttelt und für eine gute Stimmung im Team gesorgt. Es war der Schlüssel für den Klassenerhalt“, sagt der Niederländer heute.
Vier Jahre später spielt der VfB nun doch in der Zweiten Liga. Und wie es der Spielplan so will, trifft Harnik mit seinem neuen Club HSV gleich zweimal nacheinander auf seinen früheren Verein. Zunächst am Sonnabend in der Liga (13 Uhr) sowie drei Tage später in der zweiten Runde des DFB-Pokals (18.30 Uhr). „Das werden großartige Spiele“, sagte Harnik voller Vorfreude.
Kann Stuttgart eine Reaktion zeigen?
Natürlich sind diese für den gebürtigen Hamburger besonderen Spiele auch seinem Bekanntenkreis nicht entgangen. Entsprechend hoch waren die privaten Ticketanfragen. Alle Wünsche konnte Harnik aber nicht erfüllen. „Ich habe mir einige Karten gesichert, musste aber auch einigen Freunden absagen, weil das Spiel am Sonnabend schon ausverkauft ist.“
Doch schon die wenigen Familienmitglieder und Freunde, denen Harnik einen Platz in der Arena gesichert hat, werden reichen, um für eine Extramotivation bei dem Stürmer zu sorgen. „Ich spüre eine besondere Anspannung und auch den gewissen Druck, den ich mir selbst mache, weil ich hier zu Hause besonders performen möchte.“
HSV-Stürmer Harnik weiß, wovon er spricht
Dass Stuttgart zuletzt zwei Heimspiele in Folge verlor (1:2 gegen Aufsteiger Wehen Wiesbaden und 0:1 gegen Holstein Kiel), betrachtet Harnik nicht als Vorteil für den HSV. „Sie werden eine Reaktion zeigen wollen, haben eine Topmannschaft und treten sehr dominant auf“, sagte der 32-Jährige. „Wir können uns auf eine gefährliche Mannschaft einstellen.“
Harnik weiß, wovon er spricht. Die Spiele seines Ex-Clubs verfolgt er noch immer intensiv. Für den kommenden Sommer hat der Angreifer deshalb einen speziellen Wunsch. „Ich unterschreibe hier sofort den Aufstieg beider Vereine.“ Auch dafür ist Harnik bereit.